Scholtyseck | Reinhard Mohn | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Scholtyseck Reinhard Mohn

Ein Jahrhundertunternehmer

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-641-27546-4
Verlag: C.Bertelsmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Zum 100. Geburtstag des visionären Unternehmers
Reinhard Mohn (1921–2009) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Unternehmer des 20. Jahrhunderts. Als Kriegsheimkehrer übernahm er 1947 den elterlichen Verlag und stellte in den folgenden Jahrzehnten, beginnend mit der Gründung des Bertelsmann Leserings 1950, die Weichen für die Entwicklung von Bertelsmann zu einem international operierenden Medienkonzern mit sozialpartnerschaftlicher Unternehmenskultur. Zum wirtschaftlichen Erfolg gesellte sich für die aus der ostwestfälischen Provinz heraus von Mohn gelenkte Bertelsmann AG hohes Ansehen als einer der attraktivsten und fortschrittlichsten Arbeitgeber der Bundesrepublik. 1977 rief er die Bertelsmann Stiftung ins Leben, die sich der Förderung einer demokratischen Bürgergesellschaft widmet und heute als bedeutendste unter den deutschen Stiftungen gilt. In seinem reich illustrierten Lebensbild zeigt der Historiker Joachim Scholtyseck vor dem Hintergrund der deutschen Kultur-, Medien- und Unternehmensgeschichte des 20. Jahrhunderts die visionäre Unternehmerpersönlichkeit Reinhard Mohn in neuem Licht.
Scholtyseck Reinhard Mohn jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kindheit, Jugend, Soldatenzeit, Kriegsgefangenschaft: Frühe Prägungen
Reinhard Mohn stammte aus einer traditionsreichen mittelständischen Verlegerfamilie. Geprägt waren die im ostwestfälischen Gütersloh verwurzelten Bertelsmanns durch den sprichwörtlichen Geist des Pastorenhaushalts, der stark von der Minden-Ravensbergischen Erweckungsbewegung geprägt war. Der 1835 gegründete Verlag C. Bertelsmann fungierte als publizistische Heimat dieser pietistischen Laienbewegung, der auch die kommenden Verleger-Generationen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verpflichtet blieben. Die Enkelin des Firmengründers Carl Bertelsmann, Friederike, heiratete 1881 den ebenfalls aus einer Pastorenfamilie stammenden Johannes Mohn, der den Verlag 1887 nach dem Tod seines Schwiegervaters übernahm. Reinhard Mohns Vater, der Verleger Heinrich Mohn, hatte 1912 wiederum eine Pastorentochter geheiratet, Agnes Seippel. Bis auf ein vierjähriges Intermezzo in Braunlage, wo die Familie »ein einfaches Bürgerhaus aus einfachen Backsteinen« bewohnte,11 blieb die Kleinstadt Gütersloh das eigentliche Zentrum des elterlichen Lebens. Das von Heinrich Mohn dort 1928 erbaute Wohnhaus in der Kurfürstenstraße verfügte über einen fünf Hektar großen Garten, war aber ansonsten nicht mit dem Luxus ausgestattet, den manche Industriellenvilla jener Zeit kennzeichnete. Im Elternhaus, so Reinhard Mohn, sei man »sparsam erzogen« worden, »Perserteppiche« habe es keine gegeben.12 Die Kinder von Agnes und Heinrich Mohn um 1928: Ursula, Sigbert, Gerd, Hans Heinrich, Reinhard und Annegret (von links). Zwischen den sechs Geschwistern der Familie Mohn bestanden große Altersunterschiede, sie erblickten zwischen 1913 und 1926 das Licht der Welt. Als Erstgeborenem kam Hans Heinrich (»Hanger«) im Familiengefüge und mit Blick auf die spätere Leitung von Bertelsmann eine besondere Rolle zu. Nichts deutete darauf hin, dass Reinhard, dem Zweitjüngsten, zukünftig die Aufgabe zufallen würde, die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Reinhard Mohn wurde am 29. Juni 1921 geboren, das fünfte von sechs Kindern und der drittälteste Sohn. Er ging zunächst in Güterslohs evangelische Volksschule, bevor er 1931, ganz der Familientradition entsprechend, an das dortige Evangelisch Stiftische Gymnasium wechselte. Dass er der Zweitjüngste war, hat er rückblickend immer betont: Seine Geschwister hätten in der Schule die Maßstäbe gesetzt, was für ihn »eher negative Folgen« gehabt habe, weil er keineswegs so begabt gewesen sei wie diese.13 Gerade seinen Bruder Hans Heinrich, den acht Jahre älteren Erstgeborenen, hat er zeitlebens für besonders befähigt gehalten und kritisch bewundert. In Interviews erwähnte er gelegentlich dessen herausragende Begabungen und intellektuellen Esprit. Er hingegen habe »viel von sich selbst verlangt«.14 Seine Schulleistungen waren zwar nicht schlecht, und doch sollte er sich zeitlebens an den dezenten Vorschlag seiner Mutter erinnern, eine Tischlerlehre zu machen. Die Schule war für Mohn rückblickend ein »mühsamer Weg«.15 Reines Kokettieren eines Mannes, der auf ein erfolgreiches Leben zurückblickte, war diese Aussage wohl nicht. Verlobungsfoto von Agnes Seippel und Heinrich Mohn, den Eltern Reinhard Mohns, aus dem Jahr 1911. Ein Jahr nach seinem Einstieg in das väterliche Verlagsunternehmen gaben Heinrich Mohn und die vier Jahre jüngere Agnes Seippel – eine Freundin seiner Schwester Sophie – ihre Verlobung bekannt. Agnes war das älteste von sechs Kindern eines Gütersloher Pfarrers und seiner aus einer Kaufmannsfamilie der Stadt stammenden Frau. Im Juni 1912 feierten beide ihre Hochzeit. Der »Geist eines evangelischen Pfarrhauses« in einer ländlichen Region bestimmte die Jugend.16 Die Zeitumstände einer in sich gespaltenen Kirche, deren kaiserliches Oberhaupt 1918 abgedankt hatte, mussten auch das Elternhaus prägen. Wirtschaftlich ging es für den Verlag mit Schwankungen wieder aufwärts, denn die charakteristische Mischung aus theologischer Literatur und – seit den späten 1920er Jahren – volkstümlicher Belletristik war in der Weimarer Republik nachgefragt. Politisch blieb der Vater nach dem Untergang des Kaiserreiches dem typischen Nationalprotestantismus verhaftet, in dem man die DNVP wählte und auch die »Kreuz-Zeitung« las.17 Zwar prägte der Vater Heinrich Mohn als Verleger und Familienvorstand das Elternhaus, aber Reinhard Mohn hat sich stets dankbar seiner Mutter erinnert, die früh Verantwortung für die Kinder übernehmen musste: »Das Aufwachsen im Pfarrhaus und später die Ehe mit meinem Vater, der aus einem sehr religiös/kirchlich ausgerichteten Verlag kam« seien ebenso wichtig gewesen wie »der regelmäßige Besuch der Gottesdienste, die Andachten morgens und abends im Hause, das Tischgebet, das Abendgebet am Bett der Kinder«.18 Der Zeit gemäß blieb die Mutter im Hintergrund und war für die Familie verantwortlich, zumal sie – zumindest in der Erzählung ihrer Kinder – kein besonders geselliger Mensch war. In ihrer Bodenständigkeit waren ihr Luxus, unnötiger Aufwand und Geltungsstreben »völlig fremd«.19 Nach dem Einfluss seiner Mutter gefragt, lautete die Antwort: »Religiosität, Sittenstrenge, Ordnung, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Korrektheit und Pflichtgefühl charakterisierten sicher meine Mutter ebenso wie Liebe zu ihren Angehörigen und stete Hilfsbereitschaft und Fürsorge.«20 Erinnerungen Reinhard Mohns an seine Mutter Agnes aus dem Jahr 1984 (Auszug). Im Zuge der Vorbereitungen zum 150-jährigen Jubiläum von Bertelsmann hielt Reinhard Mohn für den Schriftsteller Walter Kempowski Abschnitte aus der Geschichte seiner Familie fest. Besonders ausführlich charakterisierte er dabei die Persönlichkeit seiner Mutter Agnes. Religiöse Verankerung im Protestantismus, Selbstdisziplin und familiäres Pflichtgefühl waren in ihrem Leben bestimmend. Dies waren Werte, angereichert durch strukturiertes Denken und analytische Begabung, die sein eigenes Leben ebenfalls bestimmen sollten, auch wenn im Spannungsfeld von Geschäft und Moral der Begriff der »protestantischen Ethik«21 zunehmend verblasste und nur noch als Nachhall zu spüren war. Dennoch erinnerte sich Mohn, der »Westfale mit preußischen Tugenden«,22 später an eine zugleich liebevolle wie strenge Erziehung: Die Mutter habe bei den Hausaufgaben über die Schulter geschaut und sich gegrämt, wenn die schulischen Leistungen schlecht waren und die Zeugnisse zu wünschen übrig ließen. Dann habe die subtile Frage gelautet, ob er nicht lieber einen »praktischen Beruf« erlernen wolle.23 Trotzdem musste er, seit er sechzehn Jahre alt war, nicht mehr an den üblichen Gebeten und Andachten teilnehmen, weil er sich vom kirchlichen Glauben entfernt hatte. Der Säkularisierungsprozess erreichte auch ihn, obwohl er die religiösen Residuen, die Fragen nach Moral und den Werten der Unternehmenspolitik, niemals abschütteln konnte oder wollte. Mohn gehörte dem protestantischbildungsbürgerlichen Milieu an, in dem ökonomisches Gewinnstreben sich traditionell mit einem gesellschaftlichen und zivilisatorischen Bewusstsein verbunden zeigte. Die Rolle der Kirche und Religion war weitgehend auf formale Aspekte beschränkt, und die Bibel, die er seit Kinderzeit natürlich gut kannte, blieb ein Dekorum seiner Lebenswelt, so dass es schwerfällt, aus Mohns religiösen Bezügen einen protestantischen Wirtschaftsgeist zu konstruieren.24 Und doch war er ein moderner Wirtschaftsmensch, wenn man im Sinne von Max Weber ein Modell eines protestantischen Arbeitsethos und eine bestimmte bürgerliche Struktur zugrunde legt und eine rationale und prozessorientierte Betriebsorganisation sowie die konsequente Trennung von Unternehmen und Privathaushalt als ihre Wesensmerkmale definiert.25 Gruppenbild der Familie Mohn 1933 vor dem »Efeuhaus« der Großmutter Friederike Mohn (geb. Bertelsmann) in Gütersloh mit (von links) den Eltern Heinrich und Agnes mit seinem Bruder Gerd, Großmutter Friederike, den Geschwistern Hans Heinrich, Ursula, Sigbert und Annegret sowie ganz außen Reinhard Mohn. An der unveränderten Bedeutung der kirchlichen Botschaft für die Gesellschaft wollte er festhalten, auch wenn er mit dem Alltagsprotestantismus wenig anfangen konnte. 1966 hieß es bei ihm dazu: »Führungsform der Kirche nicht adäquat. Unbefriedigende Wirkung, überlastete Pastoren, zurückgehender Einfluß.«26 Und auf die viel später gestellte Frage, ob er ein »frommer Mann« sei, wich er im Gespräch mit dem österreichischen Journalisten Peter Schier-Gribowsky mit der Teilantwort aus, dass Religion immer eine Komponente der Bertelsmanns gewesen sei.27 Hausaufsatz von Reinhard Mohn zum Thema »Meine Gedanken bei der Wahl des Berufes«, verfasst zwischen Herbst 1937 und Januar 1938 (Auszug). Schon als 16-jähriger Schüler setzte sich Reinhard Mohn sehr reflektiert mit den Chancen seiner Berufswahl und seinen Zukunftserwartungen auseinander. In einem Aufsatz beschäftigte er sich intensiv mit der Frage der Pflichterfüllung und der Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Zugleich maß er darin der persönlichen Veranlagung und der individuellen Unabhängigkeit große Bedeutung bei. Die Lebensführung der Familie war spartanisch. Es sei nicht geraucht worden, und es sei auch kein Wein getrunken worden, so berichtete er später.28 Das erste Auto der Familie, ein bescheidener Kleinwagen des heute vergessenen Herstellers AGA, wurde erst 1927 angeschafft.29 Es ging nicht um Luxus, der ausgestellt, sondern um innere Werte, die vermittelt werden sollten. In...


Scholtyseck, Joachim
Joachim Scholtyseck ist seit 2001 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen neben der deutschen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte („Der Aufstieg der Quandts“, 2011; „Merck“, 2. Aufl. 2018 ) vor allem Italienische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert und Deutsches Kaiserreich („Alliierter oder Vasall?“, 1994), Widerstand gegen den Nationalsozialismus („Robert Bosch und der liberale Widerstand gegen Hitler“, 2. Aufl. 2000) und Kalter Krieg („Die Außenpolitik der DDR“, 2003). Scholtyseck ist u. a. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie der Otto-von-Bismarck-Stiftung.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.