Abbt | "Ich vergesse" | Buch | 978-3-593-50524-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 409 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 213 mm, Gewicht: 521 g

Abbt

"Ich vergesse"

Über Möglichkeiten und Grenzen des Denkens aus philosophischer Perspektive

Buch, Deutsch, 409 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 213 mm, Gewicht: 521 g

ISBN: 978-3-593-50524-4
Verlag: Campus Verlag GmbH


Ich vergesse - Diese erschreckende Feststellung wird innerhalb der Geschichte der Philosophie in unterschiedlicher Weise begleitet von einem philosophischen Staunen; einem Staunen über die eindrückliche und gleichzeitig rätselhafte Fähigkeit des Menschen, an sich selbst Vergessen zu bemerken. Die Untersuchung der Formen individuellen Vergessens führt vor Augen, inwiefern der Mensch seinem Denken selbstbestimmt eine Richtung geben kann und auch, inwieweit dies nicht gelingt. Sie liefert damit einen Beitrag zu einer aktuellen Theorie des Gedächtnisses aus geisteswissenschaftlicher, insbesondere philosophischer Perspektive.
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Inhalt
Einleitung11
I.Der Begriff "Vergessen"
Vorbemerkung25
1.Allgemeiner Sprachgebrauch27
1.1Wortbildung und Wortgebrauch28
1.2Irritationen32
1.3Unterschiedliche Bedeutungen46
1.4Wirkmächtige Metaphern49
1.5Zusammenfassung62
2.Vergessen und Erinnern65
2.1Vergessen als Erinnern67
2.2Vergessen als Nicht-Erinnern(-Können)72
2.3Erinnern als Vergessen77
2.4Erinnern als Nicht-Vergessen(-Können)81
2.5Zusammenfassung88
3.Formen von Vergessen93
3.1Typologien94
3.2Erfahrungen und Selbstreflexion106
3.3Nutzen und Nachteil115
3.4Zusammenfassung126
4.Schlussbetrachtung129
Exkurs I: "Bannwald der Erinnerung" - Zur Poetik des Vergessens 131
II.Anthropologien des Vergessens
Vorbemerkung149
1.Anthropologien in physiologischer oder pragmatischer Hinsicht155
2.Vergessen - psycho-physiologisches Phänomen und Lebensprinzip oder Bedingung und Konstituens selbst-bestimmten Denkens?159
2.1Obliviositas und Oblivio161
2.2Verdrängung und Vergessen169
2.3Veranlagung und Potential173
2.4Dauer und Moment177
2.5Zusammenfassung185
3.Anthropologien des Vergessens in pragmatischer Hinsicht187
3.1Selektion als Form von Vergessen190
3.2Formen von Vergessen und Nachträglichkeit195
3.3Formen von Vergessen und Relativität197
3.4Zusammenfassung199
4.Schlussbetrachtung201
Exkurs II: "Der Hund von 3 Uhr 14", oder: Sprechen und Denken als Formen von Vergessen205
III.Unterschiedliche Paradigmen in Bezug auf das Vergessen nach 1945
Vorbemerkung221
1.Erste Lesart225
1.1Suspekt. Zur Marginalisierung des Forschungsgegenstands "Vergessen" nach 1945227
1.2Wiederentdeckt. Neues Interesse am Forschungsgegenstand "Vergessen" nach 1995239
2.Zweite Lesart245
2.1Fortlaufendes Interesse an Formen von Vergessen246
2.2Formen von Vergessen in philosophischen Ansätzen nach 1995250
3.Schlussbetrachtung261
Exkurs III: Singulär oder vergleichbar? Zum Historikerstreit und zur 'Wahrheit' der Fiktion in Texten von Imre Kertész und Aharon Appelfeld263
IV.Formen von Vergessen und die Möglichkeit kritischen Denkens
Vorbemerkung287
1.Ludwig Wittgenstein: "Aspektsehen" als Form von Vergessen291
1.1Erinnern293
1.2Vergessen und der Moment des Kippens295
1.3Das Denkerlebnis und der Übergang von Entweder-oder und Sowohl-als-auch301
1.4Zusammenfassung303
Exkurs IV: Die Kunst zu erinnern - Vom Denkmal zum "Denk mal!"307
2.Theodor W. Adorno: "Verdinglichung" als Form von Vergessen 315
2.1Verdinglichung als Vergessen317
2.2Verdinglichung als Vergessen des Vergessens321
2.3Die Möglichkeit kritischen Denkens324
2.4Zusammenfassung327
3.Schlussbetrachtung329
V.Vergessen - Ein Resümee
Vorbemerkung335
1.Weder gegensätzlich noch identisch339
2.Weglassen und verlieren341
3.Möglichkeiten und Grenzen des Denkens345
4.Ausblick349
Exkurs V: Recht auf Vergessen? Ethik der zweiten Chance?
Überlegungen zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 13.5.2014351
Bibliographie376


Einleitung
Vergessen. Was ist das? Die Frage nach dem Vergessen mag vielen nicht unmittelbar als eine philosophische und vielleicht auch nicht sofort als eine gesellschaftspolitisch relevante erscheinen. Das wiederum ist bemerkenswert. Der Eindruck, "Vergessen" stelle kein zentrales Thema der Philosophie dar, verweist seinerseits auf eine konkrete historische und kulturelle Situation. Wer einen Blick in die Philosophiegeschichte wirft, bemerkt jedenfalls, dass das Staunen, mit dem bekanntlich die Philosophie beginnt, ein Staunen ist, das u.?a. angesichts der bemerkenswerten Fähigkeit des Menschen einsetzt, sein eigenes Vergessen denken zu können. In den Überlegungen von Sokrates in Platons Dialog Menon wird die Einsicht in das eigene Vergessen als Ausgangspunkt des Lernprozesses vorgestellt, und Aristoteles legt in der Schrift De Memoria et Reminiscentia nahe, dass das Feststellen des eigenen Vergessens eine Form anspruchsvoller Deduktion darstellt. Während alle Lebewesen vergessen und erinnern, zeichnet sich nach Aristoteles der Mensch dadurch aus, sein Vergessen und Erinnern bemerken und das Vergessene, zumindest teilweise, rekonstruieren zu können. Um das eigene Vergessen zu wissen und nach den Formen und Funktionen des Vergessens zu fragen, ist eine außerordentliche Leistung. Darauf verweisen nicht nur philosophische Texte in der Antike. In jüngerer Zeit heben verschiedene wissenschaftliche Publikationen den engen Zusammenhang zwischen individuellen Denkleistungen und Formen von Vergessen hervor.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts und noch einmal verstärkt in den letzten Jahren lässt sich in verschiedenen Wissenschaften ein wachsendes Interesse am Vergessen ausmachen. Nicht etwa Fragen zu Alzheimer und Demenz stehen dabei im Vordergrund, auch wenn die Forschungsliteratur in den letzten Jahren in Bezug auf diese Krankheitsbilder ebenfalls rasant angewachsen ist und das Sensorium für Fragen im Zusammenhang mit Vergessen geschärft hat. Die wissenschaftliche "Wiederentdeckung" des Vergessens ist vor allem von einem neugierigen Blick auf die konstruktiven Aspekte von Vergessen geprägt. Die in der einschlägigen Fachliteratur verwendete Rede von einem "Paradigmenwechsel" in Bezug auf das Vergessen verweist dabei auf einen Kontext, innerhalb dessen Vergessen vorwiegend als Defizit vorgestellt worden war.
Die Auffassung, "Vergessen" könne kaum als ein sinnvoll zu diskutierender Gegenstand der Philosophie gelten, geht auf Erfahrungen und Überlegungen zurück, die sich im 20. Jahrhundert etabliert haben. Vergessen wird dabei sowohl philosophisch als auch in der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit in eine deutliche Opposition zu Denken und Erinnern gerückt. Diese Setzung wirkt bis heute nach. Erst im Hinblick auf sie macht die Rede von einem "Paradigmenwechsel", der sich gegenwärtig in Bezug auf das Vergessen vollzieht, Sinn. Trotz der Bemühungen verschiedener Wissenschaften, insbesondere der Neurowissenschaften, der Psychologie und der Sozialwissenschaften, um einen möglichst nüchternen Blick auf das Vergessen, gilt dieses in weiten Teilen des gesellschaftlichen Diskurses, aber auch in der Philosophie und Kulturtheorie nach wie vor als das Gegenteil von "Erinnern", "Gedächtnis" und "Denken" und/oder als ein obsoleter Forschungsgegenstand. Ein Ziel der vorliegenden Ausführungen ist es, diesen beiden Vorstellungen entgegenzutreten und sie zu widerlegen. Einerseits geschieht dies im Folgenden durch die Einbeziehung einer historischen Perspektive, die sichtbar macht, dass und wie Vergessen in unterschiedlichen Zeiten und kulturellen Zusammenhängen als Gegenstand philosophischer Reflexion und Analyse ernst genommen und diskutiert worden ist. Damit wird ein Beitrag geleistet zur Erweiterung und Differenzierung eines bisweilen eingeschränkten Vokabulars. "To describe what has been termed 'memory', we need a language, a whole vocabulary - and not the limited terminology offered by current memory discourse." Der Blick in Text


Christine Abbt, Prof. Dr., ist SNF-Förderungsprofessorin für Philosophie an der Universität Luzern.


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