E-Book, Deutsch, Band 12, 352 Seiten, Format (B × H): 124 mm x 180 mm
Reihe: Argeneau
Sands Vampire küsst man nicht
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8025-8592-0
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 12, 352 Seiten, Format (B × H): 124 mm x 180 mm
Reihe: Argeneau
ISBN: 978-3-8025-8592-0
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nicholas Argeneau war einst ein erfolgreicher Jäger, der Vampire zur Strecke brachte, die gegen die Gesetze der Unsterblichen verstoßen haben. Doch dann wurde er selbst zum Gesetzlosen. Seit fünfzig Jahren lebt er im Verborgenen, um einer möglichen Strafe zu entgehen. Bis er der attraktiven Josephine Willan das Leben rettet, die von einem Vampir angegriffen wurde. Ein einziger Kuss lässt ihn in tiefer Leidenschaft zu ihr entbrennen. Doch kurz darauf ist Jos Leben erneut in Gefahr. Kann Nicholas sie beschützen und gleichzeitig selbst der Verfolgung durch die Vampirjäger entgehen?
Die kanadische Autorin Lynsay Sands hat zahlreiche zeitgenössische und historische Romane verfasst. Sie studierte Psychologie, liest gerne Horror- und Liebesromane und ist der Ansicht, dass ein wenig Humor "in allen Lebenslagen hilft". Mit der Argeneau-Serie gelang ihr der große internationale Durchbruch.
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1
Am Rand des kleinen Hains blieb Nicholas stehen und fluchte leise. Irgendwie musste ihm der Abtrünnige entwischt sein, möglicherweise war er geradewegs an ihm vorbeigegangen. Dieser Gedanke veranlasste ihn dazu, sich umzudrehen und in die Richtung zu schauen, aus der er gekommen war. Dennoch war es genau genommen völlig ausgeschlossen, dass er ihn nicht bemerkt haben sollte. Das Grün entlang der Straße war gerade mal drei Meter breit, und er war bewusst langsam gegangen, um jeden Baum abzusuchen. Er konnte ihn nicht übersehen haben, und doch war das die einzige sinnvolle Erklärung.
Er zog den Empfänger aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Der blinkende Lichtpunkt, der anzeigte, wo sich der Wagen des Abtrünnigen befand, hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Der Kerl hatte also nicht gewendet, um wieder wegzufahren. Nicholas steckte den Empfänger weg und suchte abermals die Zufahrt ab.
Auf keinen Fall konnte der Abtrünnige den Weg zu Fuß zurückgelegt haben, dessen war er sich absolut sicher. Die Zufahrt führte zum neuen Hauptquartier der Jäger, sozusagen ein Polizeirevier für Vampirjäger, das nach allem, was er sehen konnte, besser gesichert war als jedes Gefängnis für Sterbliche. Ein drei Meter hohes schmiedeeisernes Tor schützte vor dem Zutritt durch Unbefugte, und zu beiden Seiten erstreckte sich eine genauso hohe Mauer, die sich nach etlichen Metern zwischen den Bäumen verlor. Im Abstand von höchstens dreißig Zentimetern ragten Metalldorne aus dem Mauerwerk, zwischen denen drei Reihen Stacheldraht gespannt waren, die jeden abschrecken sollten, der mit dem Gedanken spielte, über die Mauer zu klettern. Warnschilder wiesen zudem darauf hin, dass der Zaun unter Strom stand. Als wäre das alles nicht schon genug, fand sich gut fünf Meter hinter dem ersten noch ein zweites Tor aus Maschendraht und ebenfalls mit Stacheldraht gesichert, der ganz sicher auch unter Strom stand.
Nicholas schüttelte kurz den Kopf. Dass er so etwas jemals zu sehen bekommen würde, hätte er nicht für möglich gehalten. Bislang hatten die Vollstrecker keine feste Basis gehabt, sondern waren von Lucian Argeneaus Haus aus losgeschickt worden. Offenbar war sein Onkel nun aber zu dem Entschluss gekommen, das Ganze offiziell zu machen und es besser zu organisieren. Das wurde auch Zeit, fand Nicholas, und eigentlich hätte man so was schon vor Jahrhunderten in Angriff nehmen sollen.
Sein Blick wanderte fort vom Tor und hin zu den Bäumen auf der anderen Seite der Zufahrt. Es war eigentlich undenkbar, dass der von ihm verfolgte Abtrünnige den breiten, ungeschützten Bereich überquert haben sollte, befand sich doch hinter dem Tor ein Wachmann. Und dann war da auch noch die Rufsäule mit Kamera und Sprechanlage vor dem Tor. Der Abtrünnige wäre nicht das Risiko eingegangen, am Tor vorbeizulaufen und dabei von der Kamera erfasst zu werden. Aber entweder hatte er das Risiko trotzdem für vertretbar gehalten, oder Nicholas war tatsächlich an dem Mann vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken.
Während er einen Blick über die Schulter hinter sich warf, sagte ihm sein Verstand zwar, dass er den Abtrünnigen auf keinen Fall übersehen haben konnte, doch insgeheim geriet er in Sorge, seine Instinkte könnten nachgelassen haben.
Ein Motorengeräusch ließ ihn aufhorchen, und als er wieder nach vorn sah, entdeckte er den Transporter eines Catering-Unternehmens, der in die Zufahrt einbog und an der Rufsäule anhielt.
»Ja?«, drang eine blechern klingende Stimme aus der Sprechanlage.
»Cally’s Catering«, antwortete der Fahrer. »Wir möchten unsere Leute und das Geschirr abholen.«
»Fahren Sie durch.« Das erste Tor öffnete sich.
Nicholas ging davon aus, dass der Lieferwagen zwischen den beiden Toren anhalten würde, um dort inspiziert zu werden. Doch dann kam der Wachmann aus seinem kleinen Häuschen und öffnete dem Transporter auch das zweite Tor, und erst nachdem er hindurchgefahren war, gab er dem Fahrer ein Zeichen, damit der anhielt.
Der Wachmann unterhielt sich kurz mit dem Fahrer, ging um den Wagen herum, öffnete die hinteren Türen und warf einen Blick ins Innere. Da er zu sehr auf dieses Geschehen konzentriert war, wäre ihm beinahe der Mann entgangen, der plötzlich unter dem Wagen hervorkam, kurz daneben kauerte und sich dann im Eiltempo in Richtung Wachhaus entfernte.
Fast hätte Nicholas dem Wachmann eine Warnung zugerufen, doch dann hielt er sich noch in letzter Sekunde zurück und griff stattdessen nach seinem Telefon. Dass er soeben den gesuchten Abtrünnigen hatte entwischen sehen, daran bestand kein Zweifel. Der Mistkerl musste am Straßenrand gewartet haben, bis sich ein Fahrzeug näherte, dann hatte er den Fahrer seiner Kontrolle unterworfen, damit der anhielt und er unter den Wagen krabbeln konnte, um sich dort irgendwo festzuhalten, bis sich der Transporter auf dem Grundstück befand.
So ein gerissener Drecksack, dachte Nicholas, während er irritiert weiter nach seinem Handy suchte. Er musste im Haus anrufen, um die anderen zu warnen, damit sie die Schwestern bewachten und das Grundstück nach dem Eindringling absuchten. Und er würde ihnen auch sagen, dass die Wachleute künftig auch einen Blick unter die einfahrenden Wagen werfen sollten. Jedenfalls wollte er das alles machen, sobald er sein verdammtes Telefon gefunden hatte, aber die Suche verlief weiterhin ergebnislos. Was hatte er denn nur mit dem Ding gemacht? Am Abend hatte es zu piepen begonnen, weil der Akku fast leer gewesen war, und daraufhin hatte er es an den Zigarettenanzünder im Wagen angeschlossen, weshalb …
»Verdammt!«, murmelte Nicholas und sah in die Richtung, aus der er gekommen war. Er hatte sein Handy im Wagen liegen lassen. Einen Moment lang überlegte er, ob er zurücklaufen sollte, um es zu holen, aber während der Abtrünnige einfach an den Straßenrand gefahren war und seinen Wagen am Grundstück abgestellt hatte, wollte Nicholas nicht entdeckt werden. Daher stand sein Wagen im Wald in der Nähe des Anwesens, wo er vor wachsamen Blicken gut verborgen war. Der Mann – Ernie Brubaker – stammte aus Leonius’ Brut, und Nicholas hoffte, wenn er ihn lange genug verfolgte, würde er ihn früher oder später zu Leonius selbst führen. Leonius Livius war ein Abtrünniger von der besonders üblen Sorte, der aufgehalten werden musste, und genau das hatte sich Nicholas zur Aufgabe gemacht. Aber seiner vorsichtigen Vorgehensweise bei der Verfolgung verdankte er nun, dass sein Van ein ganzes Stück entfernt geparkt war, und wenn er jetzt erst noch dort hinlief, um sein Handy zu holen und den Anruf zu erledigen, war es Ernie womöglich bereits gelungen, sich eine der Frauen zu schnappen und wieder zu verschwinden.
Jedenfalls waren die Frauen das einzige Ziel, das Nicholas in den Sinn gekommen war, als er bemerkt hatte, dass er dem Mann zum Jägerhauptquartier folgte.
Seufzend drehte er sich um und betrachtete wieder das Tor und die dahinter liegende Zufahrt. Der Wachmann war in sein Häuschen zurückgekehrt, der Lieferwagen war bereits nicht mehr zu sehen. Zweifellos rannte der Abtrünnige in diesem Moment im Schutz der Bäume zum Haus. Er musste sie warnen, aber ohne sein Handy gab es nur eine Möglichkeit: Ihm blieb nichts anderes übrig, als zum Tor zu gehen und dem Wachmann zu sagen, was er beobachtet hatte. Nur würde er sich damit selbst ans Messer liefern, wie er sich eingestehen musste. Bedauerlicherweise blieb ihm keine andere Wahl. Wenn er nicht …
Die Ankunft eines weiteren Wagens riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Van näherte sich der Einfahrt, und als Nicholas darauf den Namen einer Reinigungsfirma las, huschte ein finsteres Lächeln über seine Lippen. Der Wagen fuhr bis zur Säule vor, und das bedeutete, dass er der Kamera die Sicht auf alles nahm, was sich auf der anderen Seite des Vans befand … auch auf Nicholas selbst, wie ihm in diesem Augenblick bewusst wurde.
Ohne erst noch darüber nachzudenken, wie riskant eine solche Aktion für ihn selbst war, verließ Nicholas den Schutz der Bäume und rannte los, bis er sich hinter dem Van befand. Dort hielt er sich am Griff der hinteren Türen fest und stellte sich auf die Stoßstange, wobei er sich bemühte, das Fahrzeug unter seinem Gewicht nicht zu sehr wippen zu lassen. Dann wartete er ab, während der Fahrer dem Wachmann erklärte, dass er gekommen war, um die Reste der Party aufzuräumen.
Der Wachmann bat ihn, kurz zu warten, und Sekunden später öffnete sich das äußere Tor. Der Van fuhr los, und Nicholas klammerte sich wie ein miserabler Spider-Man-Imitator am Wagenheck fest. Ehe er sich darüber im Klaren war, wurde er auch schon von der Überwachungskamera in der Säule erfasst, doch da war es bereits zu spät. Er sagte sich, dass der Wachmann in diesem Moment nicht vor dem Monitor in seinem Verschlag saß und er ihn auch nicht huckepack aufs Grundstück kommen sehen konnte, weil er damit beschäftigt sein musste, das zweite Tor zu öffnen. Kaum hatte der Van das äußere Tor passiert, sprang Nicholas runter und lief zu den Büschen beim Wachhaus, so wie es vor ihm der Abtrünnige gemacht hatte. Dabei konnte er nur hoffen, dass der Wachmann der gleichen Routine folgte wie beim vorangegangenen Wagen. Falls ja, gab ihm der Van Deckung, falls nein, würde er wohl jeden Moment eine Kugel in den Rücken bekommen.
Er hielt so lange den Atem an, bis er sich im Grün hinter der Wachstube in Sicherheit gebracht hatte, ohne dass ihm jemand etwas zurief oder sogar das Feuer auf ihn eröffnete. Erst dann atmete er tief durch und genoss den Schwall frischer Luft, während er den...




