Straubinger | Schwarz Wald Nacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Straubinger Schwarz Wald Nacht

Kriminalroman
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96041-927-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-96041-927-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine eingeschworene Gemeinde, mysteriöse Todesfälle... und ein lange zurückliegendes Verbrechen.

Sanne Stoll hat geschworen, nie mehr in ihr Heimatdorf im Südschwarzwald zurückzukehren. Neun Jahre später bricht sie diesen Schwur, um an der Beerdigung ihrer Großmutter teilzunehmen. Doch bereits die Fahrt dorthin verheißt nichts Gutes: Eine Frau läuft ihr vors Auto, kurz darauf wird deren Leiche im Wald gefunden und Sanne des Mordes verdächtigt. Um ihre Unschuld zu beweisen, muss sie selbst nachforschen und stößt dabei auf ein abgrundtiefes Familiengeheimnis.

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Prolog August 2010 Das Rauschen in ihren Ohren überschlug sich wie Sturmwellen. Sanne hielt den Atem an, als sie aus ihrem Zimmer schlich und stehen blieb. Dunkel und kalt drang das spärliche Mondlicht durch die vergilbten Vorhänge. Sanne lehnte sich an das Türblatt und zwang sich, nicht panisch zu werden. Sie hatte nur diese eine Chance. Langsam schlich sie los. Die Geräusche aus dem Untergeschoss waren aufdringlich laut. Tellerklimpern, das einsame Gelächter des Vaters, im Hintergrund die »Tagesschau«. Matthias, ihr Bruder, war in ihren Plan eingeweiht und hatte ihr versprochen, die Familie aufzuhalten, sollten sie nach Sanne sehen wollen. Aber Matthias war nur ein Junge. Noch nie hatten sie ihn ernst genommen. Sanne ebenso wenig. Er würde niemanden aufhalten können. Die Oma könnte ins Obergeschoss kommen, um ihr ein Schüsselchen vom Nachtisch zu bringen, denn Sanne war wieder einmal ohne Abendessen ins Bett geschickt worden. Die Mutter könnte ins Obergeschoss kommen, um nach ihr zu sehen. Sanne konnte ihre zuckrig süß verlogenen Worte auf ihrer Zunge schmecken, und ihr wurde schlecht. Hast du deine Lektion gelernt? Warum stellst du dich nur immer so an? Du darfst jetzt runterkommen. Wir sind doch eine Familie. Der Vater könnte ins Obergeschoss kommen, und sie verbot sich die Gedanken daran, was er mit ihr machen würde. Sobald die Geräusche verstummten, war sie sicher. Wenn sich alle auf den »Tatort« konzentrieren würden, würden sie Sanne vergessen. Das Adrenalin legte sich wie Nebel über ihre Angst. Während sie darauf wartete, dass es unten still wurde, starrte sie die sperrige Holzvertäfelung an. Sanne hatte Angst, dass sie etwas vergäße. Sie versuchte, sich abzulenken. Die Vertäfelung war aus einer stolzen Eiche gefertigt, die vor weniger als hundert Jahren vom Opa gefällt worden war. Sie hatte die Geschichte oft gehört und sich gefragt, wie viel von dem eindrucksvollen Baum übrig geblieben war, in dem Holz, zwischen Leim, Farbe und Politur, zwischen all den Dingen, die sich in den Zimmern abspielten. Die Geheimnisse, von denen alle wussten, über die aber niemand sprach. Das Schweigen, das sich dahinter versteckte. Wie viel Baum war da, nach all den Jahren? Wie viele Geschichten von längst vergangenen Zeiten? Sie atmete tief ein und bemerkte die Ruhe, die sich in ihr ausbreitete. Sie war kein Baum, hatte keine Wurzeln mehr. Sie musste nicht hierbleiben. Sie musste nie wieder zurückkehren. Der Onkel hatte es vorgemacht, und Sanne war bereit, ihm in die Ungewissheit zu folgen. Sie lauschte in die Dunkelheit. Unten wurde es langsam stiller. Auf Zehenspitzen ging sie den Flur entlang. Jetzt musste sie sich beeilen. Ein Geräusch. Jetzt war es vorbei. Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst. Aber es war nur Matthias, der mit Tränen in den Augen vor ihr stand. »Ich … ich wollte noch Tschüss sagen«, stammelte er. Sannes Herz wurde schwer. Sie hatte seine Hilfe nur annehmen müssen, weil es keine andere Möglichkeit gegeben hatte. »Hast du ihnen was gesagt?« Sanne versuchte panisch, die Geräusche von unten zu deuten. »Nein. Sie denken, ich gehe aufs Klo. Pass auf dich auf, ja?« Er musste gehen, sonst würden sie Verdacht schöpfen, wollte sie sagen, blieb aber still. Sanne nickte. »Ich bin nicht für lange weg.« »Wenn du weggehst, ist doch eh alles vorbei. Dann bist du frei«, sagte er und lächelte sie hoffnungsvoll an. Als wäre von ihm auch nicht mehr viel übrig geblieben, wie von dem Baum. »Ich hol dich, wenn ich kann.« Sie umarmte ihn fest und spürte, wie sich seine Finger in ihren Rücken krallten. Dass sie nie frei sein würde, nie, nie wieder, sagte sie nicht. Sie war die Ältere. Sie musste auf ihn aufpassen. Matthias ging langsam die Treppe hinunter, und Sanne beobachtete ihn, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Die Geheimnisse der letzten Wochen lagen schwer auf ihr. Sie hatte so vorsichtig sein müssen. Die paar Klamotten, die sie sich in der Stadt gekauft hatte, lagen im Wald unter dem Kletterbaum in einer Plastiktüte, abgedeckt mit Laub und Ästen. Die Zeugnisse hatte sie in der Schule kopieren und beglaubigen lassen. Das Geld, das sie sich dort zusammengeklaut hatte, war in einem Umschlag verstaut. Viel war es nicht. Sie brauchte nur noch ihren Ausweis und die Geburtsurkunde. Und die Bilder. Jetzt stand sie da, mit ihrem alten Rucksack, der sich viel zu leicht für eine Flucht anfühlte, und dem pochenden Herzen in ihrer Brust. Sanne sagte sich in Gedanken: Ich brauche nicht mehr, ich brauche es nicht. Ich brauche nur Matthias, und den hole ich, wenn ich kann. Sobald ich kann. Sofort morgen, wenn ich bei der Polizei Anzeige erstattet habe, dann hole ich ihn, und alles wird gut. Sanne würde kämpfen, bis der Kampf gewonnen wäre. Matthias musste hier genauso raus wie sie. Sie öffnete die Tür zu Opas altem Arbeitszimmer. Die Familie hatte sich stillschweigend darauf geeinigt, in dem Raum alles zu lassen, wie es war. Als Andenken. Aus Furcht. Für die Oma zur Trauer. Inzwischen war Opas Zimmer nur noch voll mit alten Erinnerungen und schlechter Luft. Und sie hatte es auf ihren Ausweis abgesehen, der im Sekretär versteckt war. Matthias hatte ihn vor einigen Wochen in der obersten Schublade des Sekretärs gefunden. Zusammen mit den Bildern. Er hatte nach Geld gesucht, denn der Vater verlor gern mal was im Suff und konnte sich am nächsten Tag nicht daran erinnern. Nach dem Fund war ihr Bruder sofort zu ihr gekommen. Weinend und sich entschuldigend hatte er auf ihrem Bett gesessen und sie angefleht, der Mutter etwas zu sagen, die würde ihr sicher helfen, oder der Vertrauenslehrerin in der Schule. Warum hast du nie was gesagt? Warum lässt du das zu? Wie erträgst du das nur, Sanne? Wie Messerstiche waren diese Fragen, denn sie konnte sie nur mit ihrer eigenen Schwäche beantworten. Sie hatte tief eingeatmet und an alles gedacht und an nichts und an die Vertäfelung im Flur, die einmal ein stolzer Baum gewesen war. Und wie viel von dem stolzen Baum übrig geblieben war und dass die Summe aller Dinge in ihr nicht ausreichte für Mut. Ihre Gedanken waren weitergewandert, zu der Bombe in der Schreibtischschublade. Eine Bombe konnte alles Mögliche sein, solange sie nur sprengte, solange sie nur tötete. Solange der Vater weggesperrt würde. Dafür brauchte man viel Mut, oder allen Mut, und Sanne hatte gerade so viel davon übrig, dass sie nicht durchdrehte. Endlich hatte sie einen Ausweg. Die Bilder, von denen sie wusste, dass sie existierten, aber nicht, wo, oder dass sie so leicht Zugang dazu haben konnte. Jetzt, drei Wochen später, war es so weit. Sanne war auf dem Weg in die Freiheit. Sie verlagerte ihr Gewicht langsam so, dass sie kein Geräusch verursachte. Schnell zog sie die Schublade auf und steckte den Perso in ihre Jackentasche. Ihr fehlte die Zeit, nach der Geburtsurkunde zu suchen. Mit dem Umschlag brauchte sie noch einen Moment. Sie musste auf Nummer sicher gehen. Also zog sie ein Bild hervor, dann das nächste, und schnell hatte sie alle gesehen. Da war sie, die Dokumentation ihres Leidens, die ihr nun helfen würde, ihren Vater zu stoppen. Damit musste ihr der Polizist einfach glauben. Sie schob die Bilder wieder in den Umschlag zurück. Von unten drang das laute Geräusch eines zerberstenden Glases hinauf. Sie erschrak und ließ den Umschlag los. Er fiel unter den schweren staubigen Bücherschrank, den seit Jahren keiner mehr angefasst hatte. Klack. Klack. Weg war er. Der Vater stieg die Treppe mit mächtigen Schritten hinauf. Matthias hatte keine Chance gegen ihn. Sie konnte seine Stimme unten hören, aber die Schritte stoppten nicht. »Papa, soll ich dir ein Bier aus dem Keller holen?« Der Vater ging nicht darauf ein. Sanne wusste: Gleich war er da. Sie kniete sich hin, um den Umschlag zu holen. Er war ihr einziger Beweis. Sie brauchte ihn. Dringend. Sie streckte die Finger lang. Der Dorfpolizist war ein Freund ihres Vaters und würde ihr ohne nicht glauben, niemals. Ihr Herz, das schrie: Lauf! Lauf, so schnell du kannst! Du musst weg, Sanne, einfach nur weg! Sie hielt sich mit der einen Hand am Regal fest, während sie mit den Fingerspitzen der anderen Hand versuchte, an das Papier zu kommen. Staubflusen legten sich auf ihre Finger. Sie konnte das Papier fühlen. Mit der Fingerspitze, ganz wenig nur. Sie konnte es nicht holen, nicht erreichen, nicht greifen. Tränen traten ihr in die Augen. Die Trommelschritte ihres Vaters klangen in ihr wider. Wenn er sie jetzt fände. Gleich wäre er da. Sie wusste genau, was passieren würde, wenn er sie entdeckte. Das letzte Mal hatte sie teuer dafür bezahlt. Eine Woche lang hatte er sie in ihr Zimmer gesperrt. Kein Essen, kein Trinken. Jede Nacht ein Besuch. Sie spürte ihre Beine tagelang nicht. Das ist die Strafe dafür, dass du deinem Vater nicht gehorchst, du undankbares Stück, hatte er ihr immer und immer wieder zugeflüstert. Sanne konnte seinen heißen, von der Anstrengung ruckartigen Atem immer noch in ihrem Nacken spüren. Sie lebte nur noch, weil die Oma ihre Wunden versorgt und Matthias im Laden für sie Lebensmittel gestohlen und sie in ihr Zimmer geschmuggelt hatte. Er hatte ihr auch Wasser gebracht. Matthias. Sie wich zurück, die Tränen in den Augen. Die Bombe war ihr aus der Hand geglitten. Ihr Mut war ebenfalls unter das Regal gerutscht. Ohne die Bilder würde ihr niemand glauben. Vor allem nicht der Polizist. Wenn sie sie jetzt erwischten und herausfanden, dass Matthias ihr geholfen hatte, würde ihr kleiner Bruder leiden. Nein. Das durfte nicht passieren. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Die Geräusche stoppten vor...


Lisa Straubinger wurde 1993 in Ostfildern geboren und hat schon früh ihre Begeisterung für das Erzählen von Geschichten entdeckt. Hätte sie sich nicht für eine Ausbildung als Industriekauffrau entschieden, wäre sie Fotografin, Weltenbummlerin oder Juwelendiebin geworden. Momentan arbeitet sie bei einem mittelständischen Unternehmen als Logistikerin, ihre Leidenschaft gilt aber dem Verfassen von Geschichten. Sie hat über ein Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht und 2019 den Ralf-Bender-Krimipre



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