Sands Im siebten Himmel mit einem Vampir
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8556-2
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 10, 368 Seiten
Reihe: Argeneau
ISBN: 978-3-8025-8556-2
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die kanadische Autorin Lynsay Sands hat zahlreiche zeitgenössische und historische Romane verfasst. Sie studierte Psychologie, liest gern Horror und Liebesromane und ist der Ansicht, dass ein wenig Humor "in allen Lebenslagen hilft". Mit der "Argeneau"-Serie gelang ihr der große internationale Durchbruch.
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1 „Tut mir leid, dass wir so spät losgefahren sind.“ Samantha Willan wandte den Blick vom sternenübersäten Himmel ab und sah überrascht ihre jüngere Schwester an. Sie hatten es sich auf dem hölzernen Landungssteg vor dem Cottage der Familie bequem gemacht, um die Abendluft und die wunderschöne Aussicht zu genießen. Zumindest hatten sie das getan, bis Jo auf die Idee gekommen war, sich zu entschuldigen. Als Samantha deren betrübte Miene bemerkte, legte sie ihrerseits die Stirn in Falten, beugte sich vor und stieß die junge Frau liebevoll mit der Schulter an. Dabei scherzte sie: „Das ist auch richtig so. Deinetwegen haben wir den Berufsverkehr verpasst, konnten nicht im Schneckentempo fahren und waren viel zu schnell am Ziel. Alles in allem war das zur Abwechslung mal eine schrecklich angenehme Fahrt, und du solltest dich wirklich schämen, dass du uns das zugemutet hast.“ Grinsend schüttelte Jo den Kopf. „Außerdem ist es schon nach zwei, wir haben gerade erst den Wagen ausgeladen, und das Cottage muss auch erst noch auslüften, bevor wir uns schlafen legen können.“ Sie hob herausfordernd die Augenbrauen. „Durch meinen blöden Job wird es für uns alle eine kurze Nacht.“ Sam zog die Nase kraus. Es war Sommer, die Sonne hatte den ganzen Tag auf das Cottage niedergebrannt, in dem es dank geschlossener Fenster und Türen so heiß war wie in einem Backofen. Auch wenn der Abend kühlere Luft mit sich gebracht hatte, stand die Hitze in dem kleinen, bestens isolierten Haus immer noch so, wie bei ihrer Ankunft. Bevor sie das Gepäck aus dem Wagen holten, hatten sie erst einmal alle Fenster weit aufgerissen. Sie hätten ja auch die Deckenventilatoren eingeschaltet, doch da durch ein Unwetter am Nachmittag der Strom ausgefallen war, mussten sie abwarten, dass die Nachtluft allmählich die heiße Luft vertrieb. Das konnte allerdings noch eine Weile dauern. „Und?“, meinte Sam unbeschwert. „Wir haben ausgepackt, die Betten sind gemacht, und keiner von uns muss früh aufstehen. Wir machen Urlaub, wir können so spät schlafen gehen, wie wir wollen. Und bis dahin entspannen wir uns hier auf dem Steg und genießen die Aussicht. Also hör auf, dir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Außerdem“, fügte sie ernst hinzu, „ist dein Job nicht blöd.“ „Ja, klar“, gab Jo lachend zurück. „Du bist Anwältin, Alex ist Köchin in ihrem eigenen Gourmet-Restaurant. Und ich? Ich arbeite in einer Bar.“ „Also bitte, du bist jetzt Managerin der Nachtschicht“, hielt Sam entschieden dagegen. „Und hör auf, dich mit uns zu vergleichen. Alex und ich sind sehr stolz darauf, dass du diese Beförderung bekommen hast. Und vergiss nicht, dass du dir damit dein Studium finanzierst. In meinen Augen ist so ein Job alles andere als blöd.“ Jo beruhigte sich wieder und brachte sogar ein flüchtiges Lächeln zustande. „Vermutlich hast du recht.“ „Du kannst vermuten, so viel du willst, aber ich weiß, es ist so“, beteuerte Sam und stieß sie erneut an. Dann verfielen sie wieder in Schweigen, sahen beide hinauf zum Himmel und erfreuten sich an der mit Sternen gesprenkelten Schwärze. Dass sie nur zwei Autostunden von Toronto entfernt waren, war kaum zu fassen, wirkte dieser Himmel doch, als würde er eine ganz andere Welt überspannen. Der Anblick hatte etwas Ehrfurchtgebietendes an sich. „Warum haben wir nicht unsere Schlafsäcke mitgebracht?“, seufzte Jo leise. „Dann hätten wir unter freiem Himmel schlafen können.“ „Hier auf dem Steg?“ Sam lachte ungläubig. „Auf gar keinen Fall. Früher oder später würden wir alle drei im See landen. Oder wenn wir aufwachen, haben sich die Streifenhörnchen an uns gekuschelt, und über uns kreisen die Möwen und lassen ab und zu was fallen.“ „Igitt!“ Amüsiert gab Jo ihr einen Stoß und schüttelte dabei den Kopf. „Du bist so eine Pessimistin! Ich schwöre dir, ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der alles so schlechtreden kann wie du.“ „Ich rede nichts schlecht“, widersprach sie. „Ich sehe die Dinge nur realistisch.“ „Von wegen! Für dich ist ein Glas immer halb leer. Ganz ehrlich, du hast an allem irgendwas auszusetzen.“ „Mit anderen Worten, sie verhält sich ganz ihrem Naturell als Anwältin entsprechend.“ Sam und Jo setzten sich auf und sahen in Richtung Ufer, woher die amüsierte Stimme ertönt war. Da nur Schemen in der Dunkelheit zu erkennen waren, griff Jo nach der Taschenlampe und schaltete sie ein. Der Lichtstrahl zuckte kurz hin und her und erfasste dann die älteste der drei Schwestern. Alex kam soeben die Schräge zum Steg herunter. „Blende mich nicht“, bat sie und hielt sich eine Hand vor die Augen. Jo richtete den Lichtkegel auf den Boden, damit Alex den Rest des Wegs gefahrlos zurücklegen konnte. „Danke“, sagte die und kam zu ihnen auf den Steg. „War mir ein Vergnügen“, gab Jo zurück und drehte sich um, sodass der Lichtstrahl für einen Moment Sams Gesicht traf, ehe sie die Lampe ausschaltete. Sam sah sekundenlang nur tanzende Flecken vor Augen und musste ein paarmal zwinkern, um die störenden Flecken loszuwerden. Doch gleich darauf schaltete Jo die Lampe wieder ein und leuchtete ihr erneut ins Gesicht. „Hey!“, rief Sam und schirmte ihre Augen vor dem grellen Licht ab. „Hör schon auf damit!“ „Sorry, aber ich dachte, ich hätte was gesehen … Ich hab was gesehen!“, rief Jo im nächsten Moment triumphierend, als der Lichtstrahl über Sams Hals wanderte. „Du blutest.“ „Diese verdammten Mücken“, murmelte Sam. Die Biester hatten gerade Hochsaison. Mürrisch wischte sie sich über den Hals. „Andere Seite“, bemerkte Jo hilfsbereit. „Das sind zwei Stiche.“ „Hmm.“ Alex ging in die Hocke, um sich die Stelle besser ansehen zu können, dann begann sie zu grinsen. „Das sind tatsächlich zwei. Dicht nebeneinander. Sieht aus wie ein Vampirbiss.“ „Ja“, stimmte Jo ihr zu und scherzte: „Wäre ich nicht die ganze Zeit über bei dir gewesen, würde ich sagen, Dracula hat dir einen Besuch abgestattet und hinterher nicht richtig sauber gemacht.“ „Mach mit so was keine Witze“, mahnte Sam und schüttelte sich. Jo lachte über die Reaktion ihrer Schwester. „Den meisten Frauen würde das gefallen. Die haben Fantasien über solche Sachen.“ „Die haben ja auch keine Fledermausphobie“, konterte Sam. „Außerdem bezweifle ich, dass die meisten Frauen darüber fantasieren, von fliegenden Nagern gebissen zu werden.“ „Ich rede nicht von fliegenden Nagern“, gab Jo zurück, „sondern von einem Vampir.“ „Kommt aufs Gleiche raus“, brummte Sam angewidert. „Die verwandeln sich in Fledermäuse, Ratten, Wölfe und was weiß ich noch alles. Tut mir leid, ich stehe nicht auf so was.“ „Oh Gott, du bist ja so eine … so eine …“ „Anwältin?“, kam Alex ihr zu Hilfe. „Ja, genau!“, rief Jo. „Sag das nicht immer so, als ob es was Schlechtes sei.“ Sam warf ihren Schwestern einen finsteren Blick zu. „Ich habe lange darauf hingearbeitet, Anwältin zu werden.“ „Das stimmt“, beschwichtigte Alex und ergänzte dann: „Das blutet übrigens immer noch. Vielleicht solltest du es mit der Salbe gegen Insektenstiche versuchen.“ „Gute Idee. Ich wollte mir sowieso noch was zu trinken holen“, meinte Sam, ließ ihren Hals in Ruhe, stand auf und fragte: „Wenn ich sowieso gehe, soll ich noch jemandem was mitbringen?“ „Mir nichts, danke“, antwortete Jo. „Ich hätte nichts gegen noch ein Bier. Eigentlich wollte ich eins mitbringen, als ich auf dem Klo war, aber dann hab ich es doch vergessen“, sagte Alex und griff nach Sams Ellbogen, um ihr Halt zu geben, da sie etwas wacklig auf den Beinen war. Amüsiert meinte sie: „Vielleicht solltest du für dich besser ein Glas Wasser mitbringen.“ „Sie trinkt bereits die ganze Zeit Wasser“, erklärte Jo, „und nicht einen Tropfen Alkohol.“ Alex sah besorgt zu Sam. „Nicht schon wieder eine Ohrenentzündung, oder?“ Sam nickte zögernd und wunderte sich nicht, dass Alex zu fluchen begann. Da sie wusste, dass dies nur die erste Stufe war, der ein Klagelied über die miesen Ärzte, das nutzlose Gesundheitssystem und die endlosen Wartezeiten bei einem Facharzt folgen würde, beschloss sie, sich das nicht anzuhören. Vorsichtig verließ sie den Steg und ging den leicht ansteigenden Rasen des Ufers hinauf, aber auf halber Strecke zum Cottage bedauerte sie bereits, dass sie nicht Jos Taschenlampe an sich genommen hatte. Sie befand sich nicht in einer Großstadt mit all den Straßenlaternen, die für Helligkeit sorgten. Sondern auf dem Land, wo die Nacht so schwarz wie dunkler Samt war und schwer über allem lag. Auf dem Steg war es ihr noch etwas heller vorgekommen, doch an Land wurde das wenige Licht der Sterne von den Bäumen abgefangen. Sam hielt sich am Stamm eines jungen Ahornbaums fest, um sich kurz zu orientieren. Gerade wollte sie weitergehen, da hörte sie, wie die Haustür des Cottages gleich nebenan ins Schloss fiel. Alles war dort dunkel, und genauso hatte es schon ausgesehen, als sie angekommen waren. Genau genommen war dort immer alles stockfinster. Vor zwei Jahren war das Cottage verkauft worden, doch bislang waren sie und ihre Schwestern den Nachbarn noch nicht einmal begegnet. Der neue Eigentümer schien sich nie dort aufzuhalten. Jedes Mal, wenn eine von ihnen dreien dort war, klopfte sie an dem anderen Haus, weil sie hofften, ihren...