Poe / Schulze | Horror | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 440 Seiten

Reihe: Horror bei Null Papier

Poe / Schulze Horror

Ausgesuchte Geschichten
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-95418-977-9
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ausgesuchte Geschichten

E-Book, Deutsch, 440 Seiten

Reihe: Horror bei Null Papier

ISBN: 978-3-95418-977-9
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Auswahl gruseliger Geschichten Das rote Haus - Friedrich Gerstäcker Das schwatzende Herz - Edgar Allan Poe Das weiße Tier - Georg von der Gabelentz Der Vampir - John William Polidori Die Geschichte von dem Gespensterschiff - Wilhelm Hauff Die Geschichte von der abgehauenen Hand - Wilhelm Hauff Die Pflanzen des Dr. Cinderella - Gustav Meyrink Die schöne Abigail - Paul Heyse Die tote Schwadron - Don François de Nion Eine Stimme aus dem Jenseits - Lothar Schmidt Frühlingsnacht im Seziersaal - Arthur Schnitzler Geschichte des Mädchens von Orlach - Justinus Kerner Klabauterman - Alexander von Ungern-Sternberg Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen - Brüder Grimm Schuß in der Nacht - Jakob Julius David Wer weiß! - Von Guy de Maupassant Der Sandmann - E.T.A. Hoffmann Der Spuk im Pfarrhaus zu Cleversulzbach - Eduard Mörike Der Untergang der Carnatic - A. J. Mordtmann Die Nacht in Brczwezmcisl - Heinrich Zschokke Eine Gespenstergeschichte - Johann Wolfgang von Goethe Pommersche Gespenster - Willibald Alexis Null Papier Verlag

Edgar Allan Poe (geboren 19. Januar 1809 in Boston, Massachusetts, USA; gestorben 7. Oktober 1849 in Baltimore, Maryland) prägte entscheidend die Genres der Kriminalliteratur, der Science Fiction und der Horrorgeschichte. Seine Poesie bildete die Basis des aufkeimenden Symbolismus und damit der modernen Dichtung. Die Umstände seines Todes sind unklar, die Todesursache ist unbekannt. Es gibt hierzu zahlreiche Theorien, bewiesen ist jedoch keine. In seinem Heimatland lange Zeit als trunksüchtiger Streitsucher verschrieen, wurde er für die europäische Literaturszene durch seine Übersetzer Charles Baudelaire und Stéphane Mallarmé entdeckt. Schließlich fand er auf diesem Umwege auch die späte, aber verdiente Anerkennung in den USA.
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1


Es war im Herbst des Jahres 1851, als ein dichter Reisewagen durch das Tor der alten Stadt M– rasselte und in die zum Markt führende Straße einbog. Zwei junge Männer saßen darin, die eben von einem Ausflug in die nicht weit entfernten Gebirge zurückkehrten, und beide schauten, mit ihren Gedanken beschäftigt, auf das Leben und Treiben um sich her. Es waren zwei Maler, die ihre Mappen mit Skizzen gefüllt hatten, um im Winter auszuarbeiten, was ihnen der Sommer mit freigebiger Pracht geboten.

»Sieh dort, Gerhard«, sagte jetzt plötzlich der eine, ein junger, schlanker Mann mit schwarzem Haar und leichtem, gekraustem Bart, mit dunkeln, sprechenden Augen und etwas bleichen, aber belebten Zügen. »Wahrhaftig, da ist sie wieder! Merkwürdig: sooft ich nun auch in das alte M– hineingegangen oder gefahren bin, jedesmal, wenn ich von einem längeren Ausfluge zurückkehrte, ist mir jenes schöne Mädchenbild da drüben zuerst begegnet. Ich habe in meinem Leben keine tieferen Augen gesehen«, fuhr Werner fort, als die Fremde ihren Blicken entzogen war, »mir ist jedesmal, als ob sie mir Feuer ins Hirn hineinbrennten.«

»Dann nimm dein Herz vor der Glut in acht«, lachte Gerhard, »aber wer ist sie? Hast du es nie erfahren?«

»Nie, und sonderbarerweise habe ich sie auch sonst nie getroffen. Nur wenn ich eine Zeitlang entfernt gewesen, traf ich sie regelmäßig bei meinem ersten Einfahren in die Stadt.«

»Du machst mich neugierig«, lächelte Gerhard. »Ich möchte deine rätselhafte Schöne ebenfalls von Angesicht zu Angesicht kennenlernen. Los denn, je eher, desto besser! Halt, Kutscher!– Wir wollen hier aussteigen«, rief er rasch, indem er die Schulter des Führers auf dem Bock berührte, »fahre langsam zum Grünen Baum und warte auf uns, wir kommen gleich nach.«

»Was willst du tun?«, fragte Werner erstaunt.

»Was ich tun will?«, lachte Gerhard, indem er aus dem Wagen sprang. »Deiner geheimnisvollen Dame, wenn irgend möglich, begegnen, da man ihrer sonst, wie es scheint, doch nicht habhaft wird.«

Werner folgte, ohne ein Wort weiter zu erwidern, und die beiden jungen Männer schritten Arm in Arm rasch den Weg zurück, den sie eben gekommen waren. Obgleich sie aber beide ihre forschenden Blicke nach rechts und links schweifen ließen, war die Fremde nirgends mehr zu erkennen. Sie mußte irgendwo in ein Haus getreten sein. So schritten sie endlich langsam dem Gasthof zu, vor dem ihr Kutscher sie erwarten sollte.

»Deine schwarze Dame scheint durch eine Versenkung abgegangen zu sein«, sagte Gerhard.

»Möglich, daß sie in der Nähe wohnt«, erwiderte Werner, »aber was hätte uns auch ein zweites Begegnen geholfen? Wir durften sie doch nicht anreden.«

»Für mich wäre es jedenfalls ein Begegnen gewesen«, lachte der Freund, »denn trotz deiner Beschreibung habe ich vorher auf dem ganzen Trottoir keine ähnliche Gestalt erkennen können. Nun – vielleicht ein andermal.« – – –

Der Winter verging, und trotzdem Werner manchen Ball besuchte und in den verschiedensten Gesellschaften ein oft und gern gesehener Gast war, traf er unter allen den jungen Mädchen nicht ein einziges Mal seine unbekannte Schöne. Das rege Treiben in der lebensfrohen Stadt brachte für ihn auch zuviel des Neuen und Interessanten, um einer flüchtigen Erscheinung aus früherer Zeit länger als dann und wann einmal mit einem ebenso flüchtigen Gedanken nachzuhängen.

So kam das Frühjahr heran und mit ihm die Zeit, da Werner M– wieder verlassen wollte. Er hatte eines Tages schon einige Abschiedsbesuche gemacht und den Abend in angenehmer Gesellschaft zugebracht, aus der er ziemlich spät nach Hause zurückkehrte. Die Straßen waren still und öde, die Lampen schon längst ausgelöscht, und nur der Mond, der hell und voll am Himmel stand, warf seinen lichten Schein auf die eine Seite, so daß die andere in desto tieferem Dunkel lag. Werner wohnte in einem ziemlich entlegenen Teile der Stadt, und der Nachtwächter war die letzte Person, der er begegnete, als er plötzlich vor sich, in dem vom Monde nicht beschienenen Teile der Straße, eine weibliche Gestalt bemerkte, die mit raschen Schritten denselben Weg zu verfolgen schien wie er.

Mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, achtete er wenig darauf und hatte eine ziemliche Strecke etwa gleiche Entfernung mit ihr gehalten, als vom anderen Ende der Straße her ihnen lautes Lachen und Singen entgegenschallte und ein Trupp etwas angetrunkener Wirtshausgäste den Weg herunterkam.

Die Gestalt vor ihm blieb zögernd stehen, als ob sie sich fürchte, dem Schwarm allein zu begegnen. Während sie noch in Ungewißheit verharrte, hatte Werner sie eingeholt.

Wenn es ihm auch auffiel, eine Dame zu so später Stunde noch allein auf der Straße zu treffen, ließ es seine Ritterlichkeit doch nicht zu, sie in Verlegenheit zu lassen, und er sagte artig:

»Sie scheinen die lustige Schar zu fürchten. Wenn Sie erlauben, werde ich Sie hindurchgeleiten.«

Die Fremde wandte ihm ihr Antlitz zu, das der Mond in diesem Augenblicke hell und klar beschien, und wie ein Schlag durchzuckte es Werner, als er sich den dunkeln, rätselhaften Augen seiner Unbekannten dicht gegenübersah.

»Ich danke Ihnen«, sagte die Fremde mit leiser, weicher Stimme, die alle Fibern seines Herzens erbeben machte, »ich fürchte allerdings jenen Leuten zu begegnen und nehme Ihre Begleitung an.«

Werner brachte keine Silbe mehr über die Lippen. Kaum wissend, was er tat, bot er der schönen Unbekannten seinen Arm. Diese aber wich der Berührung aus, wickelte sich fester in ihre Mantisse und schritt still und schweigend neben ihm her.

Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt, bis sie die Trunkenen lange hinter sich hatten. Nur manchmal warf Werner einen scheuen, forschenden Blick auf seine Begleiterin, die mit lautlosem Schritt neben ihm ging. Plötzlich wandte sie sich wieder gegen ihn und sagte freundlich:

»Ich danke Ihnen herzlich; ich habe nichts mehr zu fürchten. Die Straßen sind still und leer, und ich möchte Sie nicht weiter bemühen, denn meine Wohnung liegt noch fern.«

»Um soviel mehr Grund für mich, Sie noch nicht zu verlassen«, sagte Werner, mit Gewalt das Gefühl niederkämpfend, das ihn bis dahin befangen gemacht hatte. »Ein Spaziergang in dieser wunderbar schönen mondhellen Nacht ist an und für sich ein Genuß. Wieviel mehr, wenn –« Er stockte plötzlich, denn die Augen des Mädchens hafteten so ernst auf den seinen, daß er fast erschreckt innehielt, und schweigend wanderten beide wieder eine Strecke...



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