E-Book, Deutsch, 157 Seiten
Würden-Templin / Schröder / Baltensperger Das Wunder wird wahr
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-95568-622-2
Verlag: Bibellesebund
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
24 Weihnachtsgeschichten - mal besinnlich, mal heiter
E-Book, Deutsch, 157 Seiten
ISBN: 978-3-95568-622-2
Verlag: Bibellesebund
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Katharina Würden-Templin ist Redakteurin der Bibellese-Zeitschrift Pur und Projektkoordinatorin beim Bibellesebund. Ihr Herz schlägt dafür, Gottes Wort unter den Menschen bekannt zu machen - mit leicht verständlichen Bibelerklärungen, schönen Geschichten und kreativen Verkündigungen. Sie lebt mit ihrem Mann im Westerwald, wo sie sich als Prädikantin ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde engagiert. Ihr Lebensmotto steht in ihrem Taufspruch: Psalm 105,1-2.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Titel
Impressum
Herr Krüger hat eine Idee
Wer nichts wird, wird Hirt
Santa Claus is coming to town
Mit Jesus im Supermarkt
Hoffnung teilen
Knecht Ruprecht
Sallys schönstes Weihnachtsgeschenk
Ein besonderer Auftrag
Besuch für den alten Emilio
Der Umsturz
Der Tag, an dem Erwin seine Ruhe verliert
Geschenk mit Nebenwirkungen
Weihnachten auf neuen Wegen
Herzenswünsche
Das Geschenk der Nachbarin
Wie Timmy wieder froh wurde
Ein unvergesslicher Weihnachtsweg
Still und unerkannt
Die Besucherin
Der Fall der verschwundenen Geldkassette
Weihnachten ist überall
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Findet Christmas!
Der Fragebogen
Hinweise für Gruppenstunden
Wer nichts wird, wird Hirt
von Ursula Schröder
Eine Woche vor Weihnachten wurde ich aus der Haft entlassen, und weil meine Mutter nachdrücklich versichert hatte, sie wolle nie mehr etwas mit mir zu tun haben, wusste ich erst mal nicht wohin. Aber dann meldete sich Onkel Heinz und sagte, ich könne vorläufig bei ihm wohnen. Er holte mich mit seinem alten Lada sogar am Bahnhof ab und bot mir an, ich könne mir in der Kleiderkammer seiner Kirche ein paar Klamotten aussuchen. »Du brauchst auf jeden Fall eine warme Jacke«, meinte er, und da hatte er wohl recht.
Aber schon als ich mich in der etwas muffig riechenden Bude umsah, in der die Gemeinde ihr kleines Sozialkaufhaus eingerichtet hatte, bekam ich einen ersten Vorgeschmack davon, wie mein Leben von nun an aussehen würde, denn ich konnte die beiden Mitarbeiterinnen im Nebenraum wispern hören. Natürlich redeten sie über mich. »Drogenprobleme«, konnte ich verstehen, »Tankstelle überfallen« und »Beschaffungskriminalität«. Alles ebenso zutreffend wie unerfreulich.
Das fing ja gut an. Am liebsten wäre ich sofort wieder gegangen, aber das hätte ja auch nichts geholfen. Alle wussten bereits, dass Heinz Makowskis nichtsnutziger Neffe angekommen war, vor dem man seine Geldbörsen, seine Wertgegenstände und vermutlich am besten auch seine heranwachsenden Töchter in Sicherheit brachte.
Onkel Heinz tat, als ob er nichts bemerkte. Aber nachdem er mir großzügig eine Jacke, eine Jeans und ein quasi neuwertiges, wenn auch nicht gerade modisches Paar Winterstiefel bezahlt und mich wieder in sein Auto verfrachtet hatte, sagte er zu mir: »Marvin, das wird jetzt keine einfache Zeit für dich.«
»So sieht’s aus«, brummte ich.
»Kann ich davon ausgehen, dass du keine Drogen mehr nimmst?«
»Ich hab eine Therapie hinter mir, Onkel Heinz. Ich bin clean.« Wobei ich ahnte, dass ich wahrscheinlich immer anfällig bleiben würde, ähnlich wie ein Alkoholiker. Aber auf seinem Hof waren hoffentlich keine Gelegenheiten, um in Versuchung zu geraten.
»Und auch keine krummen Dinger mehr? Versprochen?«
»Versprochen.« Er konnte nicht wissen, wie oft ich mir das schon selbst gelobt hatte. Nie wieder wollte ich einen Knast von innen sehen.
»Gut«, sagte Onkel Heinz. »Dann schlage ich vor, du machst dich erst mal bei mir auf dem Hof nützlich. Im neuen Jahr können wir dann weitersehen.«
Er parkte den Lada im Unterstand und ging mit mir ins Haus, in dem er seit Tante Lenas Tod allein lebte. Ich brachte die Tasche mit meinen Habseligkeiten in das Zimmer meines Cousins Michael, der inzwischen in einem Versicherungskonzern Karriere machte. Seine Tennispokale standen immer noch im Regal und führten mir vor, dass er nie so ein erbärmlicher Versager gewesen war wie ich.
Wie früher war die Wohnküche des Hofes der zentrale Raum des Hauses. Hier wurde ein Kachelofen beheizt, und eine meiner Aufgaben würde es zukünftig sein, dafür Holz zu hacken und den Ofen regelmäßig zu befeuern. »Außerdem kannst du dich um die Schafe und den Stall kümmern«, entschied Onkel Heinz. »Das Melken mache ich vorläufig lieber selbst.«
»Du hast noch Kühe?«, fragte ich erstaunt.
»Ziegen«, korrigierte er. »Wenn du willst, bringe ich dir bei, wie man Käse macht. Aber am besten nicht alles auf einmal.«
Das fand ich auch. Bisher war ich immer nur im Sommer hier gewesen, und ich war überrascht, wie viel es im Winter auf einem Hof zu tun gab. Vielleicht nutzte mein Onkel auch die Gelegenheit, endlich einen Handlanger zu haben, um einiges an liegen gebliebenen Arbeiten zu erledigen; auf jeden Fall fiel ich jeden Abend todmüde ins Bett. Vermutlich musste ich bei ihm härter und länger schuften als jemals im Knast, und auch die Verpflegung war nicht unbedingt besser – Kochen war nicht gerade die Stärke von Onkel Heinz, das hatte früher immer Tante Lena gemacht.
Aber nun stand Weihnachten bevor. Immerhin ein paar ruhigere Tage. Deswegen war ich nicht gerade begeistert, als er mir an Heiligabend direkt nach dem Frühstück schon wieder einen Auftrag gab. »Nimm den Lada und fahr oben in das Wäldchen über dem Haselbach«, ordnete er an. »Und da schlägst du für uns einen schönen Tannenbaum.«
»Tannenbaum?«, wiederholte ich ungläubig. »Du willst einen Weihnachtsbaum? Was soll denn der Quatsch?«
»Das ist kein Quatsch«, knurrte er. »Ich gehe gleich auf den Speicher und suche den Baumschmuck.«
»Onkel Heinz, ich bin kein kleines Kind mehr«, rief ich unwillig. »Ich brauche so was nicht. Und erzähl mir nicht, dass du in den letzten Jahren für dich allein einen Baum geschmückt hast.«
»Hab ich nicht«, musste er zugeben. »Aber dieses Jahr gibt es einen, und in die Christmette gehen wir auch.«
Auf keinen Fall, dachte ich. Mir fielen sofort wieder die Tratsch-Tanten aus dem Sozialkaufhaus ein. Aber mein Onkel war nicht umzustimmen, und so warf ich erst mal das notwendige Werkzeug in den Kofferraum und machte mich auf den Weg.
Schon am Vortag hatte es zu schneien begonnen, und die Strecke war tückisch. Ich fluchte den ganzen Weg, weil ich viel lieber in der warmen Küche geblieben wäre. Als ich am Wäldchen ankam, besserte sich meine Laune wieder. Die Stille, in der ich nur meine Schritte im Schnee knirschen hörte, tat gut. Ich fand die beschriebene Stelle und nahm mir Zeit, um einen schönen Baum auszusuchen, auch wenn ich es nach wie vor albern fand, dass wir beide uns heute Abend vor einen Weihnachtsbaum setzen würden. Ich hatte noch nicht mal ein Geschenk für Onkel Heinz, aber das wusste er bestimmt, weil ich den Ort seit meiner Ankunft nicht mehr aufgesucht hatte.
Ich wuchtete den Baum aufs Dach des Autos und machte mich auf den Rückweg. Aber offensichtlich hatte ich eine Abbiegung verpasst, weil ich plötzlich an der Kreuzung zur Kreisstraße ankam. Das war kein großer Umweg, also bog ich ab und wollte auf diesem Weg zurück zum Hof fahren.
Ich kam jedoch nicht weit, denn kurze Zeit später erkannte ich einen Kombi, der in ziemlicher Schieflage im Graben hing. Da war wohl jemand nicht vorsichtig genug gewesen und auf der eisglatten Straße weggerutscht.
Für den Bruchteil einer Sekunde kämpfte ich mit mir. Mir stand der Sinn absolut nicht danach, auf fremde Menschen zu treffen. Aber dies war keine stark befahrene Straße; es könnte eine Weile dauern, bis das nächste Auto vorbeikam. Also hielt ich vorsichtig an und stapfte zu dem Unfallauto, um zu sehen, ob noch jemand darin saß.
Als ich an die beschlagene Seitenscheibe klopfte, bewegte sich etwas im Inneren. Die Scheibe wurde heruntergelassen, und ich erkannte eine Frau am Steuer mit einem Mobiltelefon in der Hand. Sie war unnatürlich blass und sah aus, als ob sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde.
»Haben Sie schon den Abschleppdienst angerufen?«, fragte ich.
»Würde ich gern«, gab sie zurück. »Aber hier ist kein Netz.« Sie versuchte sich zu bewegen, aber ich hatte den Eindruck, dass sie das nicht gut konnte.
»Sind Sie verletzt?«
»Ich glaube, ich habe mir den Arm gebrochen«, sagte sie mit etwas wackliger Stimme.
Ein Stimmchen fragte vom Rücksitz: »Wer ist das, Mama? Die Polizei?« Dort saß ein vielleicht achtjähriger Junge.
»Nein, das ist ein fremder Mann, Lennart«, erklärte ihm die Frau. »Gut, dass er uns gefunden hat.«
Ich beschloss, die beiden erst mal mit zu Onkel Heinz zu nehmen. Er würde wissen, was zu tun wäre. Vorsichtig half ich der Frau auf den Beifahrersitz – sie schien große Schmerzen zu haben, insofern vermutete ich, dass sie mehr als einen Armbruch abbekommen hatte. Lennart, offensichtlich unverletzt, musste sich zwischen dem Plunder auf der Rückbank einen Platz schaffen. »Hier ist kein Kindersitz«, stellte er fest.
»Das kurze Stück muss es ohne gehen«, erklärte ich ihm und fuhr mit den beiden nach Hause.
Noch nie war mir unsere Küche so schäbig vorgekommen, aber immerhin war sie warm. Onkel Heinz rief den Notruf an und tat dann das, was er im Zweifelsfall immer tat: Tee kochen. Und nach einem genauen Blick auf Lennart schmierte er ihm außerdem ein dickes Wurstbrot.
Ein Auto kam auf den Hof gefahren, wir konnten es durch das Fenster blinken sehen. »Das ist der Rettungswagen«, sagte Onkel Heinz und tauschte einen Blick mit mir. »Ich finde, Marvin und Lennart könnten mal nach den Schafen gucken, während die Mama untersucht wird.«
»Schafe?«, fragte der Junge neugierig. »Ihr habt Schafe hier?«
»Über zwanzig Stück«, antwortete ich und schob ihn aus der Küche. »Und du kannst mir beim Füttern helfen.« Eigentlich war überhaupt keine Fütterungszeit, aber gegen ein bisschen zusätzliches Kraftfutter hätten die Tiere bestimmt nichts einzuwenden.
Es hatte schon wieder zu schneien begonnen, und als wir über den Hof gingen, hinterließen wir Spuren: zwei große von meinen hässlichen Arbeitsschuhen und zwei deutlich kleinere von Lennarts Stiefeln. Ich öffnete die Stalltür und ließ ihn vorgehen. Mit großen Augen trat er an das Gatter, hinter dem sich die Schafe sofort neugierig versammelten. Ich zeigte Lennart, wie er das Futter in den Trog schütten sollte, und gab ihm ein paar Möhren. Er war richtig aufgeregt, dass er die einzeln verfüttern durfte.
»Du bist also ein Schafhirte, Marvin?«, fragte er mich plötzlich.
Ich sah an mir selbst herunter: die dicke gefütterte Joppe von Onkel Heinz, die fleckige Arbeitshose, die Stiefel. Es fehlten nur noch ein Lodencape und ein Stock. »So sieht’s aus«, seufzte ich. Es war nicht gerade die Karriere, die ich mir in Lennarts Alter vorgestellt hatte. Da hatte ich eher von schnellen Autos geträumt und einer dicken Brieftasche, aber einer wie ich brachte so was...