E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Oberbayern Krimi
Wilk Chiemsee-Dämmerung
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96041-569-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Oberbayern Krimi
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Oberbayern Krimi
ISBN: 978-3-96041-569-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein regionaler Politthriller der Extraklasse.
Stocker ist einiges gewohnt, aber dieser Job hat es in sich: Dem "Baron", einem einschlägig bekannten Geldwäscher, sind drei Millionen abhandengekommen, die für den Wahlkampf der umstrittenen "Partei für Bayern" bestimmt waren. Das Geld muss wieder her, bevor die Auftraggeber etwas merken – denn die machen unmissverständlich klar, dass sie kein Pardon kennen. Doch in dunklen Ecken rund um den Chiemsee warten schon alte Bekannte auf Stocker, die ihm das Leben zur Hölle machen. Und aus dem Jäger wird ein Gejagter.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
7
In dem tristen Wohnblock war nahezu alles dunkel. Über den drei Eingängen kämpften blasse Lampen gegen den leichten Nebel. Die Beleuchtung der Klingelknopf-Reihen schimmerte matt, und hinter zwei oder drei Fenstern sah man das bläuliche Flackern von Fernsehbildschirmen. Nellie stellte den Motor ab, nahm ihre Handtasche und blickte über die Schulter nach hinten. Oben auf der Hauptstraße fuhren ein paar Autos mit von der Feuchtigkeit singenden Reifen vorbei. Der Wagen, der hinter ihr in die Anliegerstraße eingebogen war, rollte langsam den Hügel hinunter, und sie hörte kurz das Wummern von Bassläufen. Der Fahrer schaute geradeaus, sein Gesicht war ein blasser Fleck hinter der leicht beschlagenen Scheibe. Schnell stieg Nellie aus, schloss die Fahrertür ab und ging mit großen Schritten zum mittleren Eingang des Hauses. Die verschrammte Milchglastür war nur zugezogen, nicht versperrt. Nellie seufzte und überlegte, ob man nicht einen Zettel anbringen sollte: »Tür nach Einbruch der Dunkelheit gefälligst verschließen, ihr Armleuchter!«. Das interessiert die eh einen Dreck, dachte sie. Acht Parteien wohnten in dem Block, davon nur eine deutsch. Aber die waren die nervigsten. Drei Kids im Teeniealter, mit überwiegend Quark in der Birne und onlinespielsüchtig. Die Eltern, beide ohne Arbeit und auch ohne Lust dazu, waren der Meinung, dass man Kinder oder Jugendliche in ihrer Entwicklung nicht einengen durfte. Das umfasste auch die Meinungsfreiheit und die Art der Artikulation. Der Zwölfjährige hatte Nellie und Pia vor ein paar Wochen nachgerufen: »Bahn frei für die Muschileckerinnen. Puh, hier stinkt’s aber jetzt nach Fischsemmeln!« Pia rannte ihm damals wutentbrannt und schreiend hinterher, aber der Pickelzwerg war flugs um die Ecke verschwunden. Nellie stieg grinsend die Treppen hoch in den dritten Stock. Im Treppenhaus roch es selbst um diese Zeit noch schwach nach Speisen aus einem halben Dutzend Ländern dieser Erde. Auch ihre Wohnungstür war nur zugezogen. Der Flur war dunkel. Sie tastete sich vor ins Wohnzimmer und drückte auf den Lichtschalter. Auf dem Tisch die Reste einer Pizza Mozzarella. Zwei leere Bierflaschen standen daneben. Seit wann isst die Pizza und trinkt Bier dazu? Nellie runzelte die Stirn und schaute sich um. Pia lag natürlich schon im Bett. Sie war nicht der Typ Frau, der auf jemanden wartete. Nellie seufzte und ging in die Küche. Aus dem Kühlschrank holte sie sich eine Flasche Tonic, aus dem Schrank ein hohes, dünnes Glas und kehrte damit zurück ins Wohnzimmer, um sich aus der Kommode die Ginflasche zu nehmen. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und von hier oben sah man in den Dorfpark gegenüber der Kirche. Die Außenstrahler waren noch immer eingeschaltet, und sie blickte auf die weißen Stämme der Birken und auf die alte Eiche. Im Haus rührte sich nichts. Sie mischte ihren Drink, trank einen Schluck und setzte sich mit dem Glas in der Hand auf das Sofa. Mit zwei Fingern nahm sie ein Stück von der kalten, aufgeweichten Pizza. Missmutig kaute sie auf dem zähen Käse herum, stand wieder auf und ging über den Flur ins Schlafzimmer. Sie war müde, aber nicht mehr nervös. Leise öffnete sie die Schlafzimmertür, lehnte sich an den Türstock und trank ihr Glas leer. Im Dunkel konnte sie das Doppelbett mehr ahnen als sehen, aber Pia bewegte sich unnatürlich auf dem Bett und stieß einen dumpfen Laut aus. Erschrocken stellte Nellie das Glas auf dem Boden ab und tippte auf den Lichtschalter. »Scheiße, verfluchte Scheiße, was …?« Sie schlug sich mit der Hand auf den Mund, machte einen Schritt rückwärts, stieß mit dem Rücken gegen die Wand und warf dabei mit dem Fuß das Glas um. Pia war nackt, die Beine gespreizt, sodass sich ihr kurz rasierter, schmaler Landing Strip rot wie ein kleiner Teppich von der Blässe der Haut abhob. Die Knöchel fest mit dünnen blauen Kabeln links und rechts an die Bettpfosten gebunden, die Hände an den oberen Balken gefesselt, lag sie da wie ein großes bleiches X. Sie starrte sie mit weit aufgerissenen rot geäderten Augen an. Jetzt erst sah Nellie einen Fetzen ihres roten Höschens aus ihrem Mund hängen. Quer über Mund und die Ohrläppchen zog sich der breite Streifen eines silbernen Klebebandes. Pias Augen waren feucht, aber sie sah eher zornig als verängstigt aus. Wieder kam der dumpfe Laut aus ihrem Mund. Direkt über dem dünnen roten Schamhaarstreifen waren blaue Linien zu sehen. Krakelige Buchstaben, mit einem Filzstift schnell hingeschmiert. Nellie trat näher und las: »1. Warn!« Wieder stöhnte Pia auf und zerrte mit den gefesselten Händen an den Kabeln. Nellie holte tief Luft und erwischte sich dabei, dass ihre Angst einem Verlangen wich, über Pia herzufallen. Sie von oben bis unten abzulecken. Wie sie dalag, mit erigierten Brustwarzen, völlig hilflos und jetzt wütend das Becken hob, konnte sich Nellie nicht bewegen. Schnell schüttelte sie den Kopf, rannte in die Küche und kam mit einer Schere zurück. Mittlerweile knurrte Pia durch den Knebel wie ein wütender Terrier. Nellie beugte sich über das Bett, schnitt zuerst die Fesselung an den Händen, dann um die Knöchel durch. Pia stieß sie vom Bett weg, riss sich das Klebeband von Mund und Kiefer, zog das rote Seidenhöschen aus ihrem Mund und ächzte: »Ahhhh …« Dann schrie sie los: »Fuckfuckfuckfuck. Wo warst du? Schau nicht so blöd! Sie sind weg, du dumme Schlampe. Verfickte Scheiße noch mal! Was hast du mit deinen beiden Eunuchen von der Kneipe jetzt wieder am Laufen, du dumme Fotze?« Sie massierte sich die blauen Striemen an den Handgelenken und deckte sich mit dem Überbett zu. »Wer war das?« »Wer war das? Wer war das?« Pia holte ihre Kleinmädchenstimme heraus: »Das waren ganz böse Onkels. Zwei. Und die haben die brave Tante Pia bedroht. Und die war ganz alleine in ihrem Bettchen. Alleine, weil die beschissene Nellie wieder mal was anderes vorhatte, als früher nach Hause zu kommen.« Nellie setzte sich, wollte sie in den Arm nehmen, aber Pia schlug ihr in hilfloser Wut gegen die Schulter und auf die Brust. »Fass mich nicht an. Verpiss dich. Geh weg!« »Psch … ruhig, mein Schatz. Alles ist okay.« »Nichts ist okay. Gar nichts. Hol mir lieber was zum Anziehen, Macker.« Nellie zog Pias Kopf an ihre Brust und küsste die kurzen roten Haare. »Wenigstens ist dein großes Schandmaul nicht verletzt worden.« »Hast du eine Ahnung.« Pia machte sich zornbebend frei, öffnete den Mund und hauchte Nellie an. »Riech mal. Und dieser Duft kommt von nichts, das wir im Kühlschrank haben. Das kann ich dir garantieren.« Nellie schnupperte und meinte: »Was ist das?« »Das meiste davon habe ich geschluckt. Schlucken müssen. Na, dämmert’s dir jetzt so langsam?« »Haben sie dich …?« »Gefickt? Nein. Auf genau diese Frage habe ich übrigens gewartet. Aber dem einen musste ich einen blasen. Die Sau hat mir seinen ungewaschenen Schwanz in den Mund gesteckt. Erst haben sie mich angestarrt, wie ich so dagelegen habe wie ein Huhn vor der Füllung. Nackt, mit einem Kissen unter dem Arsch.« »Warum das Kissen?« »Weil der Kleinere gemeint hat, jetzt schauen sie sich mal in Ruhe eine rote Lesbenmöse an. Dann hat er in mir rumgefingert, und der Größere hat gesagt, kontaminieren will er sich in meiner Möse nicht, aber er hätte jetzt gerne einen geblasen. Und dann ging’s ab.« Nellie schloss die Augen, aber Pia stupste sie an der Schulter. »Hier, schau mal!« Pia beugte den Kopf zurück und legte den Finger an eine Stelle neben dem Kehlkopf. Nellie sah einen kleinen roten länglichen Schnitt und einen angetrockneten Blutstropfen. »Da hat er mir ein Messer hingehalten. Und gesagt, wenn du beißt, bist du tot. Der andere hat alles gefilmt, mit einem Handy. Da wird der Alte grinsen, hat er gesagt.« Nellie merkte, wie ihr die Tränen hochkamen. Sie wollte Pia wieder an sich drücken, aber die stieß sie zurück. »Heul nicht, du Mädchen. Ich bin es, die hier gelegen hat. Auf dem Rücken, nackt, die Muschi mit dem Scheißkissen hochgelagert, wegen dem Panorama. Und ich bin es, die das Messer an die Gurgel bekommen hat. Ich, nicht du, verstehst du? Und ich konnte nichts machen, nicht schreien, nicht beißen, nichts. Also fang du nicht an zu heulen, sonst hau ich dir sofort eine rein, klar?« Das Telefon im Wohnzimmer läutete. Immer wieder. Verstummte und läutete nach ein paar Sekunden wieder. Nellie ging rüber und hob den Hörer aus der Ladestation. »Ja?« Eine rauchige Männerstimme sagte höhnisch: »Na, wie geht’s?« »Wem?« »Rotmöschen. Mann, hat die eine leckere Spalte. Schade, dass sie am anderen Ufer vögelt. Wer ist denn bei euch beiden der Herr im Haus, du?« »Ja.« »Sehr gut. Dann pass jetzt gut auf, Chef, ich sage dir das nämlich nur einmal: Erzähl deinen Kumpels von der Kneipe, sie sollen den Job machen.« »Welchen Job?« »Verarsch mich nicht, Cowboy. Der Wirt oder was der ist, der war heute bei jemandem, und der hat ihm einen Job angeboten. Das wissen wir, capisce? Hast du die Buchstaben auf dem Bauch deiner Frau gesehen, direkt über der Einflugschneise?« »Ja.« »Weißt du, ich hätte das auch mit einem Messer machen können. Ein Tattoo sozusagen. Hast du selber eigentlich ein Tattoo? Ja? Vielleicht hast du ja einen Pfeil unter dem Nabel, der zu deiner Muschi zeigt, und unter der Spitze steht ›Leck mich‹. Hast du so was?« »Nein.« »Weißt du was? Ich glaube dir das nicht. Aber vielleicht kommen wir ja noch mal zurück, und dann schau ich mir auch deinen...