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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2916, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Schröter Jesus

Leben und Wirkung

E-Book, Deutsch, Band 2916, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-75602-3
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Was wissen wir über Jesus? Obwohl die Evangelien k eine historisch zuverlässigen Berichte sind, ist unser Wissen gar nicht so gering. Jens Schröter zeigt, was wir aus jüdischen, römischen und frühchristlichen Quellen über den Juden aus Galiläa erfahren, der die anbrechende Herrschaft Gottes verkündete, Kranke heilte, in Gleichnissen sprach und um das Jahr 30 gekreuzigt wurde. Er erklärt den historischen Kontext, geht den unterschiedlichen Deutungen von Jesu Wirken und Tod nach und beschreibt, wie daraus allmählich eine neue Religion entstand.
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3. Der geschichtliche Kontext
Das Judentum zur Zeit Jesu
Bereits in den Jahrhunderten vor dem Wirken Jesu hatte sich das Judentum infolge diverser historischer Entwicklungen über den gesamten Mittelmeerraum verbreitet. Damit verbunden war eine Ausdifferenzierung in verschiedene Strömungen, die sich in ihren Auffassungen über die Interpretation der Tora, das Verhältnis Israels zu anderen Völkern und deren Göttern, das Heilshandeln Gottes am Ende der Zeit und weitere Aspekte voneinander unterschieden. Diese Vielfalt wird durch zahlreiche Texte aus dem entsprechenden Zeitraum eindrücklich dokumentiert. Eine wichtige Voraussetzung waren die Eroberungszüge Alexanders des Großen in den Jahren 334 bis 324 v. Chr., die ihn von Makedonien bis nach Indien führten. In der Folge verbreitete sich die griechische Kultur – Sprache, Dichtung, Philosophie, Architektur – über den gesamten Mittelmeerraum. Der Historiker Johann Gustav Droysen (1808–?1884) hat dafür den Begriff «Hellenismus» (von Hellas = Griechenland) geprägt. Auch das Judentum war davon beeinflusst, weshalb man für den Zeitraum etwa vom dritten vorchristlichen bis zum ersten nachchristlichen Jahrhundert vom «hellenistischen» Judentum spricht. Jüdische Schriften und die Jesusüberlieferung.  Die verbindlichen Schriften des Judentums (zunächst die Tora, dann auch die Propheten und weitere Schriften) wurden in dieser Zeit ins Griechische übersetzt, viele jüdische Schriften wurden direkt auf Griechisch verfasst, wie etwa die Weisheit Salomos, die Schriften von Philo von Alexandria (ca. 15 v. Chr.–nach 42 n. Chr.) und Josephus oder das 4. Makkabäerbuch. Griechische Philosophie und Dichtung wurden in jüdischen Schriften rezipiert, etwa bei Philo, in dem jüdischen Weisheitsgedicht unter dem Namen des griechischen Dichters Phokylides oder dem in jambischen Trimetern verfassten Gedicht des sogenannten Tragikers Ezechiel. Es entstanden aber auch weiterhin Schriften auf Hebräisch oder Aramäisch. Dies ist bei den meisten der am Toten Meer (in Qumran und an einigen weiteren Orten) gefundenen Texte der Fall, zu denen apokalyptische Schriften (etwa die Henochbücher), Geschichtsbücher (etwa das Jubiläenbuch) und Auslegungen prophetischer Schriften und Psalmen (die sogenannten Pescharim) gehören. Das Judentum der hellenistisch-römischen Zeit war demnach in vielfältiger Weise in die kulturellen und religiösen Entwicklungen im Mittelmeerraum eingebunden. So war in der Wissenschaftsmetropole Alexandria eine kulturell und intellektuell sehr produktive jüdische Gemeinschaft mit eigener Verwaltung entstanden, in welcher die Tora ins Griechische übersetzt wurde und weitere Schriften auf Griechisch entstanden. In den meisten Städten des Mittelmeerraums gab es jüdische Gemeinden, die sich mit einem Leben in nichtjüdischer Umgebung arrangierten. Eine eigene Situation entstand dagegen in Palästina, dem Mutterland des Judentums, mit Jerusalem als dem politischen und religiösen Zentrum des weltweiten Judentums. Dort entwickelten sich Widerstände gegen die politische und kulturelle Dominanz der Griechen, später dann gegen die Herrschaft der Römer. Der Widerstand gegen die griechische Herrschaft wurde im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. von dem Geschlecht der Makkabäer bzw. Hasmonäer getragen, die von Judäa aus große Gebiete, darunter auch Galiläa, eroberten und dem von ihnen beherrschten Territorium eingliederten. In Palästina entstanden etliche apokalyptische Schriften mit einer eigenen Deutung der Geschichte. Die ältesten von ihnen sind die Henochbücher, die vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. sukzessive verfasst und zu einem Buch zusammengestellt wurden. Sie stellen die Geschichte in den Horizont der Durchsetzung von Gottes Herrschaft gegenüber den feindlichen Mächten. Das Buch Daniel enthält in den Kapiteln 7–?12 Visionen, die auf die Fremdherrschaft der Seleukiden unter Antiochus IV. reagieren, der in der Nachfolge Alexanders 175–?164 v. Chr. über die Region herrschte. Die Visionen schildern in mythologischer Weise den Sieg Gottes über die feindlichen Mächte und das Gericht durch einen «Menschensohn», dem von Gott die Macht übertragen wird. In der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstand mit der «Himmelfahrt des Mose» (auch «Testament des Mose» genannt) eine weitere Schrift, die die politischen Verhältnisse in Palästina, nunmehr unter den Römern, in den Horizont des endgültigen Sieges Gottes in der Geschichte stellt. Im 10. Kapitel dieser Schrift wird auf die Aufrichtung der Herrschaft Gottes verwiesen, die die Herrschaft des Teufels beenden und alle Traurigkeit wegnehmen wird. Damit werde eine kosmische Katastrophe einhergehen, durch die die Heiden bestraft, die Götzenbilder vernichtet werden und Israel zu Gott erhöht wird (siehe auch unten, S. 62). Neben den apokalyptischen Schriften stehen weisheitliche Texte, die auf Einsichten aus der Erfahrung verweisen und Unterweisungen zu einem Leben im Glauben an Gott enthalten. Dazu zählen etwa Jesus Sirach, das Buch des «Predigers» und die Weisheit Salomos. Sie leiten zu einem gelingenden Leben an, das Gottesfurcht und Erfahrungswissen miteinander in Einklang bringt. In der Jesusüberlieferung finden sich sowohl apokalyptische als auch weisheitliche Traditionen. Verweise auf Erfahrungswissen, aus dem man lernen soll, ist z.B. in Texten, die der Logienquelle Q zugerechnet werden, anzutreffen: Bittet, so wird euch gegeben werden; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan werden! … Welcher Mensch (Vater) unter euch wird seinem Sohn einen Stein geben, wenn er ihn um Brot bittet? Oder wenn er ihn um einen Fisch bittet, gibt er ihm eine Schlange? (Oder wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion geben?) Wenn nun ihr, die ihr schlecht seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten! (Matthäus 7,7–?11/Lukas 11,9–?13) Oder: Seht die Raben: Sie säen nicht und sie ernten nicht; sie haben keine Speicher und keine Scheunen, doch Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel! (Matthäus 6,26/Lukas 12,24) In den beiden weisheitlichen Mahnungen geht es darum, das Vertrauen vollständig auf Gott zu setzen, der für die Seinen sorgen wird. Die Menschen sollen alles daransetzen, in die im Wirken Jesu anbrechende Gottesherrschaft hineinzugelangen und den Zeitpunkt nicht zu verpassen, nach dem es zu spät wäre. In dieser Perspektive kann auch auf das Gericht Gottes verwiesen werden, das über die kommt, die sich der Einladung Jesu verschließen. So heißt es z.B.: Jeder, der sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes (Matthäus 10,32–?33/Lukas 12,8–?9). In einer drastischeren Gerichtsdrohung Jesu heißt es: Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind, würden sie längst in Sack und Asche sitzen und umkehren. Doch Tyrus und Sidon wird es erträglicher im Gericht ergehen als euch. Und du, Kapernaum – zum Himmel wirst du erhöht werden? Du wirst in den Hades hinabgeworfen werden! (Matthäus 11,21–?23/Lukas 10,13–?15) Die dynamische Verbindung weisheitlicher und apokalyptischer Aspekte in der Verkündigung Jesu bringt einerseits zum Ausdruck, dass die anbrechende Gottesherrschaft ein jetzt notwendiges Handeln erfordert, andererseits, dass sie im Horizont ihrer Vollendung durch das zukünftige Gericht steht. Des Weiteren haben sich Diskussionen über die Einhaltung der Tora im zeitgenössischen Judentum in der Jesusüberlieferung niedergeschlagen. So existierte hinsichtlich der Sabbatpraxis auf der einen Seite eine strenge Auffassung, die jegliches Tun am Sabbat untersagte. Diese ist etwa im Jubiläenbuch bezeugt, welches das Gehen eines Weges, das Anzünden eines Feuers, das Bepacken eines Tieres, Reisen und Kriegführen mit der Todesstrafe belegt (50,12–?13). Vergleichbar ist die Sicht in der u.a. in Qumran bezeugten Damaskusschrift. Hier wird untersagt, am Sabbat etwas anderes zu essen als das, was bereits zuvor vorbereitet wurde. Ein Fremder soll nicht beauftragt werden, einen Wunsch am Sabbat auszuführen, einem Tier und nicht einmal einem Menschen soll...


Jens Schröter ist Professor für Neues Testament und neutestamentliche Apokryphen an der Humboldt-Universität zu Berlin.


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