E-Book, Deutsch, 1232 Seiten
SenLinYu Alchemised
3. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98978-068-2
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Deutsche Ausgabe
E-Book, Deutsch, 1232 Seiten
ISBN: 978-3-98978-068-2
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
SenLinYu wuchs an der US-Nordpazifikküste auf und lebt in Portland. Sen hat Classical Liberal Arts and Culture studiert und fing mit dem Schreiben von Fanfiction an, während ihr Baby schlief. Sen erlangte auf Archive of Our Own internationale Bekanntheit, und ihre gesammelten Werke wurden über 20 Millionen Mal heruntergeladen und in 23 Sprachen übersetzt. Alchemised ist ihr erster Roman.
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Kapitel 1
Das plötzliche Licht riss Helenas Gehirn beinahe entzwei.
Schreie ertönten.
»Scheiße! Wieso ist die hier wach?« Eine Stimme durchbrach die qualvollen Sinneseindrücke.
Das Licht durchbohrte sie. Wie ein Speer, durch die Augen in den Schädel gerammt.
Götter, ihre Augen.
Sie wand sich. Die Helligkeit ließ alles verschwimmen, brachte sie ins Schlingern. Flüssigkeit schoss ihr brennend die Kehle hinab. In ihren Ohren dröhnte es.
Glitschige Finger packten sie am Arm, an den Knochen, und zerrten sie hoch. Luft drang in ihre Lunge, und sie zog sich zusammen, stieß die Flüssigkeit wieder aus.
»Verdammt, das Stasis-Gel. Ich bekomme sie kaum zu fassen. Sie soll die Klappe halten! Sie ertränkt sich noch.«
Sie schlug mit dem Kopf auf, als sie fallen gelassen wurde. Schürfte sich an rauem Stein die Hände auf. Sie tastete blind umher, versuchte, sich aufzurichten. Obwohl sie die Augen zukniff, steckte das Licht noch immer als Messer in ihrem Schädel. Ein harter Gegenstand wurde von ihrem Nacken gerissen, und etwas Warmes, Nasses lief ihr über die Haut.
»Wieso zum Teufel ist sie wach? Da muss jemand die Dosis verhauen haben. Lasst sie nicht wegkriechen.«
Wieder wurde sie an den Armen gepackt und hochgehievt.
Sie befreite sich aus dem Griff und riss die Augen auf. Aber sie sah nur blendendes Weiß. Sie stürzte sich darauf.
»Miststück, du hast mich geschnitten!«
Sie spürte einen explosionsartigen Schmerz am Hinterkopf.
Es war immer noch hell, als sie wieder zu sich kam.
Doch die Helligkeit brach schleichend herein, als würde sie unter Wasser langsam auf eine gekräuselte Oberfläche zuschwimmen, während ihr Bewusstsein erwachte. Sie hatte die Augen geschlossen, das Licht war direkt davor. Es tat jetzt schon weh.
Sie lag auf etwas Hartem. Ein kalter Tisch, sie spürte das träge Metall unter den Fingern.
Sie vernahm Stimmen, gedämpft, aber in der Nähe.
»Also?« Eine Frauenstimme. »Waren da noch mehr?«
»Nein.« Eine Männerstimme. Die von vorhin. »Wir haben alle rausgezogen. Nur die hier war falsch gelagert.«
»Und sie war bei Bewusstsein, als Sie den Tank geöffnet haben?«
»Und ob. Hat angefangen zu schreien, als wir den Deckel abgenommen und sie rausgeholt haben. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, das kann ich Ihnen sagen. Willems war so erschrocken, dass er sie um ein Haar ertränkt hätte, und als sie draußen war, hat sie sich aufgeführt wie ein wildes Tier. Hat mich wie von Sinnen gekratzt, bis wir sie k. o. geschlagen haben. Der intravenöse Zugang war zwar noch drin, aber die Sedierung war abgeschaltet. Da muss jemand dran gewesen sein.«
»Das erklärt nicht, warum es keine Unterlagen über sie gibt«, erwiderte die Frau. »Schon merkwürdig.«
»Wahrscheinlich musste es schnell gehen. Die kann noch nicht lange hier gewesen sein. Selbst die korrekt Gelagerten sind größtenteils tot. In den meisten Tanks ist nur noch Knochensuppe.« Der Mann lachte nervös.
»Das finden wir raus, wenn ich sie in der Zentrale habe.« Die Frau klang desinteressiert. »Gut, dass Sie es gemeldet haben. Das ist abnormal. Geben Sie mir Bescheid, wie viele von den anderen aufwachen. Die Leichen, die intakt genug zur Wiedererweckung sind, kommen in die Minen. Den lebenden Bestand schicken wir an den Außenposten.«
»Sehr wohl. Und Sie werden doch ein gutes Wort für mich einlegen, oder? Von Ihnen würde das viel bedeuten.« Der Mann klang hoffnungsvoll und sein Lachen gezwungen. »Werde ja auch nicht jünger, wissen Sie.«
»Der High Necromancer erhält viele Anfragen. Ihre Dienste werden nicht vergessen. Machen Sie einen Wagen zum Transport fertig.«
Darauf entfernten sich Schritte, gefolgt von einem verärgerten Seufzen.
»Du brauchst gar nicht bewusstlos tun. Ich weiß, dass du wach bist. Augen auf«, sagte die Frau. »Ich habe deine Sinne modifiziert, das Licht sollte also erträglich sein.«
Helena spähte vorsichtig durch die Wimpern.
Die Welt ringsum dämmerte grünlich, alle Formen wirkten schattenhaft. Eine verschwommene Gestalt bewegte sich zu ihrer Rechten.
Sie folgte ihr mit schwerfälligem Blick.
»Gut. Du befolgst Anweisungen kannst Bewegung erfassen.«
Helena wollte etwas sagen, stieß aber nur ein leises Keuchen aus.
Ein Stift klickte, und Papier raschelte.
»Also, bist du Gefangene Nummer 1273 oder Nummer 19819? Du hast zwei Häftlingsnummern, und in dieser Einrichtung gibt es zu keiner von beiden eine Aufzeichnung. Hast du zufälligerweise einen Namen?«
Helena schwieg. Nun, da die Vorstellung von Licht allein sie nicht mehr in Angst und Schrecken versetzte, konnte sie ein wenig nachdenken. Sie war immer noch eine Gefangene.
Die Frau schnaubte ungeduldig. »Verstehst du mich?«
Helena gab keine Antwort.
»Tja, anscheinend darf ich hier nicht viel erwarten. Wir werden es ohnehin bald erfahren. Na los, bringt sie rüber.«
Die Gestalt entfernte sich, und neue tauchten auf. Sie spürte kalte Finger an ihren Handgelenken. Der Gestank nach chemischen Konservierungsmitteln und gammelndem Fleisch brannte ihr in der Nase. Leibeigene. Sie versuchte, Gesichter zu erkennen, aber ihre Augen wollten sie nicht recht erfassen, ihr Blick blieb unscharf.
Der Tisch vibrierte, als er über Steinboden gerollt wurde, und sie spürte die Erschütterung durch den Schädel bis in die Zähne.
Dann war es so hell, als würden ihr Nadeln in die Netzhaut gestochen. Sie schrie leise auf und kniff wieder die Augen zu.
Eine ruckartige Aufwärtsbewegung, von der ihr schlecht wurde. Dann herrschte wieder Dunkelheit, und irgendwo unter ihr erwachte ein Motor zum Leben.
Sie musste entkommen. Als sie versuchte, sich zu bewegen, schepperte Metall.
»Bleib liegen.« Die Frauenstimme war plötzlich wieder da. Ganz nahe.
Helena zuckte zurück, rang nach Luft und riss mit Händen und Füßen an ihren Fesseln. Sie musste fliehen. Sie musste …
»Mach es mir nicht noch schwerer«, sagte die Frau in eisigem Ton.
Helena spürte Finger am Hinterkopf, und ein Energiestoß durchflutete ihr Gehirn.
Erneute Dunkelheit.
Jähe Qualen und plötzliche Angst schreckten Helena aus der Bewusstlosigkeit.
Sie fuhr hoch, riss die Augen auf und sah gerade noch, wie eine Spritze fortgezogen wurde. Eine Kette spannte sich straff, und sie fiel wieder nach hinten, ihr Herz raste, jeder Schlag so schmerzhaft, als sei es durchbohrt worden.
»Na, na.« Die Spritze fiel klappernd auf ein Metalltablett rechts von ihr. »Damit solltest du wieder klar und gesprächig werden.«
Es war die Frau von vorhin.
Helena lag nicht mehr auf dem Metalltisch. Sie spürte unter sich eine harte Matratze, und überall roch es streng nach Desinfektionsmitteln.
Über ihr wölbte sich eine dunkle, graue Decke.
Trotz der Schmerzen strömte plötzlich Energie durch ihre Adern, wuchs zu brodelnder Hitze an, die in ihren Händen glühte, als sie sie bewegte. Sie merkte, wie ihr Bewusstsein sich schärfte, alles wurde heller, klarer. Sie wand sich, und Metall schnitt in ihre Handgelenke.
»Nichts da. Du brichst dir eher die Knochen, als dass du die Handschellen aufbekommst. Beantworte meine Fragen, und ich lasse dich vielleicht aufstehen, bevor die Wirkung nachlässt. Andernfalls soll das nämlich ganz schön schmerzhaft sein.«
Helena konnte sich nicht rühren, dafür lief ihr Verstand auf Hochtouren. Eine Injektion, irgendein starkes Stimulans. Weil die Energie sonst nirgends hinkonnte, strömte sie in ihr Gehirn, und ihre wirren, panischen Gedanken bündelten sich kristallklar.
»Helena Marino. Du«, sie hörte Papier rascheln, »solltest laut deiner Akte mit der Nummer 1273 tot sein. Du warst als Ausschuss markiert, wegen nicht näher bezeichneter ›massiver Verletzungen‹. Die Akte mit der Nummer 19819 besagt hingegen, du seist für die Stasis ausgewählt worden.« Wieder Rascheln. »Allerdings gibt es keine Aufzeichnungen darüber, dass du je dort angekommen oder abgefertigt worden wärst.« Die Frau biss sich nachdenklich auf die Lippe. »In unseren Akten existierst du seit Augustus letzten Jahres überhaupt nicht mehr. Seit vierzehn Monaten. Und jetzt entdecken wir dich in genau der Stasis-Lagerhalle, in der du nie angekommen bist. Wie kann das sein?«
Helena blinzelte langsam und versuchte, die Informationen zu verarbeiten. Vierzehn Monate?
»Offensichtlich kann niemand so lange in Stasis überleben. Selbst ein halbes Jahr ist unter optimalen Bedingungen so gut wie unmöglich, und du warst ja nicht mal korrekt verwahrt. Also, wo kommst du her? Wer hat dich dort hingebracht?«
Helena wandte den Kopf ab und weigerte sich, zu antworten.
Die Frau brummte vor sich hin und trat näher heran. »Du bist nicht in Schwierigkeiten. Sag mir einfach die Wahrheit, dann ist das alles hier vorbei. Wo warst du, bevor du in Stasis versetzt wurdest?«
Sie betonte jedes Wort der Frage.
Helena erwiderte nichts, obwohl...




