Sands Rendezvous mit einem Vampir
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8025-9200-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 15, 350 Seiten
Reihe: Argeneau
ISBN: 978-3-8025-9200-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die kanadische Autorin Lynsay Sands hat zahlreiche zeitgenössische und historische Romane verfasst. Sie studierte Psychologie, liest gern Horror und Liebesromane und ist der Ansicht, dass ein wenig Humor "in allen Lebenslagen hilft". Mit der Argeneau-Serie gelang ihr der große internationale Durchbruch.
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1
Drina nahm das rhythmische Klacken ihrer Absätze kaum wahr, als sie die Stufen der Flugzeugtreppe hinunterging. Ihr Blick wanderte von den winterlich kahlen Bäumen auf beiden Seiten der privaten Landebahn zu dem Mann, der am Rand des Rollfelds gegen einen Golfwagen gelehnt stand. Mit seiner dunklen Haarfarbe, dem dunklen Teint sowie dem schwarzen Ledermantel hätte man ihn durchaus für einen Schatten halten können, wäre da nicht das goldschwarze Funkeln seiner Augen gewesen. Diese Augen spähten zwischen Mütze und Schal – beide aus ebenfalls schwarzer Wolle – hindurch in ihre Richtung. Der Mann zeigte keinerlei Regung. Erst als sie die letzte Stufe hinter sich gelassen und die Rollbahn betreten hatte, stieß er sich von dem Wagen ab und kam ihr entgegen. Trotz der Kälte rang sich Drina zu einem Lächeln durch. Ein Gruß wollte ihr schon über ihre zitternden Lippen kommen, aber der blieb ihr im Hals stecken, als der Mann ihr die kleine Tasche abnahm und sich wortlos von ihr abwandte. Während er auf dem Fahrersitz des winzigen, offenen Gefährts Platz nahm und ihre Tasche auf den Beifahrersitz stellte, streifte sie endlich ihre Verblüffung ab und setzte sich in Bewegung. Dabei konnte sie es sich nicht verkneifen vor sich hin zu murmeln: »Hallo, Sie müssen Drina Argenis sein. Freut mich Sie kennenzulernen. Kommen Sie, ich nehme Ihnen Ihr Gepäck ab. Und steigen Sie doch bitte ein, damit ich Sie zum Vollstrecker-Hauptquartier bringen kann und Sie nicht so lange der Kälte ausgesetzt sind.« Dank des überragenden Hörvermögens musste der Mann mitbekommen haben, welche Worte sie ihm auf ihre sarkastische Weise in den Mund gelegt hatte. Aber er ließ sich weder etwas anmerken, noch äußerte er sich dazu. Stattdessen ließ er lediglich den Motor an und wartete, dass sie sich zu ihm setzte. Drina verzog den Mund. Es war offensichtlich, dass er ihr Gepäck auf den Beifahrersitz gestellt hatte, weil er nicht wollte, dass sie sich neben ihn setzte, sondern auf der Rückbank Platz nahm. Verärgert setzte sie sich auf die harte, kalte Bank, musste aber sofort nach der Metallstange neben ihr greifen, da der Wagen so ruckartig anfuhr, dass sie ansonsten den Halt verloren hätte. Das eiskalte Metall unter ihren Fingern veranlasste sie nicht zum ersten Mal zu dem Gedanken, dass sie sich mit den Begleiterscheinungen eines Winters in Nordamerika gründlicher hätte befassen sollen, bevor sie zu dieser Reise aufgebrochen war. Wenn sie nicht als Eis am Stiel enden wollte, musste sie unbedingt in nächster Zeit shoppen gehen. Da es sonst nichts zu sehen gab, beobachtete Drina, wie die kleine Maschine, mit der sie hergekommen war, auf der Startbahn beschleunigte und abhob. In dem Augenblick, in dem die Reifen den Kontakt zum Boden verloren, erloschen abrupt alle Lichter, die die Landebahn markierten, und Dunkelheit machte sich breit. Für Sekunden konnte sie nichts sehen, aber dann stellten sich ihre Augen auf die veränderten Lichtverhältnisse ein, und sie konnte die knietief verschneite Landschaft mit den kahlen Bäumen ausmachen, die den Weg säumten. Unwillkürlich begann sie sich zu fragen, wie lange sie wohl auf diesem Ding durch die Kälte chauffiert werden würde. Der Wald war nicht so ausladend, wie er ihr vom Flugzeug aus erschienen war, und so dauerte es nicht lange, bis sie die Baumlinie hinter sich gelassen hatten und sie auf einen schmalen Weg einbogen, der an einer schneebedeckten weitläufigen Fläche mit nichts als einem großen Haus und einer lang gestreckten Garage darauf entlangführte. Auf diese Garage fuhr der Mann jetzt zu und brachte den Wagen neben einer Tür so abrupt zum Stehen, dass der feste Schnee unter den Reifen knirschte. Er griff nach ihrer Tasche und stand von seinem Platz hinter dem Lenkrad auf, um dann wortlos auf diese Tür zuzugehen. Verdutzt zog Drina die Augenbrauen hoch, während sie sich von dem Beifahrersitz erhob und ihm nach drinnen in eine kleine Halle folgte. Von dieser zweigten zu ihrer Linken einige Zellen ab, doch er ging vor ihr her zu einer Tür auf der rechten Seite, durch welche sie in einen Korridor gelangten, der in einer Wagenhalle endete, in der mehrere Fahrzeuge standen. Drina warf einen kurzen Blick auf diese fahrbaren Untersätze, die alle gleich aussahen und die man – wenn sie sich nicht irrte – als SUVs bezeichnete. Sie folgte dem großen, düsteren und schweigsamen Fremden, der ihr die hintere Beifahrertür eines dieser Wagen aufhielt und wortlos wartete. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie den Mann. Wie es schien, sollte er sie nach Port Henry begleiten, aber es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie sich von ihm wie ein Kleinkind auf den Rücksitz verfrachten ließ, um dort eine zweistündige Autofahrt über sich ergehen zu lassen. Mit einem süßlichen Lächeln auf den Lippen tauchte sie unter seinem Arm hindurch und ging zur Beifahrertür, öffnete sie und stieg ein. Dann drehte sie sich zu ihm um und warf ihm einen herausfordernden Blick zu. Er reagierte darauf mit einem kläglichen Seufzer, dann warf er ihre Tasche in den Fußraum vor ihrem Sitz und knallte die Tür zu. »Na toll«, murmelte sie, während er um den Wagen herum zur Fahrertür ging. Allerdings musste sie sich über das Verhalten dieses Mannes nicht wundern. Immerhin arbeitete er für ihren Onkel, und der war der einsilbigste Mann, den sie je kennengelernt hatte. Zumindest auf dieser Seite des Ozeans, fügte sie im Geiste hinzu, während der Griesgram sich ans Steuer setzte und den Motor anließ. Drina sah, wie er auf einen Knopf drückte und sich daraufhin das Garagentor öffnete. Erst nachdem er den Gang eingelegt hatte, fragte sie: »Fahren wir auf direktem Weg nach …« Weiter kam sie nicht, da er aus der Innentasche seiner mit Pelz abgesetzten Jacke einen Briefumschlag hervorholte und ihr hinhielt. »Ach ja, ich hatte völlig vergessen, Ihnen das hier zu geben«, legte sie ihm ihre Worte in den Mund und grinste spöttisch, während sie den Umschlag an sich nahm. Der ungehobelte Klotz an ihrer Seite zog nur eine Augenbraue hoch, mehr an Reaktion gab es nicht. Kopfschüttelnd machte sie den Umschlag auf und zog einen Brief von ihrem Onkel Lucian heraus. Darin erklärte er ihr, dass der Name ihres Fahrers Anders sei und dass er sie umgehend nach Port Henry bringen solle. Vermutlich bedeutete dieser Brief, dass Lucian Anders nicht zugetraut hatte, ihr diese Information persönlich zu übermitteln. Vielleicht war er ja tatsächlich stumm, überlegte sie und warf dem Mann einen prüfenden Blick zu, als sie den Brief in ihre Tasche steckte. Die Nanos hätten das zwar beheben müssen … außer natürlich, es handelte sich nicht um ein körperliches, sondern ein genetisch bedingtes Problem. Dennoch hatte sie noch nie zuvor von einem stummen Unsterblichen gehört. »Können Sie überhaupt nicht reden?«, fragte sie ihn schließlich. Wieder zog er eine Braue hoch und lenkte den Wagen über die Auffahrt vor dem Haus. Achselzuckend erwiderte er: »Warum soll ich mir die Mühe machen? Das können Sie doch genauso gut selbst erledigen.« Aha, also unhöflich, nicht stumm, überlegte Drina und blickte finster drein. »Dann hat Tante Marguerite mit ihren Geschichten von den ach so charmanten kanadischen Männern aber offenbar maßlos übertrieben.« Das veranlasste ihn dazu, eine Vollbremsung hinzulegen und sie mit weit aufgerissenen Augen anzustarren. Es waren ausgesprochen schöne Augen, wie sie ein wenig geistesabwesend feststellen musste, während er regelrecht bellte: »Marguerite?« »Mein Gott, er redet ja schon wieder«, kommentierte sie ironisch. »Schweig still, mein pochendes Herz. Ich weiß nicht, ob ich so viel Aufregung verkraften kann.« Mit einem mürrischen Blick quittierte er ihren Sarkasmus, dann nahm er den Fuß vom Bremspedal und fuhr weiter die Auffahrt entlang, bis sie an ein bewachtes Tor gelangten. Zwei Männer kamen aus einem kleinen Wachhaus und winkten ihnen zum Gruß zu. Sie machten sich sogleich daran, das Tor von Hand zu öffnen. Kaum war Anders durch das erste Tor hindurch und ein Stück weit bis zu einem zweiten Tor vorgefahren, wurde das erste hinter ihnen auch schon wieder geschlossen. Die Männer zogen sich in das kleine Gebäude zurück, und fast im gleichen Moment ging das zweite Tor von selbst auf. Anders gab Gas und lenkte den SUV auf eine dunkle Landstraße. »Hat Marguerite irgendeinen bestimmten kanadischen Mann gemeint?«, fragte er plötzlich, als Drina den Blick von dem hinter ihnen zugleitenden Tor abwandte. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass der Mann mit einem Mal spürbar nervös wurde. »Ach, jetzt auf einmal kriegen Sie den Mund auf?«, wunderte sie sich belustigt. »Haben Sie etwa Angst, Sie könnten damit gemeint sein?«, zog sie ihn auf. Er warf ihr einen bohrenden Blick zu. »War ich damit gemeint?« Drina schnaubte herablassend und legte ihren Gurt an. »Als ob ich Ihnen das erzählen würde.« »Nicht?« Sie drehte sich zu ihm um und sah seine irritierte Miene. »Ganz bestimmt nicht«, versicherte sie ihm.« Welche Frau mit Selbstachtung möchte schon den Rest ihres Lebens mit einem ungehobelten Klotz verbringen, wie Sie einer sind?« »Ein ungehobelter Klotz?«, krächzte er. »Ja, Sie haben richtig gehört«, sagte sie. »Ein ungehobelter Klotz, den man bestenfalls noch dazu benutzen kann, ihn in Holzscheite zu zerteilen.« Mit einem honigsüßen Lächeln auf den Lippen ergänzte sie dann noch: »Na ja, vielleicht kann man als Frau ja noch mit einem dieser Holzscheite was anfangen. Es heißt doch, dass die Nanos alle Körperfunktionen...