E-Book, Deutsch, Band 2, 292 Seiten
Reihe: Das Double der Prinzessin
Penninger Das Double der Prinzessin 2: Enthüllung
1. Auflage, Digital Original 2018
ISBN: 978-3-646-30119-9
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 292 Seiten
Reihe: Das Double der Prinzessin
ISBN: 978-3-646-30119-9
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tanja Penninger wurde 1992 in Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren, hat Lehramt für Volksschule studiert und arbeitet nun als Lehrerin. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte in einem Musikverein und schreibt Geschichten. Derzeit wohnt sie im Bezirk Braunau (Oberösterreich).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
LAVENDEL UND KRISTALL
Ein Sturm zog auf. Ein Wind, der mich schließlich zwingen sollte, meine Segel neu zu setzen. Um nichts in der Welt hätte ich ahnen können, welche Auswirkungen die Hinrichtung der jungen Hexe auf unser aller Leben haben würde. Königin Garina änderte ihren Kurs und steckte sich ein neues Ziel: Richard Tesloth, der Herrscher Aladors und Ians Vater, sollte von der Boshaftigkeit der magischen Wesen überzeugt werden. Während in Katerra und Nhao die Zauberei seit vielen Jahren verboten war und jene Wesen, die besondere Begabungen dieser Art vorweisen konnten, längst hinter eine dicke, hohe Mauer im Norden gesperrt worden waren, konnten sich Hexen und Zauberer in Alador nach wie vor frei bewegen. Noch.
Bisher war auch ich der Meinung gewesen, dass die Kunst der Magie gefährlich war und alle Kreaturen hinter der Mauer uns Böses wollten, doch nun, da ich Crimson, die verstoßene Schwester von Königin Garina, kennengelernt hatte, wusste ich es besser. Dazu kam noch, dass ja auch mein Blut nicht »rein« war – wie es unsere Monarchin nennen würde. Hätte die Königin eines Tages erfahren, dass sie bei der Wahl eines Doubles für ihre liebste Tochter ausgerechnet eine Hexe erwischt hatte, wären meine letzten Stunden gezählt gewesen.
Inzwischen war mir längst klar geworden, dass ich die kalte Schönheit nicht unterschätzen durfte. Die Gemahlin Bensar Kerials war genauso klug, wie sie grausam war. Sie hatte sicherlich nicht vor mich eines Tages zur Herrscherin Katerras zu machen, wie es der Wunsch des Königs war. Durch die Flucht der Hexe war auch die Chance, die königliche Tochter Marlena könnte jemals vom Fluch der Feen befreit werden, gegen null gesunken. Garina brauchte also einen neuen Plan und ich befürchtete, dass ich darin nicht vorkommen würde – jedenfalls nicht lebendig. So lange jedoch König Bensar am Hofe Katerras herrschte, würde mir keine Gefahr drohen, dessen war ich mir sicher. Denn der alte Mann sah in mir die Tochter, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte. Garina aber würde es niemals zulassen, dass eine einfache Wirtstochter aus Nhao Katerras Thron bestieg, das war mir klar. Auch Lady Bonita, die Schwester des Königs, würde gewiss lieber einen ihrer Söhne, Eric oder Vito, als Nachfolger für ihren Bruder sehen. Jeder im Land wusste allerdings, wie wenig sich die beiden Brüder für das Erbe interessierten. Eric hasste es Verantwortung zu übernehmen und Vito war derzeit nur mit der Suche nach einer geeigneten Gemahlin beschäftigt.
***
Nachdem ich Crimson zur Freiheit verholfen hatte und die Wachen ihr Verschwinden bemerkt hatten, berief Garina sofort panisch eine Ratssitzung ein. Obwohl mir König Bensar inzwischen erlaubte an derartigen Gesprächen teilzunehmen, schlug mir die Monarchin beinhart die Nase vor der Türe zu und verscheuchte mich barsch mit den Worten: »Verzieh’ dich endlich auf dein Gemach, Dorfmädchen!«
Derbe Worte für eine Königin! Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht gespuckt. Tatsächlich aber funkelte ich sie nur so wütend ich konnte mit meinen blauen Augen an, machte anschließend ruckartig kehrt und stolzierte erhobenen Hauptes von dannen. Elegant raffte ich seitlich mein Kleid und achtete bewusst darauf, dass meine Stöckel bei jedem Schritt laut auf dem Marmorboden klackerten. Nein, ich war keine gebürtige Prinzessin. Aber ja, ich konnte inzwischen täuschend echt eine solche darstellen – und das lag nicht nur mehr einzig und allein an meinem Erscheinungsbild, das dem von Marlena Kerial bis aufs goldblonde Haar glich.
Als ich mein Gemach erreichte und mich auf mein weiches Bett warf, brannten Tränen in meinen Augen. Auch das Klopfen meines Herzens spürte ich bis hinauf zum Hals. Wie würde der Innere Rat nun über mein Schicksal entscheiden? Würden die Ratsmitglieder beschließen mich zu beseitigen? Jetzt, wo der König zu krank war, um die Sitzung zu leiten, würde wohl die Monarchin selbst den Vorsitz übernehmen – und das bedeutete nichts Gutes.
Natürlich wusste ich bereits, dass Garina sofort nach der Flucht der Hexe Crimson Soldaten und Ritter zur Mauer geschickt hatte. Die Königin wollte ihre Schwester um jeden Preis wieder einfangen, da offenbar nur sie in der Lage war den Bann der Feen zu brechen und Marlena wieder ihr altes Aussehen zu schenken.
Was aber würde die eiskalte Monarchin tun, wenn sie keine Rettung mehr für das Gesicht ihrer Tochter sah? Durfte dann noch ein Dorfmädchen aus Nhao damit herumlaufen?
Ich könnte einfach fliehen.
Von diesem Einfall wie gebannt blinzelte ich die Tränen fort, ging hinüber zum Fenster und öffnete es. Inzwischen reichten einige Äste der großen Eiche nahe genug an meine Fenster, um aus meinem Gemach zu klettern und wegzulaufen. Mit Magie hatte ich sie verändert, letzte Nacht, zusammen mit Ian.
Prinz Sebastian Tesloth, der junge Mann, der mich beim Wasserfall vor einem ungehobelten Zwerg auf einem Phönix beschützt hatte, wusste nichts von meiner wahren Vergangenheit. Für ihn war ich Marlena Kerial, die Thronfolgerin Katerras, und nicht Lona Raklot, eine Hexe aus Naho. Und obwohl mir klar war, dass ich kein Recht auf den Thron dieses Landes hatte, wünschte ich doch tief in meinem Herzen, dass es mir irgendwann möglich sein würde diesen zu besteigen. Nicht aber, um möglichst mächtig zu sein, sondern um das Volk vor Garina zu beschützen. Noch gab sie sich gütig und gerecht – doch ich wusste, wie sie wirklich war. Mein schmerzendes Gesicht erinnerte mich ständig daran und schürte damit den Wunsch nach Freiheit in mir. Allerdings lag mir das Schicksal Katerras inzwischen wirklich am Herzen, und auch die Tatsache, dass ich Ian wohl nie mehr wiedersehen würde, wenn ich jetzt fortlief, ließen mich den Fluchtgedanken fallenlassen.
Seufzend schloss ich das Fenster wieder und zog auch die schweren dunkelroten Samtvorhänge vor. Bald würde es Nacht werden, doch der Rat tagte offenbar noch immer. Aus diesem Grund beschloss ich schließlich nicht länger auf meine Zofe Elvira zu warten. In Gedanken versunken begann ich meine Kleider abzulegen und kuschelte mich in meine flauschigen Decken. Ein letztes Mal beobachtete ich die zuckende Flamme, die auf dem Docht der kleinen Kerze zu tanzen schien, dann pustete ich das Licht aus. Unzählige fein bestickte Kissen betteten mich königlich, weshalb es mir gewiss nicht schwerfallen würde, schon bald ins Land der Träume zu versinken. Dachte ich.
Ich irrte mich.
Gerade als ich meine Augen schließen wollte, hörte ich es. Ein Keuchen.
Abrupt riss ich meine Lider wieder auf, starrte ins dunkle Nichts.
Auf einen Schlag hin fühlten sich meine Knochen kalt und hohl an, bewegungsunfähig. Nur mit gewaltiger Anstrengung gelang es mir mich aufzusetzen. Mit zitternden Fingern griff ich nach den Streichhölzern, um meine Kerze erneut zu entflammen, doch das Schächtelchen rutschte mir aus meinen zitternden Händen, fiel scheppernd zu Boden.
»Ist da jemand?«, fragte ich in die Finsternis hinein. Schnell und unregelmäßig pochte mein Herz und ließ heißes Blut durch meine Adern rauschen. Schon zuvor hatte ich des Nachts Stimmen und Wispern in meinem Gemach vernommen, doch bisher war es stets der Ruf der Hexe Crimson gewesen. Nun aber konnte sie es nicht mehr sein!
Wieder hörte ich das Keuchen, diesmal näher, lauter. Vor Schreck schrie ich auf. Schrill und spitz.
Einen Wimpernschlag später wurde die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen. Sir Alb stand im Durchgang, hielt einen hellen Kerzenleuchter in der Hand und griff mit der anderen bereits nach seinem Schwert – umsonst. Der Schein der Lichtquelle genügte, um zu offenbaren, dass sich außer mir niemand in meinem Gemach aufhielt.
Panisch und verstört huschte mein Blick herum und hielt Ausschau nach der seltsamen Geräuschquelle. Das Keuchen – ich hatte es mir ganz gewiss nicht bloß eingebildet!
»Alles in Ordnung, Prinzessin?«
Sir Alb klang besorgt. Obwohl der Ritter wusste, dass ich nicht die Königstochter war, betrachtete er mich, als wäre meine Sicherheit von unschätzbarem Wert. Bereits Sir Banbaron hatte bei dem Attentat auf mich sein Leben für mich riskiert und nun schien auch der zweite Ritter des Inneren Rates in seine Fußstapfen zu treten. Es rührte mich tief im Inneren, dass die beiden so für mich eintraten.
»Nein«, flüsterte ich, »ich habe ein seltsames Keuchen vernommen!«
Ich hatte diese immerwährenden Schlossgeheimnisse satt. Die Hexe im Verlies, die entstellte Königstochter – all diese Vorkommnisse nagten an mir, würden mich auch niemals wieder loslassen. Gewiss bildete ich mir auch dieses Keuchen nicht einfach nur ein!
Tatsächlich begann Sir Alb daraufhin mein Gemach zu durchsuchen. Er öffnete Schränke und Schubladen, konnte jedoch die Ursache für dieses verstörende Geräusch nicht finden. Ich dankte ihm dennoch und versprach sofort wieder Alarm zu schlagen, wenn ich noch einmal etwas hören sollte.
Den Rest der Nacht jedoch blieb alles still.
***
Ich erwachte erst, als meine Zofe Elvira die schweren Vorhänge mit einem schnellen Ruck beiseite zog und das grelle Sonnenlicht meine Haut kitzelte. Blinzelnd öffnete ich meine Augen, strich meine blonden Locken aus dem Gesicht und setzte mich im Bett auf. Obwohl es warm im Zimmer war breitete sich eine Gänsehaut über meinen Körper aus. Das nächtliche Keuchen drang flüsternd in meinen Verstand ein – versuchte wohl mich wahnsinnig zu machen. Aber ich wollte mich nicht verwirren lassen und so schüttelte ich schnell die Erinnerung an diese Geräusche wieder ab.
Elvira rückte gerade ihr weißes Zofenhäubchen zurecht und steckte eine vorwitzige strohblonde Strähne zurück hinters Ohr....




