Stahl Bilanz einer Lüge
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-482-72881-5
Verlag: NWB Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Steuerberater-Krimi.
E-Book, Deutsch, 245 Seiten
ISBN: 978-3-482-72881-5
Verlag: NWB Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Darius Schäfers fünfter Fall: Rätselhaftes aus Rheinhessen – Hochspannung nicht nur für Steuerprofis!
Darius Schäfer, Steuerberater im (Un)Ruhestand, könnte ein beschauliches Leben auf seinem Anwesen in den Hügeln der rheinhessischen Schweiz führen. Doch das süße Nichtstun entspricht nicht seinem Naturell und so verstrickt sich der Hobby-Kriminalist in einen Fall, der in den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte wurzelt.
Aus dem Inhalt: Gero Arnold, Druckereibesitzer und Sohn einer ehemaligen Mandantin, ist verzweifelt. Sein Unternehmen steht vor dem Ruin, weil Aufträge sabotiert werden und langjährige Kunden abspringen. Außerdem gehen anonyme Anzeigen wegen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit gegen ihn ein. Arnold ist sich sicher: Dahinter kann nur sein Konkurrent Dieter Knober, ebenfalls Druckereibesitzer in der Region, stecken.
Darius Schäfer ermittelt und gerät in ein Verwirrspiel aus brauner Gesinnung, mysteriösen Familiengeheimnissen und widersprüchlichen Indizien. Nichts scheint zueinander zu passen und auch privat verliert Schäfer den Boden unter den Füßen. Dann geschieht ein Mord und Darius beginnt, die Puzzleteile dieses Falles zu einem stimmigen Bild zu kombinieren, wobei auch seine eigene Geschichte eine entscheidende Wendung erfährt.
Darius Schäfer in Steuerberater-Krimis von Christopher Stahl: Tödliche Veranlagung, Schwarzes Geld für schwarze Schafe, Mörderische Bilanz und Mordsverlust.
Zielgruppe
Steuerberatende Berufe. Finanzbeamte. Interessierte Laien. Rheinhessen-Krimi-Fans. Geschenk für Mandanten und Kollegen. Krimifreunde.
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Donnerstag, 29. März 1945, Friedberg/Hessen
Tiefblauer Himmel, strahlende Sonne und für die Jahreszeit ungewöhnliche 18 Grad zur Mittagszeit luden zu einem erholsamen Spaziergang ein. Die Natur hatte ihre eigenen Gesetze. Sie kümmerte sich nicht um das, was die Menschen sich an unfassbarem Grauen antaten. Es wirkte alles friedlich und doch war die Ruhe trügerisch. An diesem Tag nämlich bewegte sich die sechste US-Panzerdivision unter dem Befehl von Oberst Henry Hanson über die heutige Autobahn A5 von Grünberg in südlicher Richtung. Ihr Ziel war das circa 100 Kilometer entfernte Darmstadt. Auf ihrem Weg kreuzte sie Friedberg. Das kleine Städtchen war bis 1943 vom Krieg verschont geblieben. Erst danach war es zu Luftangriffen gekommen. Als Drehscheibe für Truppentransporte und Lebensmittelversorgung war der Güterbahnhof Hauptangriffsziel der US-Bomber gewesen. Dem schwersten Angriff war die Stadt zwei Wochen vorher, am 12. März, schutzlos ausgeliefert gewesen. Für eine Abwehr war die Stadt nur kläglich ausgerüstet gewesen. Neben leichter Bewaffnung hatten nur ein paar Panzerfäuste und eine 4 cm Flakbatterie zur Verfügung gestanden, die von einer kleinen Einheit der Waffen-SS bedient worden war. Friedberg hätte insofern auch einem Bodenangriff nicht Stand halten können. Dass es jedoch bereits bei Eintreffen der Panzerdivision kapituliert hatte und seiner Bevölkerung ein ebenso verlustreicher wie aussichtsloser Widerstand erspart geblieben worden war, ist auf das beherzte Eingreifen des US-Majors Walter G. Smith und auf die mutige Unterstützung eines jungen Soldaten namens Bernd Wegner zurückzuführen. Der 23-jährige Unterscharführer der Waffen-SS hatte an diesem Tag einen Brief mit der Feldpost erhalten, der ihn trotz der Besetzung Bad Kreuznachs durch die US-Armee aus dem Nahestädtchen erreichte. Es war ein Lebenszeichen seiner Verlobten. Im Oktober 1944 hatten sie sich das letzte Mal gesehen. Fünf Tage Heimaturlaub, nur für sie beide. Der schreckliche Krieg, die Not, das Sterben, das Schreien der Verwundeten, das Heulen der Sirenen – sie hatten es ausgeblendet. Ja, sie hatten sogar Zukunftspläne für die Zeit nach dem Krieg gemacht. Für die Zeit mit ihrem Kind. Im Gegensatz zu vielen anderen, die die Meinung vertraten, in eine solche Welt dürfe man keine Kinder setzen, waren sich beide sicher: „Unsere Zukunft liegt in unseren Kindern. Die haben die Chance, es besser zu machen als wir. Die werden niemals zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.” Und als sei es eine (bio)logische Konsequenz, hatte es das Schicksal so eingerichtet, dass Bernds Verlobte in diesem Oktober 1944 schwanger wurde. Bernd wollte den Brief in angemessener Ruhe lesen. In der Stimmung, die in der Flakstellung am Stadtrand von Friedberg herrschte, wäre ihm das Lesen dieses Briefes wie ein Sakrileg vorgekommen. Verblendet von Durchhalte- und Endsiegparolen und benebelt durch die ständige Einnahme von Pervitin, fantasierten und halluzinierten sich seine Kameraden die Realität des verlorenen Krieges aus den Köpfen. Pathetisch zitierten sie Passagen aus Hitlers letzter Rundfunkrede am 30. Januar: „Wie schwer auch die Krise im Augenblick sein mag”, hatte er verhießen, „sie wird durch unseren unabänderlichen Willen, durch unsere Opferbereitschaft und durch unsere Fähigkeiten am Ende trotzdem gemeistert werden. Wir werden auch diese Not überstehen. Es wird auch in diesem Kampf nicht Innerasien siegen, sondern Europa – und an der Spitze jene Nation, die seit eineinhalbtausend Jahren Europa als Vormacht gegen den Osten vertreten hat und in alle Zukunft vertreten wird: Unser Großdeutsches Reich, die deutsche Nation!” Bernd hatte inzwischen jeden Versuch einer Diskussion, die sich an den Tatsachen orientierte, aufgegeben. Er beteiligte sich auch nicht an den Saufgelagen. Die BDM-Mädchen und Flakhelferinnen, von denen einige glaubten, die Kampfkraft der Truppe durch freizügige Liebesdienste stärken zu müssen oder sogar noch Kanonenfutter für den Führer zu produzieren, waren für ihn tabu. Sein Kopf war klar, sein Verstand hellwach. Seinen Pervitin-Vorrat hatte er anseine Kameraden verteilt. Obwohl man ihnen allen die nationalsozialistische Ideologie in der gleichen Nationalpolitischen Lehranstalt, kurz NAPOLA genannt, eingebläut hatte, existierten die ehemaligen Bindeglieder nicht mehr. Im Gegensatz zu seinen Kameraden glaubte Bernd schon lange nicht mehr an das, was er einmal verherrlicht hatte. Dabei waren er und seine Eltern stolz darauf gewesen, als er 1938 im Alter von 16 Jahren die Aufnahmeprüfung mit Bravour bestanden hatte. Arische Abstammung, so genannte Erbgesundheit und volle körperliche Leistungsfähigkeit waren die Grundvoraussetzungen gewesen, um überhaupt zugelassen zu werden. Bei der Aufnahmeprüfung hatte er zudem mühelos die geforderten Eigenschaften wie Mut, Durchhaltevermögen, Tapferkeit, Fähigkeit zur Einordnung, aber auch zur Übernahme von Führungsaufgaben, unter Beweis stellen können. Sein damaliger Jungmann-Gruppenführer, er war 12 Jahre älter als Bernd, hatte ihn unter seine Fittiche genommen. Schon früh der NSDAP beigetreten, waren Führer, Volk und Vaterland sein Universum. Er war das, was man einen Hundertprozentigen nannte. Ein Foto in seinem Spind dokumentierte, dass er Adolf Hitler schon persönlich begegnet und von diesem durch einen Handschlag geadelt worden war. Bernd Wegener hatte damals zu ihm aufgesehen – er war sein Idol. Die einstige Jungmann-Gruppe der NAPOLA Oranienstein, in Dietz an der Lahn, blieb auch später als Flak-Einheit zusammen. Der Gruppenführer war inzwischen zum SS-Obersturmführer befördert worden und führte sie weiterhin. Doch mittlerweile glaubte Bernd nicht mehr an die, die er einst glühend verehrt hatte. Und so war inzwischen das Selbstverständnis der gemeinsamen Gesinnung verlogenen Kameradschaftsfloskeln gewichen. Es entging ihm auch nicht, dass sie ihn mehr und mehr mit Skepsis beobachteten. Er ahnte, was sich in ihren verwirrten Köpfen abspielte: „Er wird doch nicht zum Vaterlandsverräter? Er wird doch nicht Fahnenflucht begehen?” Bernd konnte ihnen nicht mehr trauen. Vor allem nicht seinem ehemaligen Idol,seinem Gruppenführer. Dessen unerschütterlicher Glaube an den Führer und den Endsieg hatte inzwischen zwanghafte Züge angenommen. Dabei kamen die Schreckensmeldungen, die ihnen die Augen hätten öffnen müssen, doch auch in ihrer Stellung an. So hatte es am 27. Februar bei dem schwersten Luftangriff auf Bernds Heimatstadt Mainz 1.200 Tote gegeben und 33.000 Menschen waren obdachlos geworden. Die Sorge um seine Angehörigen bedrückte ihn mehr, als er es zeigen durfte. Mit wem sollte er darüber reden? Am 2. März hatten amerikanische Einheiten das Sternenbanner auf der Porta Nigra in Trier gehisst. Vierzehnjährige Kinder hatten sich bei ihnen gemeldet. Man hatte sie zur Wehrmacht eingezogen. Mit Panzerabwehrkanonen ausgerüstet und zur Flak abkommandiert, hatten sie die Parolen vom Endsieg und Hitlers „Verbrannte Erde”-Befehl nachgeplappert. Sie hatten die Nachricht bejubelt, dass am 18. März Wehrmachtskommandos sämtliche Brücken im Raum Mainz-Wiesbaden gesprengt hatten. Gestern war die Nachricht durchgesickert, dass sich die Amerikaner von Norden aus dem Raum Gießen kommend nach Süden fortbewegten – die Zange schloss sich. In der Nacht zuvor hatte sich auch noch eine Pionier-Einheit abgesetzt, die den Panzern Widerstand entgegensetzen sollte. Der leitende Kampfkommandant von Friedberg, Hauptmann Wölk, befand sich, wie er selbst gesagt hatte, „in völliger Unkenntnis über die Lage Friedbergs.” In dieser Lage saß der Unterscharführer der Waffen-SS Bernd Wegner von der 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen” auf einem Randstein am Ostrand von Friedberg. Er trug seinen Kampfanzug mit dem Tarnmuster. Neben sich hatte er den mit einem Tarnnetz versehenen Stahlhelm und seine Maschinenpistole MP 40 abgelegt. Bedächtig öffnete er den Umschlag, dessen Absenderadresse die seiner Eltern war. Hatte seine Verlobte etwa in Mainz Zuflucht gesucht? So unvernünftig wird sie doch nicht gewesen sein? Er entfaltete das mit Bleistift beschriebene Papier. Tränen hatten darauf ihre Spuren hinterlassen. Mein Herzallerliebster, ich weiß, daß Du Dir Sorgen um uns machst. Das mußt Du nicht. Für uns ist der schreckliche Krieg vorbei. Keine Angst mehr vor Spitzeln, keine Sirenen, keine Bombennächte mehr, in denen wir in den Radonstollen im Kauzenberg Zuflucht suchen. Die Amerikaner haben Bad Kreuznach eingenommen. Die Parteibonzen sind geflüchtet. Als erster Justus Heber von nebenan. Vorher hat er noch Uniform, Bilder und Abzeichen in seinem Garten hinter dem Haus verbrannt und vergraben. Ich habe das Fenster ...