Pistor | Gemünder Blut | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Ina Weinz

Pistor Gemünder Blut

Eifel Krimi
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86358-017-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Eifel Krimi

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Ina Weinz

ISBN: 978-3-86358-017-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Gemünder Blut - Ein spannender Eifel-Krimi mit Kommissarin Ina Weinz Kneippen, Kuren, Kopf freimachen. Das, in dieser Reihenfolge, hat Kommissarin Ina Weinz im Sinn, als sie Köln den Rücken kehrt und zu Vater und Bruder in ihre alte Eifelheimat Gemünd zieht. Aber der beschauliche Kneippkurort hat für Ina mehr zu bieten. Ein neuer Liebhaber, ein toter Professor und ihr Gespür für die schwarzen Schatten der scheinbaren Idylle lassen ihr keine andere Wahl. So findet sie sich unvermittelt in der Rolle wieder, die sie doch eigentlich hinter sich lassen wollte - als Ermittlerin in einem Mordfall. Elke Pistor entführt die Leser in Gemünder Blut in die malerische Eifel und an die Seite einer Kommissarin, die nicht nur gegen das Verbrechen, sondern auch gegen ihre eigenen Dämonen kämpft. Ein fesselnder Krimi voller überraschender Wendungen, der die Spannung bis zur letzten Seite hochhält. Perfekt für alle Fans intelligenter Kriminalromane mit starken Ermittlerinnen und atmosphärischen Schauplätzen.

Elke Pistor, Jahrgang 1967, studierte Pädagogik und Psychologie. Seit 2009 ist sie als Autorin, Publizistin und Medien-Dozentin tätig. 2014 wurde sie für ihre Arbeit mit dem Töwerland-Stipendium ausgezeichnet und 2015 für den Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie 'Kurzkrimi' nominiert. Elke Pistor lebt mit ihrer Familie in Köln. www.elke-pistor.de
Pistor Gemünder Blut jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


EINS

Der König schritt voran. An seinem Arm die Königin. Es folgten die Minister mit Damen, der Ortsvorsteher und der Pfarrer. Die Fahnen der Kompanien wehten im Wind, zur Hälfte aufgerichtet. Es war heiß. Der Gemünder Schützenzug bewegte sich wie die Fata Morgana einer Karawane am Rande der Festwiese entlang. Stumm. Nur unterbrochen durch das Klirren der Säbel an den Uniformen und vereinzeltes Frauenlachen.

An der Bordsteinkante zur Hauptstraße verfing sich die Königin im Stoff ihres Abendkleides, strauchelte und ging in die Knie. Die Menschen am Straßenrand raunten. Niemand kam ihr zur Hilfe. Ohne eine Miene zu verziehen, stand sie auf und glättete ihr Kleid. Den Riss im Taft ihrer Robe, durch den Stücke des Reifrocks zu sehen waren, ignorierte sie.

Der König schritt voran. Seine Orden klimperten. Das Königspaar und sein Gefolge stellten sich in der Mitte der Straße auf – Soldaten auf dem Exerzierplatz –, die Reihe wie an einer Schnur ausgerichtet, reckten die Hälse, strafften den Rücken. Bereit für die ehrenwerte Parade.

Die Königin öffnete ihre Handtasche und zog eine Sicherheitsnadel aus einer Mappe mit Nähzeug.

Als die Musik einsetzte und die Fahnen, Uniformen und Musikkapellen endlos an ihr vorbeidefilierten, war der Riss verschwunden, nicht mehr zu sehen. Aber er war da. Das wusste sie.

Mein Bruder aß immer. Jetzt gerade eine Ananas.

»Wo hast du denn die her?« Ich lehnte mich über den Biertisch und schrie Olaf die Frage über die Musik und das Stimmengewirr im Festzelt hinweg ins Gesicht.

Er kaute, hob eine Augenbraue und legte eine Hand an sein Ohr. »Es gibt hier Pommes, Currywurst und Reibekuchen. Wo hast du die Ananas her?«

»Mitgebracht«, quetschte er mit vollem Mund hervor. »Ich mache Diät!« Dann schob er ein Stück in meine Richtung. »Bier?« Olaf stand auf und strebte der Theke zu, ohne auf Antwort zu warten.

Am Nebentisch schunkelte sich eine Gruppe Frauen in Ekstase. Vermutlich ein Kegelclub.

»Ein Stern, der deinen Namen trägt …«, sangen sie und übertrafen die Festcombo zwar nicht an Tonsicherheit, aber doch erheblich an Lautstärke.

Ich schätzte sie auf mein Alter, erkannte aber keine von ihnen. Entweder waren sie nicht aus Gemünd, oder die Freundinnen meiner Kindheit hatten sich so verändert, dass ich keine Chance hatte, sie zu erkennen.

Der unterschiedliche Musikgeschmack war nicht das Einzige, was uns trennte. Während sie adrett, mit zweifarbig gesträhnten Kurzhaarfrisuren an ihrem jugendlichen Aussehen feilten, strahlte jeder Zug an mir die Gleichgültigkeit der Städterin aus, die sich in der Anonymität verstecken wollte. Ich hatte mich von Olaf überreden lassen, überhaupt hierhin zu gehen, und dann, kurz bevor wir losgingen, wahllos Jeans und T-Shirt aus meinem Kleiderstapel übergestreift.

Wo blieb Olaf nur? Von meinem Platz aus suchte ich ihn in der Menge, blieb an dem einen oder anderen Gesicht hängen, nickte, grüßte und lächelte. Den Mann neben mir bemerkte ich erst, als er mich ansprach: »Hallo, Ina.«

Vor mir stand Steffen Ettelscheid. Olafs bester Freund seit Kindertagen und Namensvetter meines Exmannes. Er war hochgewachsen, und die vielen kleinen Fältchen um seine Augen zeigten mir, dass er sich vor Sonne und Wind nicht fürchtete. Er schien sich über unsere Begegnung zu freuen. Ich hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Dem Kind mit zerschlagenen Knien und dem Jugendlichen mit langen Haaren und jeder Menge Buttons, die seine Ansicht zur jeweils aktuellen Weltlage kundtaten, hatte ich oft genug die Tür geöffnet. Hier stand ein erwachsener Mann vor mir. In seiner Schützenuniform sollte er Tradition und Ordnung ausstrahlen, aber ich kam nicht umhin zu denken, dass er irgendwie wie ein Rockstar aussah, der sich als Schütze kostümiert hatte. Wirre braune Locken fielen ihm bis auf die Schultern, und in seinen dunklen Augen blitzten Neugier und etwas Jungenhaftes auf. Er faszinierte mich, und ich konnte nichts dagegen tun. Unwillkürlich hielt ich nach Buttons Ausschau, entdeckte aber nur Orden der Schützenbruderschaft.

»Urlaub von der Domstadt?« Er lächelte mich auf eine Art an, die mich hoffen ließ, er sähe mir die neun Jahre, die ich ihm voraushatte, nicht an. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte mehr Sorgfalt auf mein Äußeres gelegt. Dunkle Strickjacken waren bequem und so oder so faltenfreundlich. Sie waren nicht attraktiv.

»So ähnlich«, murmelte ich und war froh über die drei Gläser und die Schale mit Erdnüssen, die Olaf zwischen uns auf den Biertisch stellte.

»Kommst du auch schon, Herr Oberförster?« Olaf hatte sich allem Anschein nach erfolgreich durch das Gedränge an der Theke gekämpft und schob ihm ein Bier zu. Es schwappte über den Rand, lief am Glas entlang und bildete eine Lache auf dem dunklen Holz.

Einen kurzen Moment lang hielt ich es für Blut. Mir schwindelte. Ich schloss die Augen. Ich war hier, um das zu vergessen.

»Lass mal, ich will nicht …!« Steffen sah zu seinem Freund und schüttelte den Kopf.

Von meiner Reaktion hatte er nichts gemerkt. Er fischte einen Bierdeckel aus der Lache und drehte ihn um. Nepomuk, der Gemünder Brückenheilige, lächelte uns an. Steffen grinste zurück, setzte seinen Schützenhut ab und legte ihn auf den Tisch.

»Dir würde so ein Hut auch gut stehen, alter Knabe.« Dann nickte er mir zu, packte sein Glas, trank aber nicht. »Wie lange hast du Urlaub, Ina?«

»Beurlaubung, das ist ein Unterschied!«, mischte sich Olaf ein. »Sie ist beurlaubt, unsere Frau Kommissarin.«

Steffen zog eine Augenbraue hoch. »Hast du Mist gebaut?«

»Sie hat einen Fall ver…« Olaf murrte, als ich ihm meinen Ellbogen durch seine Speckschicht in die Rippen jagte.

»Ich kann sehr gut für mich selbst sprechen, Brüderchen.«

Steffen schwieg und sah mich an.

Ich schob die Bierdeckel über den Tisch und kratzte an Nepomuks Nase herum.

»Also gut.« Ich seufzte. Steffen war ein Freund meines Bruders. »Ich habe mich von privaten Gefühlen in einem Fall beeinflussen lassen und mich und meinen Kollegen damit in eine sehr gefährliche Situation gebracht.« Ich hob das Bierglas an meine Lippen, setzte es aber sofort wieder ab. »Ich habe um die Beurlaubung gebeten. Ich muss mir darüber klar werden, ob dieser Beruf wirklich das Richtige ist für mich.«

Es hörte sich wie auswendig gelernt an, selbst in meinen Ohren.

»Und da hat sie sich gedacht, das kann sie am besten in der schönen Eifel, im Schoße der Familie.« Olaf langte in die Erdnüsse, stopfte eine Handvoll in den Mund und kaute. Seine Wangen wogten auf und ab. »In meiner Wohnung.«

»Ja, manchmal muss man wissen, wo man hinwill.« Steffen nickte. »Und wo man hinkann.«

Die Musikkapelle auf der Bühne spie ein paar Töne in das Festzelt. Ich zuckte zusammen.

»Wir wollen aber jetzt keine Trübsal blasen!« Olaf prostete uns zu. »Auf deine Beförderung, Herr Oberförster!«

Steffen lachte und wiegelte ab. »Noch ist es nicht spruchreif, Olaf. Noch bin ich ein Förster – kein Forstamtmann. Müllersohn hat mich zwar vorgeschlagen, aber es ist nichts unterschrieben.« Steffen schob sein Bierglas von sich. »Ich will nicht mehr. Ich hab schon eben während des Zuges zwei, drei getrunken. Das reicht mir.«

Olaf spitzte die Finger, fischte eine Erdnuss aus der Schale und warf sie ihm ins Gesicht.

»Dir schmeckt wohl unser Gemünder Bier nicht mehr, was? Oder trauerst du dem bayrischen Bier deiner Studentenzeit hinterher?«

»Keine Angst, mein Freund. Das Kölsch hier schmeckt immer noch am besten.«

Olaf legte seine Stirn in Falten und kräuselte die Lippen. Er sah aus wie ein chinesischer Faltenhund. »Du weißt, wir legen hier Wert darauf, dass unser Obergäriges kein Kölsch ist, sondern Gemünder!« Olaf hatte den gleichen Ton wie in seiner Rolle als Stadtführer angeschlagen, in die er alle vier Wochen für einen Haufen Nationalparktouristen schlüpfte.

»Lassen Sie es stehen. Es wäre vergeudet, Herr Ettelscheid. Ihre Beförderung ist alles andere als sicher. Zumindest, solange ich derjenige bin, der Ihre Dienstakte prüft.« Die Stimme schnitt aus dem Hintergrund durch die Töne der Blaskapelle.

Steffen fuhr herum.

Die zu große Jacke im englischen Landhausstil und das rote Seidentuch ließen den Mann lächerlich aussehen. Der Hass in seinen Augen aber war beängstigend. Steffen erstarrte.

»Prutschik!«

»Ganz richtig, Ettelscheid, ganz richtig«, keckerte der. »Erinnern Sie sich?« Er rieb sich die Hände und fingerte nach seiner Aktentasche, die vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte. »Bestimmt erinnern Sie sich!«

Steffen öffnete den Mund, so als ob er etwas erwidern wollte. Dann schluckte er und wandte sich von Prutschik ab. Sein Blick flog zwischen mir und Olaf hin und her. Schließlich packte er sein Glas, trank einen Schluck. Dann noch einen.

»Du hast recht, Olaf, Gemünder Bier ist doch das beste.«

»Wenn du meinst«, murmelte der und hob ebenfalls sein Glas.

Ich beobachtete an Steffen vorbei die Reaktion des Mannes. Er drängelte sich aus der Bank und stellte sich an die Stirnseite unseres Tisches.

»Was ist, Ettelscheid?« Er stützte sich mit den Handknöcheln ab. »Soll ich Ihnen auf die Sprünge helfen?«

»Ich würde gerne sagen, dass ich mich freue, meinen alten Lehrer nach so langer Zeit in unserer gemeinsamen Heimat wiederzutreffen. Aber ich lüge nur ungern, Herr Prutschik. Es ist schon schlimm genug, wie sich unsere Wege immer wieder kreuzen müssen. Leider gibt es nicht so viele Forsthochschulen in Deutschland, als dass ich Ihnen hätte ausweichen...


Elke Pistor, Jahrgang 1967, studierte Pädagogik und Psychologie. Seit 2009 ist sie als Autorin, Publizistin und Medien-Dozentin tätig. 2014 wurde sie für ihre Arbeit mit dem Töwerland-Stipendium ausgezeichnet und 2015 für den Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie "Kurzkrimi" nominiert. Elke Pistor lebt mit ihrer Familie in Köln.

www.elke-pistor.de



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.