Sinclair Sternenjagd
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8025-9203-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-8025-9203-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Frachterkapitänin Trilby Elliot rettet den Soldaten Rhis Vanur nach einer Notlandung auf einem unbewohnten Planeten. Schon bald stellt sich heraus, dass sie einen gemeinsamen Feind haben, der sie am liebsten tot sähe. Nur gemeinsam kann es ihnen gelingen, zu überleben. Und Trilby muss sich eingestehen, dass der attraktive Rhis sie alles andere als kalt lässt.
Linnea Sinclair arbeitete als Journalistin und Privatdetektivin, bevor sie mit dem Schreiben begann. Sie hegt seit jeher eine besondere Vorliebe für die Science Fiction. Linnea lebt mit ihrem Mann in Florida und Ohio.
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1
Die Alarmsirene der Careless Venture ging los und erfüllte die Höhle mit einem gellenden Heulton. Trilby Elliot sprang auf und stieß dabei versehentlich ihre provisorische Werkbank um. Das Ultraschallschweißgerät und die Kabel der Steuereinheit polterten krachend zu Boden.
Sie stürmte zur Rampe ihres Frachters. Über ihr geriet ein Nest aus dem Schlaf gerissener Blutfledermäuse in Aufruhr: Wie ledrige kleine Raketen schossen die Tierchen aus ihrer Felsspalte und wirbelten panisch um sie herum. Kreischend flohen sie dann durch die breite Höhlenöffnung in die lavendelblaue Dämmerung hinaus.
Als sie die Rampe erreichte, zischte am Himmel ein silbern blitzendes Objekt vorbei.
»Mist, Mist, Mist.« Ein anderes Schiff. Das bedeutete garantiert großen Ärger. Und selbst kleinen Ärger konnte sie im Moment ganz und gar nicht gebrauchen.
Sie sprintete durch die Luftschleuse.
Durch den Mittelgang des Frachters wand sich ein Gewirr schwarzer Kabelschlangen, buckelte über die offene Einstiegsluke und führte zur Brücke. Sie rannte hin, ohne auf die Kabel zu treten, und schlug auf einen Knopf. Der Alarm brach ab. Ein Druck mit dem Daumen aktivierte das Intracom. »Dezi, wir haben Besuch! Übernimm die Brücke.«
»Schon auf dem Weg, Captain.« Die gelassene Stimme kam von drei Decks tiefer, aus der Wartungseinheit.
Wenn Dezi sehen könnte, was sie hier oben sah …
Die Lichter flackerten in furiosem Stakkato auf dem Scannerschirm. Ominöse Datenreihen wanderten über den Monitor, doch sie blieben nervtötend lückenhaft. Das hereinkommende Schiff war offenbar klein, aber Trilbys fehlerhaftes Equipment verweigerte die Herausgabe genauerer Daten. Vielleicht war es ein konklavischer Aufklärer, es konnte aber auch eine Piratensonde sein. Oder die Vorhut eines Kriegsgeschwaders von Gott weiß woher.
Aus dem Gerätespind schnappte sie sich Fernglas und Lasergewehr und knipste das Intracom wieder an. »Der Hauptscanner streikt immer noch. Ich geh raus und schau mir das an.«
Gelassene Zustimmung, genau wie zuvor. Guter alter Dezi.
Eine Wand aus heißer Abendluft stemmte sich ihr entgegen, als sie durch die hohe Höhlenöffnung nach draußen trat. Sie hockte sich zwischen ein Geflecht aus verhakten Dornenpalmen und ein paar moosbedeckte Felsbrocken und scannte mit dem Fernglas den Himmel ab. Die blendenden Strahlen der bereits tief stehenden Sonne bissen ihr gnadenlos in die Augen.
»Verdammt!« Sie streifte mit dem Daumen über den Autofilter. Nichts geschah. Der Filter klemmte – mal wieder. Sie schlug sich das Fernglas kräftig gegen die Hüfte, dann versuchte sie es erneut.
Die Okulare wurden einen Moment lang trüb, dann justierte sich das Gerät. Sie schwenkte über den Horizont auf der Suche nach irgendetwas, was sich bewegte, und lauschte, ob was anderes zu hören war als das dichte Schweigen des Dschungels und ihr hämmerndes Herz. Fünf Minuten vergingen. Schweißflecken verpassten ihrem schmutzig-grünen T-Shirt ein Zufallsmuster.
Da! Ein Flackern, ein metallisches Schimmern. Sie hielt mit dem Fernglas drauf. Das Bild stellte sich schärfer, bis sie es erkennen konnte. Was sie sah, jagte ihr einen Schauer über die verschwitzte Haut. Ein Tark, ein hochgerüsteter ’Sko-Fighter. Seine unverwechselbare Silhouette mit den geschwungenen Flügeln zeichnete sich deutlich vor dem schwindenden Sonnenlicht ab.
Schnell machte sie einen 360er-Rundscan. Der Rest des Geschwaders musste hier auch irgendwo sein. Was heißen würde, dass es im Orbit ein Mutterschiff gab. Irgendwo. Und irgendwo war ein Ort, in dessen Umgebung man sich besser nicht aufhielt, wenn die ’Sko im Spiel waren.
Doch am rötlich eindunkelnden Himmel zeigte sich nichts. Nichts außer dem einsamen Tark.
Der ’Sko-Fighter blitzte hin und wieder zwischen den lavendelfarbenen Wölkchen auf, trudelte dahin wie ein verschrecktes Fabelwesen, das auf einer Eisscholle reitet. Selbst besoffen flog Trilby besser als der da. Dann trat der Fighter aus einer Wolkenbank hervor, und sie sah die unmissverständlichen Spuren von Lasereinschüssen an der Ladeflanke. Jetzt war klar, warum das Ding durch den Orbit eierte wie eine volltrunkene Möwe.
Das war gar kein Angreifer, das war die Beute.
Sie scannte ein weiteres Mal den Himmel ab. Eine konklavische Grenzpatrouille konnte ihre elektronische Signatur vermutlich orten. Dann würde sie einiges zu erklären haben. Und ganz zweifellos einen Batzen hinblättern müssen, den sie nicht hatte. Aber der Scan ergab nichts.
Auf einmal sackte der Tark so dicht auf den Dschungel hinab, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt und auf das Geräusch des Aufschlags wartete.
Es kam als schrilles, kreischendes, berstendes Klanginferno – Metall auf feuchtem Holz, dann Metall auf Stein. Auf einem der wenigen Flecken, die nicht von Avanars berüchtigten Sümpfen bedeckt waren, kam der Fighter mit einem bohrenden Knirschen schließlich zum Halt. Trilby war aufgesprungen und beobachtete das Gelände mit ihrem Fernglas, jetzt auf Nachtsicht gestellt. Die ersten orangegelben Flämmchen züngelten in den Nachthimmel. Ein paar Minuten später roch sie eine Spur beißenden Qualms, unsichtbar im schwindenden Licht.
Noch einen 360er-Rundscan. Eine Patrouille der Konklaven wäre längst hier. Aber der Himmel war leer. Und ruhig.
Ihr Atem und ihr Herzschlag normalisierten sich. Ein verschlagenes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Der Status des Tarks hatte gerade von Bedrohung auf Profit gewechselt.
Sie schätzte, die Absturzstelle war gut zwei Meilen entfernt. Weit, aber nicht zu weit. Nicht für eine Bergung. Bei einem konklavischen Schiff in Not hätte sie längst laut nach Dezi gebrüllt, er solle den Scooter mit einem Erste-Hilfe-Set beladen.
Das hier war ’Sko. Was, soweit sie und jeder andere Kapitän unabhängiger Frachter informiert waren, lediglich ein anderes Wort für intergalaktischen Müll war.
Zwar kostspieliger – und gefährlicher – intergalaktischer Müll, aber letztlich eben doch Müll.
Sie ging ihre Möglichkeiten durch. Die Sonne war gänzlich verschwunden, die Nachtluft strich feucht und schwer um ihre nackten Arme. Der erste der drei Monde Avanars ging auf, blass und träge.
Nicht die besten Bedingungen, um einen Bergungsversuch zu starten, insbesondere, da es sich um einen ’Sko-Fighter handelte. Wenn sie bis morgen wartete, wäre das Feuer an der zerstörten Seite des Tarks sicher erloschen, das Metall wäre schon abgekühlt. Und der ’Sko-Pilot, falls verletzt, würde dann stark geschwächt sein oder vorzugsweise tot. Tot wäre schön. Jeder wusste, dass ein verletzter ’Sko noch blutrünstiger war als ein gesunder. Sie sollte wirklich besser bis morgen warten, allerdings würde sie dann mit den unerbittlich hohen Temperaturen zu kämpfen haben.
Als sie wieder zum ’Sko-Fighter blickte, sah sie das Feuer ausgehen. Gelöscht, vermutlich von einem automatischen Brandschutzsystem.
Das war gut. Das war sogar besser als gut, korrigierte sie sich. Ihr wurde klar, dass sie sich gerade entschlossen hatte, dem abgeschmierten Tark umgehend einen Besuch abzustatten. Trotz der einbrechenden Nacht und des ungewissen Zustandes des Piloten.
Dies war die Lösung für all ihre Probleme. Da das Feuer gleich nach dem Absturz gelöscht worden war, sollte aus dem Tark noch einiges herauszuholen sein. Einiges, was sich in Port Rumor oder Bagrond verkaufen ließ. ’Sko-Komponenten waren schwer zu kriegen und brachten mehr als anständiges Geld, selbst wenn sie aus einer Bergung stammten.
Anständiges Geld aber war Trilby zurzeit nicht vergönnt. Und selbst die Versorgung mit unanständigem Geld befand sich auf gefährlich niedrigem Niveau.
Sie drehte sich um und sah das Blitzen von Dezis sehr menschlich geformter Metallhülle. Der DZ-9-Androide wartete am Fuß der Rampe der Venture. Der voluminöse Frachter wölbte sich fast schützend über ihn. Sie hatten mitten in Reparaturarbeiten gesteckt, als der Alarm einsetzte.
»Sieht aus, als könnten wir Beute machen«, erklärte sie dem Droiden, als sie die schwingende Metallrampe hochstapfte. »Mach zwei Transport-Scooter mit Ladepaletten bereit. Ich besorge uns noch was zum Einheizen, für den Fall, dass wir unerwünschten Besuch bekommen.« Sie klopfte ihm auf die angelaufene Schulter, als sie vorbeiging. »Danke, Dez.«
»Keine Ursache, Captain. Es ist mir immer ein Vergnügen.«
Sie duckte sich durch die Luftschleuse und musste grinsen, als Dezis Stimme in ihr nachklang. Noch vor vier Monaten hatten solche kleinen Höflichkeiten zu massiven Auseinandersetzungen mit Jagan geführt. Denn Jagan hatte sich immer an ihrer Angewohnheit gestört, Dezi zu danken. Aus seiner Sicht waren Droiden Dinge, und Dinge bedurften keiner Anerkennung.
Aber sie musste sich ja nicht länger mit Jagan Grantforths Ansichten beschäftigen, sondern konnte tun und lassen, was sie wollte, egal wie unbesonnen und unverantwortlich es war. Oder wie auch immer Jagan und seine Mutter ihre Art zu leben betitelt hatten.
Sie sah immer noch sein hübsches, arrogantes Gesicht in seiner letzten Nachricht vor sich: »Mutter hat es ja immer schon gesagt. Du bist nichts weiter als zweitklassiger Müll aus Port Rumor.«
Immer noch besser als erstklassiger Müll aus Bagrond, hatte sie ihm entgegnen wollen, es dann aber gelassen. Er hätte es nicht verstanden. An diesem Punkt ihrer Beziehung, so wurde ihr klar, sprachen sie nicht einmal mehr dieselbe Sprache.
Sie schüttelte die...




