- Neu
Buch, Deutsch, Band 195, 117 Seiten, Format (B × H): 145 mm x 200 mm, Gewicht: 267 g
Reihe: Lyrik
Mit 20 bildnerischen Arbeiten Suzana Fântânariu und einen Nachwort, Metamorphosen, von Ioana Pârvulescu.
Buch, Deutsch, Band 195, 117 Seiten, Format (B × H): 145 mm x 200 mm, Gewicht: 267 g
Reihe: Lyrik
ISBN: 978-3-86356-420-9
Verlag: Pop, Traian
Metamorphosen
Es mag andere geben, aber ich kenne nur einen einzigen Verleger in Rumänien, der sein ganzes Leben der Poesie gewidmet hat, und zwar ausschließlich der Poesie. Das ist Nicolae Tzone, und die Schreibweise seines Namens, mit Tz, wie Tzara, weist bereits auf die Hauptrichtung des von ihm gegründeten Verlags hin: Avantgardismus. Auch der Name seines Verlags, „Vinea“, deutet auf dasselbe hin: Ion Vinea, ein Freund von Tzara, ist ein Dichter, der eine der bekanntesten Zeitschriften der rumänischen Avantgarde herausgab, „Contimporanul“.
Es braucht Großzügigkeit und Leidenschaft, um Gedichte zu veröffentlichen, und viele junge Leute verdanken ihr Debüt dem Verlag Vinea, aber auch international etablierte Dichter oder Generationskollegen des Verlegers. Wahrscheinlich hätte ein solch konstantes Opfer für die Lyrik nicht überdauern können – der Verlag besteht ununterbrochen seit bereits 35 Jahren – vor allem in einem von den politischen Wirren der Übergangsjahre erschütterten Rumänien, wenn Nicolae Tzone nicht selbst ein Dichter gewesen wäre. Bemerkenswert vor allem die „Trilogie“: „Nikolaus, der Prächtige“ („Nicolae magnificul“), „Das größte Meisterwerk“ („Capodopera maxima“) und „Das andere Leben und der andere Tod“ („Via?a cealalta ?i moartea cealalta“), geschrieben im Laufe des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts.
„Begräbnisse“ ist das neueste Buch von Nicolae Tzone. Es scheint Rimbauds Sonett „Le dormeur du val“ („Der Schläfer im Tal“) entsprungen zu sein. Tzones Gedichte sind eine Kombination von Avantgardismus und Folklore. Vielleicht auch eine mystische Öffnung, aber völlig frei von Unterwürfigkeit oder Angst, oder vielleicht auch nur eine Überschreitung des Realismus, durch ein sehr persönliches „Supra“. Leben und Tod verschmelzen, der ertrunkene Dichter betrachtet vom Himmel aus seinen Körper, der aus dem Wasser gezogen wird und bereit ist, in die Erde einzugehen. Die Gedichte bestehen im Original aus kurzen Zeilen, wie Atemzüge, wie Herzschläge, von einer bis drei Silben, und manchmal sind sie auf einen tropfenden Buchstaben reduziert. Der tropfende Vers unterstreicht grafisch auf anschauliche Weise das Fehlen der Tränen: „niemand / entschließt sich / noch / zu / weinen / mir ist nach / lachen zumute / dass mich niemand / beweint / niemand / niemand / niemand“, und vielleicht erinnert dieses kontinuierliche Fließen an die Wellen des Flusses, der den Ertrunkenen verschluckt hat, und, warum nicht, an die Wellen des vergangenen Lebens. Wenn die Menschen nicht weinen, weint stattdessen Gott, und das scheint eine Art Philosophie des gesamten Gedichtbandes zu sein.
Ist es wirklich der Tod, oder nur eine Traurigkeit, die stärker und schwerer wiegt als der Tod (wie es bei Macedonski der Traum war)? Der Leser wird mit dem Eindruck der Zweideutigkeit zurückgelassen, mit einem Gefühl des Todes, das jedes vage epische Gedicht für die Lyrik öffnet. Ein trotziger, provokanter Ton, typisch für die literarische Bewegung die Nicolae Tzone leidenschaftlich vertritt, ist auch in diesen Gedichten zu spüren, in denen der Mensch mit einem absoluten Superlativ „der Tote der Toten“ ist. Er ist auch „König der Toten“, „Kaiser der Toten“, „der vollkommene Tote“, ‚der Tote mit dem Stirnrunzeln‘, und Gott steht ihm zur Seite, freundschaftlich.
Gleichzeitig wird der Mensch, vielleicht sogar durch den Tod oder nur durch die Traurigkeit des Todes, ein Sohn Gottes. Denn „schwerer als der Tod“, fließt auch die Traurigkeit, wie ein Wasser, durch die Gedichte, aber wird schließlich umgekehrt, und der im Wasser ertrunkene und in der Erde begrabene Mensch macht sich (keineswegs alleine) auf den Weg „im Himmel / in / alle / Richtungen / auf einmal“. Es ist eine subtile Metamorphose des Menschen, eines jeden Menschen, der, in den Worten eines anderen Dichters, von seinen Mitmenschen „lebendig ans Kreuz geschlagen“ wird, und genau das rettet ihn.
Ioana Pârvulescu