E-Book, Deutsch, 350 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
Spieker Landeierforschung
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-98428-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 350 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
ISBN: 978-3-492-98428-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Kapitel 2
Das war gestern gewesen. Und heute war Sonntag und ich saß unglücklich auf dem Sofa und streichelte Kurti. Mike und Katti waren unterwegs und besuchten eine gemeinsame Freundin, während ich nach dem Frühstück verkatert aufs Sofa gekrochen war. Gerade hatte ich mit Max telefoniert und erfahren, dass er Mike und mich auf keinen Fall aufs Land begleiten würde. Inzwischen fragte ich mich nur noch, wie ich aus der Nummer von gestern wieder herauskam. Nüchtern betrachtet fand ich die Provinzurlaub-Idee ehrlich gesagt nur noch scheußlich. Wenn nicht einmal Max mitfuhr, konnte ich mir nichts, rein gar nichts vorstellen, was ich in einem deutschen Durchschnitts-Kaff unternehmen wollte. Welcher Teufel hatte mich gestern nur geritten, dass ich den Mund dermaßen voll genommen hatte? Nie, nie wieder würde ich Gin Fizz trinken! Aber musste ich denn wirklich fahren? Ich konnte doch meinen heiligen Sommerurlaub nicht in öden Dörfern verbringen, nur weil ich ausnahmsweise mal ein Glas zu viel erwischt hatte! Wäre es nicht verrückt, diese dummen Pläne umzusetzen, obwohl ich gar keine Lust darauf hatte? Klar, Mike freute sich auf diese bizarre Landpartie, der hatte heute beim Frühstück schon wieder von ländlichen Stillleben geschwärmt, aber mit dem konnte ich zum Trost einfach ein, zwei Tagesausflüge planen, bei denen wir sozusagen ambulant die Provinz studierten. Nein, ich würde diesen Blödsinn nicht durchziehen, nur um in der Agentur besser dazustehen. Das war doch albern. Ich würde die Notbremse ziehen. Mit diesem Entschluss kullerte ein Felsmassiv von meinem Herzen. Ich bildete mir sogar ein, dass die Symptome meines Katers schlagartig nachließen. Ich würde meine beiden Urlaubswochen einfach wie geplant in Köln verbringen. Ich würde nach Herzenslust shoppen, mich an einen der romantischen Rheinstrände legen, Freunde treffen und einen Roman nach dem anderen verschlingen. Schnell, ehe ich es mir anders überlegen konnte, schnappte ich mir mein Handy und tippte an Katti und Mike: ›Leute, das Thema Dorfurlaub ist gestorben. Ich hab keine Lust darauf und ich werde morgen einfach behaupten, dass das alles nur ein Witz war.‹ Die Antworten kamen prompt. Mike schrieb: ›Schade. Überleg es dir noch mal in Ruhe, ich glaube wirklich, dass wir Spaß haben könnten!‹ Katti schrieb: ›Deine Entscheidung. Ich stehe in jedem Fall hinter dir.‹ Zufrieden lächelte ich in mich hinein. Auf Katti war Verlass. Sie würde mir schon helfen, mein Gerede von Samstag einigermaßen passend darzustellen. Aber je länger ich über die ganze Sache nachdachte, desto mehr hoffte ich einfach, dass meine Kollegen mein Geschwafel sowieso längst vergessen hatten. Diese Hoffnung war leider vergebens. Als Katti und ich am nächsten Tag die Agentur betraten, lungerten Thomas und Oliver wieder mal bei Nicole am Empfang herum. Beim Anblick dieser Gruppe sank meine Laune prompt in den Keller. »Anne, Anne, hast du mal wieder zu tief ins Glas geschaut?« Oliver grinste schadenfroh, als ich ihm entgegentrat. »Thomas hat mir gerade von deinem Ausbruch am Samstag erzählt. Wirst du für solche Exzesse nicht langsam zu alt?« Nicole und Thomas lachten meckernd. Ich hingegen sah zu Boden und schwieg. Zu gern hätte ich mit ein paar treffenden Worten das selbstzufriedene Grinsen aus Olivers Gesicht gefegt. Aber erstens fiel mir absolut nichts ein und zweitens war es sowieso egal, was ich sagte. Gemeinheiten aus meinem Mund perlten an Oliver generell ab wie Wasser an einer nagelneuen Teflonpfanne. Zum Glück sprang Katti für mich ein. »Was hast du denn schon wieder für einen Ton drauf?«, fauchte sie. »Man begrüßt seine Kolleginnen normalerweise, indem man ihnen einen guten Morgen wünscht. Und um deine Frage zu beantworten: Nein. Anne wird keinesfalls zu alt zum Feiern. Darf ich darauf hinweisen, dass du fünf Jahre älter bist als sie?« Das hatte gesessen. Olivers Grinsen fiel in sich zusammen und Nicole und Thomas lachten noch lauter, diesmal allerdings über Oliver. Am liebsten hätte ich Katti geknutscht. »Die hat’s dir aber gegeben, mein Freund«, dröhnte Thomas. »Keine Sorge, damit werde ich geradeso fertig.« Oliver hatte sich wieder im Griff. »Lass uns lieber beim Thema bleiben. Anne, hast du ernsthaft am Samstag behauptet, dass du eine Provinzrundreise planst? Das war doch ein Witz, oder? Du passt ungefähr so gut aufs Land wie unser Thomas hier ins Kloster. Mach doch lieber einen schönen Pauschalurlaub.« Ich schluckte trocken. Nichts machte mich so schnell so wütend wie dieser herablassende Tonfall. Konnte er nicht endlich mal damit aufhören, ständig an mir herumerziehen zu wollen? »Das habe ich ihr auch schon geraten.« Thomas lächelte mich milde an. »Sie hat sich da am Samstag in was reingesteigert. Es erwartet doch keiner, dass sie diesen Quatsch ernsthaft umsetzt.« Leider sprach er genau das aus, was ich gestern gedacht hatte. Ja, ich hatte mich in etwas reingesteigert und nein, es erwartete doch wohl keiner von mir, dass ich diesen Quatsch umsetzte. Aber es kam überhaupt nicht in Frage, das jetzt zuzugeben! Es wurde Zeit, dass ich den Mund aufmachte. »Ich habe mich in gar nichts reingesteigert«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Und ich war auch nicht schwer betrunken. Ich habe einfach nur von meinen Plänen für diesen Sommer erzählt.« »Aber ich dachte …«, begann Katti neben mir und schlug schnell ihre Hand vor den Mund. »Anne-Schatz, auf dem Land gibt es keine schicken Hotels und keine Promenaden und keine Sonnenliegen. Da gibt es nur Felder und Kühe«, erklärte mir Oliver milde. »Glaub mir, du würdest dich zu Tode langweilen. Provinz-Studienreise – das ist absolut nichts für dich.« Warum ließ ich mir eigentlich von meinem Ex-Mann erzählen, was zu mir passte oder nicht? Natürlich wollte ich nicht aufs Land fahren. Aber dass dieser Blödmann das schon beschlossen hatte, bevor ich es verkünden konnte, passte mir überhaupt nicht! »Das werden wir ja sehen«, sagte ich so kühl wie es mir mein wütend rasender Puls erlaubte. »Ich kann dir gern nach meinem Urlaub Bericht erstatten.« »Du tust es wirklich? Jetzt bin ich aber gespannt.« Oliver schüttelte den Kopf. »Aber sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.« »Vielen Dank für deine guten Wünsche.« Meine Stimme triefte vor Ironie. »Ich muss jetzt leider an die Arbeit, hab noch viel zu erledigen, bevor es losgehen kann. Bis später also, man sieht sich. Katti, kommst du?« Katti nickte. Sie sah eindeutig verwirrt aus. »Klar. Natürlich. Tschüss, Jungs. Bis später, Nicole.« Ich wusste, dass ich mir jede Chance auf einen Rückzieher gerade verbaut hatte. Aber komischerweise war mir das in diesem Moment egal, denn auf einmal war ich wild entschlossen, endlich einmal etwas Neues auszuprobieren, egal, wie viel Unbehagen es mir bereitete. Ich wollte endlich einmal etwas tun, womit ich Oliver und den Rest der Agentur verblüffen konnte. Und ein bisschen auch mich selbst. Ja, ich würde diese Provinzreise durchziehen. Und nicht nur das: Ich würde sie sogar zu einem vollen Erfolg machen! Mike war schwer begeistert, dass unsere Reise nun doch stattfinden würde, diesmal unumstößlich und definitiv. Beim Abendessen schwor er mir, dass das die interessantesten Ferien aller Zeiten werden würden. Ich war mir sicher, dass er sich irrte, und sagte ihm das auch, aber Mike war in seiner guten Laune nicht zu bremsen. Mit Grabesmiene ließ ich mich nach dem Essen neben ihm am Notebook nieder und beobachtete ihn dabei, wie er bei Google Maps die Gegend rund um Eisheim sichtete. »Lass uns unsere Reiseziele einfach dem Namen nach auswählen«, schlug er vor. »Wir wissen schließlich nichts über die Gegend, alles ist neu. Und auf irgendwelche Sehenswürdigkeiten sind wir auch nicht aus. Wir lassen uns treiben und inhalieren den Geist der Region.« Ich gab nur ein Brummen von mir, dass er, wenn er wollte, als Zustimmung werten konnte. Mir war völlig egal, wo ich meine zwei Urlaubswochen absitzen musste. Die Dörfer, die Mike schließlich auswählte, lagen recht dicht beieinander. Von Eisheim aus würde es zunächst nach Schönthal gehen, dann nach Hirschsprung, Zweikirchen und zum Schluss wollten wir das herrliche – hahaha! – Kleinenau erforschen. Das größte der fünf Dörfer hatte lächerliche 4300 Einwohner. Während ich mich seufzend daran machte, unsere Zimmer in fünf Landgasthöfen und Pensionen zu buchen, verschwand Mike noch mal in seinem Atelier, dem vierten und hellsten Zimmer unserer Wohnung. Er arbeitete an einem großformatigen Ölgemälde für den Empfangsbereich einer Zahnarztpraxis. »Ich hab zwar heute schon sechs Stunden gemalt, aber ich will den Auftrag unbedingt noch vor dem Urlaub abschließen und hoffentlich auch kassieren. Sonst kann ich mir nicht mal Ferien in Eisheim leisten«, sagte er. Nach jeder abgeschlossenen Buchung fühlte ich mich, als hätte ich einen weiteren Nagel in meinen Sarg getrieben. Es verstand sich von selbst, dass in keinem der ausgewählten Dörfer ein schickes Hotel zur Verfügung stand. Immerhin fand Google trotzdem in allen Orten Fremdenzimmer. Über den Zustand dieser Zimmer gab ich mich keinen Illusionen hin, auf den überwiegend selbst gebastelt wirkenden Webseiten waren fast nie Fotos von Innenräumen abgebildet, was ich verdächtig fand. Dafür waren alle angebotenen Übernachtungsmöglichkeiten unglaublich billig. Diese zwei Wochen auf dem Land würden Mike und mich weniger kosten als zwei Partyabende im Kölner Nachtleben. Eine Ausnahme war lediglich unsere erste Station: In Eisheim würden wir etwas mehr zahlen, aber dafür einigermaßen komfortabel auf einem...