Sands Ein Vampir und Gentleman
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8555-5
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 07, 384 Seiten
Reihe: Argeneau
ISBN: 978-3-8025-8555-5
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Seit sie durch ein Versehen in eine Vampirin verwandelt wurde, schläft Elvi Black in einem Sarg, meidet die Sonne und verzichtet auf Knoblauch. Sonst hat sie allerdings keine Ahnung, was es eigentlich heißt, eine Vampirin zu sein. Als ihre Nachbarn für sie eine Anzeige in die Zeitung setzen, trifft sie den umwerfenden Victor Argeneau. Victor ist reich, mächtig und gut aussehend, und jede Frau würde sich ihm mit Freuden zu Füßen werfen - egal, ob lebendig oder untot. Victor erklärt sich bereit, Elvi in das Dasein als Vampirin einzuführen. Doch da verübt ein Unbekannter ein Attentat auf Elvi, dem sie nur knapp entgeht. Irgendjemand scheint es auf ihr Leben abgesehen zu haben...
Die kanadische Autorin Lynsay Sands hat zahlreiche zeitgenössische und historische Romane verfasst. Sie studierte Psychologie, liest gern Horror- und Liebesromane und ist der Ansicht, dass ein wenig Humor "in allen Lebenslagen hilft". Mit der "Argeneau"-Serie gelang ihr der große internationale Durchbruch.
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1
Ein gellender Schrei riss Elvi aus dem Schlaf und ließ sie hochfahren, noch bevor sie richtig wach war. Es gab einen dumpfen Knall, und fluchend fiel sie wieder zurück, denn sie hatte sich schmerzhaft den Kopf am Deckel ihres Sargs gestoßen.
Sie stöhnte, während ihr Schädel dröhnte, und kniff die Augen zusammen, weil sie nur tanzende Sterne sah. Diesmal hatte sie sich den Kopf wirklich heftig angeschlagen, und am liebsten hätte sie sich mit beiden Händen an die Stirn gefasst und sich hin und her gewälzt, doch die Enge des Sargs ließ solche Bewegungen nicht zu.
Dann ertönte ein zweiter Schrei, der Elvi daran erinnerte, weshalb sie eigentlich aufgewacht war.
Mit einer Hand drückte sie kräftig gegen den Deckel und stieß ihn zur Seite. Dann zog sie sich mühsam aus dem Sarg, was als erste Amtshandlung am Morgen – und damit noch vor dem ersten Blutbeutel – unglaublich kräftezehrend für sie war.
Sie lief aus dem Zimmer, ohne einen Morgenmantel über ihr weißes Baumwollnachthemd zu ziehen. Im Flur erreichte sie ein dritter Schrei, gefolgt von einem vierten, kaum dass sie in Mabels Raum gestürmt war. Die Tür flog mit solcher Wucht auf, dass die Klinke vermutlich ein Loch in den Verputz riss, doch das war Elvi egal.
Sie entdeckte Mabel sofort, die in ihrem Morgenmantel mit dem Rücken zur Wand auf dem Bett stand, das silbergraue Haar völlig wirr und zerzaust, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Die Frau fuchtelte mit einer Bürste herum und versuchte damit nach einer Fledermaus zu schlagen, die dicht unter der Zimmerdecke entlangflatterte. Ihr entsetztes Kreischen stieß sie offenbar immer dann aus, wenn ihr das Tier zu nahe kam. Elvi beobachtete, wie die Fledermaus eine scharfe Kurve flog, um nicht gegen die Wand zu prallen, und dann wieder auf Mabel zugeschossen kam, die einen weiteren Schrei ausstieß.
Das Tier machte einen Bogen um die Bürste und verschwand ins Badezimmer. Elvi war mit wenigen Schritten an der Tür, warf sie ins Schloss und hatte damit die Fledermaus eingesperrt.
„Oh!“ Mabel sackte auf dem Bett zusammen und drückte die Bürste an ihre Brust. „Oh, Gott sei Dank.“
Elvi stemmte die Hände in die Hüften und sah ihre Mitbewohnerin verärgert an. „Du hast letzte Nacht das Fenster offen gelassen.“
Mabel seufzte angesichts des vorwurfsvollen Tonfalls. „Ich musste es aufmachen. Es war so heiß, Elvi.“
„Ich weiß, dass es heiß war. Ich wohne schließlich auch hier.“
„Aber du hast Fliegengitter an deinen Fenstern. Jedenfalls im Schlafzimmer.“
„Ich schlafe in einem Sarg“, betonte Elvi. „Ein Sarg hat keine Fenster. Glaub mir, ich weiß, dass es heiß war. Trotzdem darfst du dein Fenster nicht aufmachen, solange die Fliegengitter nicht ersetzt worden sind.“
„Und wann wird das verdammt noch mal endlich so weit sein?“, fragte Mabel ungeduldig. „Es ist inzwischen zwei Wochen her.“
„Die müssen vom Hersteller extra gebaut und angeliefert werden“, erklärte Elvi zum wiederholten Mal.
„Ja, ja, weil jedes verfluchte Fenster in diesem Haus andere Maße hat“, murmelte Mabel.
Amüsiert über Mabels Verärgerung verzog Elvi den Mund. „Willkommen in der wunderbaren Welt der viktorianischen Häuser. Ist es hier nicht großartig?“
„Ha!“, fauchte Mabel, richtete sich dann aber erschrocken auf, als sie sah, dass Elvi sich zur Tür begab. „He! Wo willst du denn hin?“
„Zurück in meinen Sarg.“
„Und was wird aus der Fledermaus?“, fragte Mabel verängstigt, kletterte so schnell aus dem Bett, wie es ihr zweiundsechzig Jahre alter Körper zuließ, und eilte Elvi nach.
„Was meinst du?“
„Na, willst du sie denn nicht aus dem Badezimmer schaffen?“
„Sehe ich etwa so dumm aus?“, erwiderte Elvi ungläubig. „Ich komme dem Ding bestimmt nicht zu nahe. Ruf den Tierschutzverein an.“
„Den Tierschutzverein? Da ist doch um diese Uhrzeit kein Mensch.“
„Irgendjemand muss doch für Notfälle zu erreichen sein. Ruf an und frag nach“, rief Elvi ihr noch über die Schulter zu.
„Aber das kann Stunden dauern“, jammerte Mabel. „Kannst du dich nicht um das Biest kümmern? Ich meine, du müsstest dich doch irgendwie verwandt mit ihm fühlen.“
An der Tür zu ihrem eigenen Zimmer blieb Elvi stehen und drehte sich verdutzt um. „Findest du etwa, ich habe Ähnlichkeit mit einer fliegenden Ratte?“
„Nein, nein, natürlich nicht“, versicherte Mabel ihr rasch. Dann fügte sie hinzu: „Aber du bist eine Vampirin, und das da drin ist eine Fledermaus … Ihr solltet euch doch eigentlich irgendwie untereinander verständigen können oder spüren, was der andere will … oder so was in der Art. Vielleicht könntest du ja versuchen, mit ihr zu reden.“
„Klar, deswegen sind wir ja auch alle in der Lage, mit Affen zu reden. Wenn wir das nächste Mal in den Zoo gehen, müssen wir das unbedingt ausprobieren“, schnaubte Elvi und wiederholte: „Ruf den Tierschutzverein an.“
„Elvi!“, rief Mabel und stampfte mit dem Fuß auf, als Elvi keine Anstalten machte, zu ihr zurückzukommen. „Solange das Ding da drin ist, kann ich nicht duschen gehen!“
„Mabel, in diesem Haus gibt es noch sechs weitere Badezimmer mit Dusche und Wanne. Nimm einfach eins von denen.“
„Aber …“
Elvi schloss die Tür hinter sich, ehe sie sich noch mehr Protest anhören musste, und ging zurück zum Sarg, blieb aber stehen, als ihr Blick auf den Digitalwecker auf ihrem Nachttisch fiel. Auf der Stelle machte sie kehrt, zog die Tür auf und sah hinter Mabel her. „Es ist neun Uhr!“
„Und?“, war Mabels mürrische Antwort.
„Warum hast du mich nicht um acht geweckt? Ich hatte dich doch ausdrücklich darum gebeten.“
„Weil du nicht gut geschlafen hast und weil du erschöpft bist. Darum habe ich beschlossen, dich ausschlafen zu lassen … was ich ziemlich rücksichtsvoll finde. Allerdings bin ich ja auch ein netter und rücksichtsvoller Mensch, ganz im Gegensatz zu gewissen Leuten, die einer guten alten Freundin nicht mal den Gefallen tun wollen, mit einer Fledermaus zu reden.“
Elvi ließ diesen erneuten Versuch, ihr Schuldgefühle einzureden, an sich abprallen. „Mabel, heute hat Owen Geburtstag. Ich muss einen Kuchen backen und mich um die Dekoration kümmern, und dann …“
Mit einem gedehnten und demonstrativ leidenden Seufzer drehte sich Mabel zu ihr um. „Ums Dekorieren habe ich mich längst gekümmert, und dann bin ich nach Hause gekommen, um zu duschen und um mich für die Feier fertig zu machen. Nach dem Duschen wollte ich dich dann wecken. Was den Kuchen angeht …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die werden schon warten. Ohne dich kann die Party sowieso nicht losgehen.“
Als Elvi sie nur stumm ansah, scheuchte Mabel sie mit den Händen fort. „Mach schon, geh duschen. Ich ziehe mich an und komme dir helfen. Schließlich kann ich ja nicht duschen.“
„Ruf den Tierschutzverein an“, knurrte Elvi, die sich einfach kein schlechtes Gewissen einreden lassen wollte, und warf die Tür hinter sich zu.
„Ich kann es nicht fassen. Eine Unsterbliche schaltet eine Suchanzeige im Toronto Star! Einfach unglaublich.“
Victor warf DJ einen leicht gereizten Blick zu. Hätte der jüngere Unsterbliche nicht am Steuer des BMW gesessen, in dem sie beide unterwegs waren, wäre ihm eine Kopfnuss sicher gewesen. So aber konnte er nur knurrend erwidern: „DJ, ich habe dich schon verstanden, als du es das erste Mal gesagt hast … was vor zwei Stunden und mindestens hundert Wiederholungen war. Ich hab’s kapiert. Also hör endlich auf damit.“
„Tut mir leid, aber …“ DJ Benoit schüttelte so nachdrücklich den Kopf, dass sein schulterlanges sandfarbenes Haar durch die Luft peitschte, dann wiederholte er: „Ich kann’s nur einfach nicht fassen.“
Victor verdrehte die Augen und blickte durch die getönten Scheiben hinaus in die Nacht. Sie befanden sich auf einem Highway und hatten ihre zweieinhalbstündige Autofahrt schon fast hinter sich. Die anderen Wagen nahm er nur als vorbeizuckende Lichter wahr, da DJ einfach alles und jeden überholte und sich keine Sorgen um irgendwelche Strafzettel machte. Victor protestierte nicht, und er übte auch keine Kritik. Der jüngere Mann fühlte sich offensichtlich immer noch unter Zeitdruck, weshalb er ungeduldig war und die Fahrt schnell hinter sich bringen wollte. Es würde noch eine Weile dauern, bis auch DJ einsah, dass es keinen Grund zur Eile gab. Die Zeit war für ihresgleichen kein Feind, dem man ein Schnippchen schlagen musste.
„Ich will damit sagen, dass es eine Suchanzeige in der Rubrik Vermischtes ist“, sagte DJ und lenkte damit Victors Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Als ob ein Vampir so was wie ein Fahrrad ist, das jemand in der Garage stehen hat und loswerden will. Was hat sie sich nur davon erhofft?“
„Vermutlich einen Lebensgefährten“, meinte Victor ironisch.
„Auf diese Weise findet man keinen Lebensgefährten“, widersprach DJ entschieden, fügte dann jedoch unsicherer hinzu: „Oder etwa doch?“
Victor reagierte mit einem Schulterzucken. „Es gab schon seltsamere Zufälle.“
„Ja, aber … ihr muss doch klar sein, dass sie sich damit den Zorn des Rates zuzieht. Eine Kleinanzeige! Um Gottes willen! Das ist ein schwerer Fauxpas. Wir sollen schließlich niemanden auf unseresgleichen aufmerksam machen.“
„Hmm“,...




