E-Book, Deutsch, 333 Seiten
Schneider Northern Star
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98690-665-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Rosenborg-Saga, Band 1 - Der glanzvolle Aufstieg einer Familie und eine gefährliche Liebe
E-Book, Deutsch, 333 Seiten
ISBN: 978-3-98690-665-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Inga Schneider hat »Hygge« im Blut. Sie arbeitet als Journalistin in Dänemark und Schleswig-Holstein. Seit 2021 veröffentlichte sie bereits mehrere erfolgreiche Cosy-Crime- sowie Liebes- und Feel-Good-Romane. Die Website der Autorin: https://www.inga-schneider.de/ Die Autorin bei Facebook: ingaschneider.autorin/ Die Autorin auf Instagram: @ingaschneider.autorin Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre »Rosenborg-Saga« sowie ihre Cosy-Crime-Reihe »Annie Gade und die Fördemorde«. Alle Titel sind bei SAGA-Egmont auch als Hörbuch- und Printausgabe erhältlich.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Kopenhagen. Elf Monate später.
Die Sonne schien viel zu grell, als Nikolaj Bjerregaard aus dem Aufzug stieg. Instinktiv kniff er die Augen zusammen und tastete in der linken Innentasche seiner Jacke nach seiner Sonnenbrille, doch sie war nicht da. Um auf Nummer sicher zu gehen, suchte er auch noch die anderen Taschen ab. Ohne Erfolg. Oh Gott, er musste die Brille heute Früh bei ihr vergessen haben. Schon als er sie gestern Abend ins MASH ausgeführt hatte, hatte er ein komisches Gefühl gehabt. Und nach dem Essen wollte er es einfach schnell hinter sich bringen, ein wenig Druck ablassen, Spaß haben. Warum er trotzdem die ganze Nacht geblieben war, wusste er nicht. Aber als er vor ein paar Stunden aus ihrer kleinen Wohnung in Hvidovre geschlichen war, war er extra leise gewesen, nur um sie ja nicht aufzuwecken.
Nikolaj war einfach nicht der Typ für Abschiede. Weder für lange noch für kurze. Und die Tatsache, dass er jetzt seine Sonnenbrille bei ihr liegen gelassen hatte, ärgerte ihn ungemein. Nicht, dass die Brille besonders teuer oder gar seine einzige gewesen wäre. Zu Hause hatte er eine ganze Schublade voll davon. Aber darauf, sie so schnell noch einmal wiederzusehen, hätte er gut verzichten können. Und es passte ihm gar nicht, dass sie einen Beweis für ihre gemeinsame Nacht hatte. Wer weiß, was sie damit anstellen würde? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, wenn eine Frau sich in der Presse hervortun wollte, nur weil er sich mit ihr eingelassen hatte.
Natürlich wusste sie, wer er war. Jeder wusste das. Wenn Nikolaj abends durchs Kopenhagener Nachtleben zog, war er meist nicht lange allein. Ganz egal, wohin er ging. Dänemarks Regenbogenpresse hatte er es zu verdanken, dass jeder weibliche Single in Kopenhagen seinen Namen kannte.
»Kopenhagens begehrtester Junggeselle« hatten ihn die bunten Blätter schon vor ein paar Jahren getauft. Seitdem liefen ihm die Frauen in Scharen hinterher. Dabei waren sie an ihm als Person kaum interessiert. Vielmehr ging es ihnen darum, etwas vom Glanz und Glamour, der seine Familie umgab, abzubekommen.
»Meine Familie«, murmelte Nikolaj und konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen.
Die Bjerregaards zählten zu den reichsten Familien des Landes und besaßen mehrere Hotels, darunter die beiden mehrfach ausgezeichneten Luxushotels Rosenborg København und Rosenborg Bornholm. Sie waren einflussreich und verkehrten in den höchsten und feinsten Kreisen der Gesellschaft. Es kam durchaus vor, dass er mit dem dänischen Kronprinzen zusammen eine Regatta segelte oder sein Vater und dessen neue Frau zum Galadinner bei Hofe waren. Sie waren ganz oben in der Gesellschaft angekommen – und jeder in der Familie war stolz darauf, auch wenn es offen niemand zugeben würde. Das gehörte sich nicht.
Nikolaj schlenderte über die Dachterrasse des Hotels, vorbei am schwarzgefliesten Pool, in dem vergangene Woche noch hochkarätige amerikanische Politiker geplantscht hatten. Das ganze Rooftop samt Bar hatte dafür gesperrt werden müssen, nur damit einige der mächtigsten Männer der Welt nach Einbruch der Dunkelheit in dem beleuchteten Becken schwimmen und die Aussicht auf das nächtliche Kopenhagen genießen konnten.
Nikolaj blieb stehen und sah sich um. Der Panoramablick von hier oben sei atemberaubend, versicherten die Gäste ihm immer wieder, wenn er sie hier oben zufällig antraf. Auch wenn er sich natürlich längst daran gewöhnt und kaum noch ein Auge dafür hatte.
Der schwarze Diamant, die Dänische Königliche Bibliothek, funkelte glitzernd direkt gegenüber vom Rosenborg in der Sonne. Sein Blick glitt nach rechts, vorbei an Børsen mit dem Turm aus ineinander verschlungenen Drachenschwänzen und Schloss Christiansborg, dem Zentrum der Macht und Sitz der Regierung.
Es stimmte, die Aussicht von hier oben war prachtvoll. Wie alles im Rosenborg.
Schon jetzt am frühen Vormittag pulsierte rund um das Luxushotel im Herzen von Kopenhagen das Leben. Die Kanalboote schipperten Touristen aus aller Welt vorbei an den zahlreichen Sehenswürdigkeiten, die diese Stadt zu bieten hatte: Schloss Amalienborg, die Königliche Oper und, ach ja, die kleine Meerjungfrau. Wie konnte er die nur vergessen?
»God morgen, Nikolaj.« Christian, einer der Barkeeper, grüßte ihn freundlich, als er zum Tresen ging. Der Barkeeper war gerade dabei, die Bestände der Rooftop Bar zu sortieren. »Kaffee?«
Nikolaj nickte dankend und sah sich um. Von seinem Vater war weit und breit noch nichts zu sehen. Dabei waren sie für zehn Uhr verabredet gewesen. Er schaute kurz auf die Uhr. Es war schon kurz nach. Der alte Patriarch verspätete sich sonst nie. Schon im Kindesalter hatte er Nikolaj eingetrichtert, dass Pünktlichkeit eine der wichtigsten Tugenden sei, wenn man im Leben respektvoll behandelt werden wolle.
Nikolaj nahm seinen Latte und setzte sich unter einen der weißen Sonnenschirme im hellgrau gestalteten Loungebereich. In seinem Kopf hämmerte es. Er hatte einen typischen »Zimmermann«, wie man in Dänemark sagen würde. Es war ein bohrender Kopfschmerz, eindeutig durch zu viel Alkohol in der vergangenen Nacht hervorgerufen. Seine Augen brannten durch das gleißende Sonnenlicht, das von den weißen Schirmen und hellen Fliesen nur noch mehr reflektiert wurde. Es war wirklich viel zu hell heute. Durch die vielen Pflanzen hindurch beobachtete er, wie die ersten Hotelgäste auf die Terrasse kamen. Sofort zog der schwarze Pool in der Mitte der ansonsten weißen Umgebung ihre Blicke auf sich. Beeindruckt steckten sie ihre Köpfe zusammen. Er wusste, was sie dachten. Das Design der Dachterrasse war einzigartig, preisgekrönt und hatte die Familie jede Menge Kronen gekostet. Juwel hatte die Presse es einmal genannt. Immerhin war es das erste seiner Art in Kopenhagen gewesen, auch wenn inzwischen das eine oder andere Hotel versuchte, es zu kopieren. Dem Rooftop des Rosenborg konnte so schnell nichts das Wasser reichen.
Schwarz, Weiß und Gold waren die dominierenden Farben. Die Fliesen im Pool bestanden aus feinsten italienischen Mosaiksteinen in dunklen Schwarznuancen, die selbstverständlich alle handsortiert waren. Im Zusammenspiel mit dem Wasser ergaben sie ein nahezu perfektes Bild von Tiefe und sorgten dabei für eine optische Täuschung. Stand man am Beckenrand, hätte man denken können, das Wasser im Pool war tatsächlich schwarz, was dazu führte, dass mancher Badegast erst einmal zögerlich seinen Fuß hineinhielt, um sich davon zu überzeugen, dass es wirklich klares Wasser war.
»God morgen.«
Die flache, ausdruckslose Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. Nikolaj setzte sich in seinem Sessel auf, sah sich um und entdeckte den alten Patriarchen an der Bar. Kurz überlegte er, ob er zu ihm gehen sollte, doch er verschob den Gedanken schnell wieder. Sollte sein Vater doch zu ihm kommen. Immerhin hatte er um diesen Termin gebeten. Nicht umgekehrt.
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Du bist tatsächlich pünktlich.« Jørgen Bjerregaard gesellte sich zu seinem Sohn an den Tisch und setzte sich in einen der Loungesessel.
Nikolaj überhörte den provokanten Ton in der Bemerkung seines Vaters. Er war einfach noch viel zu müde und hatte keine Lust auf Streit. Nikolaj lehnte sich wieder zurück und wünschte sich einmal mehr an diesem Morgen, er könne seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verstecken. Sein Vater sah aus, als wäre er einer alten 1980er-Jahre-Serie entsprungen. Er trug einen dunkelblauen Anzug, die Krawatte bis zum Anschlag hochgebunden, die wenigen silbergrauen Haare, die ihm zwischen den ausladenden Geheimratsecken geblieben waren, hatte er nach hinten geföhnt. Er war komplett oldschool angezogen, trug wie immer ein weißes Einstecktuch in der Brusttasche seines Jacketts. Nikolaj kannte niemanden, der heutzutage noch so herumlief.
Wie immer, wenn er sich mit Nikolaj auf dem Rooftop traf, trank Jørgen nur einen Espresso. Für mehr hatte er meist keine Zeit.
»Einen Espresso hat man viel schneller ausgetrunken als zum Beispiel einen großen Milchkaffee. So muss man sich nicht allzu lange mit Personen aufhalten, die einem lästig sind. Die Termine kann man mit einem Espresso kurz und knapp halten. Ist die Tasse leer, kann man auch das Gespräch beenden. Merk dir das, mein Junge«, hatte Jørgen ihm einmal gesagt, als er Nikolaj einen seiner unschlagbaren Ratschläge fürs Geschäftsleben geben wollte.
Nikolaj war nicht entgangen, dass sein Vater auch stets nur einen Espresso trank, wenn er ihn zu sich zitiert hatte. Offenbar war es für seinen Vater die charmante Art, Nikolaj zu zeigen, dass er sich nicht lange mit ihm aufhalten wollte. Sein Vater hatte ihm nie den Eindruck vermittelt, als wäre er ihm sonderlich wichtig. Seine Mutter, Ellen, war da ganz anders gewesen. Sie war der ruhende Pol in der Familie gewesen, diejenige, die jeden Einzelnen wertgeschätzt und alles zusammengehalten hatte.
Seine Gedanken schweiften ab. Fünf Sterne. So hatte seine Mutter die Familie stets bezeichnet. Die Familie, zu der neben seinen Eltern auch noch sein Bruder Frederik und seine Schwester Louise zählten.
»Jeder von uns ist ein einzelner Stern, aber zusammen sind wir so wertvoll wie die fünf Sterne eines Hotels«, hatte sie immer gesagt.
Nikolaj runzelte die Stirn. Sie waren schon lange keine fünf Sterne mehr.
Das Räuspern seines Vaters holte ihn zurück ins Hier und Jetzt.
»Was gibt’s?« Nikolaj nippte an seinem Milchkaffee, schließlich hatte er alle Zeit der Welt und gab sich betont gelassen.
»Es geht um NOVA.« Jørgens Stimme senkte sich, die eisblauen Augen waren streng auf seinen Sohn gerichtet.
»Mhm«, machte Nikolaj, als hatte...