Ali | Liebesheirat | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

Ali Liebesheirat

Roman

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

ISBN: 978-3-608-11836-0
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Yasmin Ghorami ist sich sicher: Mit Joe Sangster hat sie den Mann fürs Leben gefunden. Doch als der Hochzeitstermin näherrückt und Yasmins Eltern auf die unkonventionelle, feministische Mutter von Joe treffen, wirbeln ungeahnte Geheimnisse Yasmins strukturiertes Leben durcheinander. Was als tragikomischer Liebesroman beginnt, entwickelt sich zu einer bewegenden Geschichte über Menschen aus zwei Kulturen, die versuchen, einander zu verstehen.Yasmin und Joe haben große Pläne für die Zukunft. Doch bevor es für die beiden angehenden Ärzte ans Heiraten geht, steht das erste Kennenlernen ihrer Familien an. Und das hat es in sich. Denn während Yasmins traditionsbewusste Eltern schon bei einem Zungenkuss empört den Fernseher ausschalten, hat sich Joes Mutter schon vor Jahren einen Ruf als feministische Ikone erarbeitet. Und tatsächlich hält das Abendessen im noblen Primrose Hill überraschende Entwicklungen bereit. Jedoch völlig anders als gedacht, denn die beiden Familien verstehen sich blendend und zwischen den beiden Müttern des jungen Brautpaars entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft, die mit althergebrachten Mustern und Gewissheiten bricht. Schon bald stehen Yasmin und Joe nicht nur vor der Herausforderung, ihre eigene Beziehung noch einmal neu zu bewerten, sondern auch die Beziehungen zu ihren Eltern auf den Prüfstand zu stellen. Nach über zehn Jahren hat die große britische Erzählerin Monica Ali endlich ihren lang erwarteten neuen Roman vorgelegt. Ein guter Zeitpunkt, um diese außergewöhnliche Autorin zu entdecken. "Monica Ali schreibt mit einer Weisheit und Geschicklichkeit, die nur wenige Autoren in ihrem Leben erreichen"  The Sunday Times 'Eine Autorin mit einem genauen Blick für Details und einem Stil, der scharfe Beobachtungsgabe und Poesie vereint und einen rasant in die Welt des Romans abtauchen lässt.' The Times
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Baba
Um acht bekam sie Hunger. Sie stellte sich vor die verschlossene Küchentür, lauschte dem Zischen und Klappern der Töpfe und überlegte, ob sie hineingehen und Ma helfen oder lautlos wieder nach oben verschwinden sollte. »Komm, Mini«, rief ihr Vater aus dem Wohnzimmer. Er behauptete immer, Mini sei ihr Spitzname, doch außer ihm nannte sie niemand so. »Setz dich zu mir.« Baba schaute nicht von seiner Zeitung auf, als Yasmin sich auf dem Sofa niederließ. »Deine Mutter ist heute mit dem Abendessen ein bisschen spät dran. Sie hat nämlich mindestens zehn Stunden damit verbracht, Shukto, Alu Dom, Dal Pakori, Kachori und was nicht sonst noch alles zuzubereiten. Sie hat sämtliche Gerichte gekocht, die du dir nur vorstellen kannst. Ich habe ihr mindestens fünfzig Mal gesagt, dass wir zum Essen eingeladen sind und nicht etwa vorhaben, einen Imbissstand zu eröffnen, aber hört sie auf mich? Seit Jahren muss ich das aushalten. Diese Frau ist stur wie ein Esel.« Er seufzte und blätterte seine Zeitung um. »Vielleicht können wir ja von jedem Gericht nur ein kleines bisschen mitnehmen«, sagte Yasmin. Aber sie wusste, dass es aussichtslos war. Sie würden nicht etwa einen eleganten Probierteller mit exotischen Delikatessen präsentieren, sondern unzählige Tüten und Taschen voller Tupperdosen und Metallbehälter anschleppen. Und Harriet würde ihre Belustigung natürlich äußerst liebenswürdig kaschieren. »Diesen Begriff hier habe ich noch nie gehört – ›Ghost Surgery‹.« Baba drehte sich zu Yasmin um, weil er wissen wollte, was sie von der Sache hielt. »Hier steht ein ganzer Artikel darüber. Es gibt in Amerika anscheinend mehrere Chirurgen, die wegen einer solchen Operation verklagt worden sind. Möchtest du meine Meinung dazu hören?« Sie bejahte. Unter dem Erkerfenster war schon wieder ein neuer Stapel mit Kram in die Höhe geschossen. Kram wuchs in diesem Haus wie Pilze in einem feuchten, dunklen Wald. Unzählige Kisten und Tüten voller nutzloser Gegenstände, die man in der Garage oder dem Gästezimmer verstauen oder den Nachbarn aufs Auge drücken würde – jedenfalls denjenigen, die nicht die nötige Willenskraft besaßen, um etwas abzuwehren, das ihnen von Mrs. Ghorami aufgedrängt wurde, und sei es auch nur eine gebrauchte Salatschleuder. Sehr wenigen Bewohnern der weißgetünchten, mit Kieselrauputz versehenen Doppelhaushälften im Beechwood Drive war es gelungen, sich dem stetigen Strom zu entziehen, der aus der Hausnummer 23 zu ihnen herübergeschwappt kam. Baba dachte nach. Er hatte die Angewohnheit, beim Denken seine Brille abzusetzen und zusammenzufalten, als ließe sich die Wahrheit nur erkennen, wenn man nach innen statt nach außen schaute. Währenddessen saß er kerzengerade auf dem Holzstuhl vor dem Esstisch aus rissigem Kiefernholz, der ihm als Schreibtisch diente. Über und unter dem Tisch stapelten sich Akten und Schubladen. Eigentlich befand sich sein Büro im sogenannten »Straßenzimmer«. Vor ein paar Jahren war dieser Raum feierlich ausstaffiert worden, als Yasmins Vater zum gleichberechtigten Partner in der Gemeinschaftspraxis ernannt worden war, in der er während der vergangenen zehn Jahre tätig gewesen war. Der Raum war von oben bis unten mit Regalen vollgestellt, in denen sich wissenschaftliche Publikationen und Ringhefter mit Fachzeitschriften aneinanderreihten. In der Mitte stand ein riesiger Schreibtisch aus Mahagoniholz mit Leder- und Messingbeschlägen, zusammen mit einem bedrohlich wirkenden, schwarz gepolsterten Drehstuhl. Wenn Baba der Familie etwas mitteilen oder Arif eine Standpauke halten wollte – wegen seiner Ziellosigkeit oder seiner Weigerung, erwachsen zu werden und Verantwortung für seine Zukunft zu übernehmen –, dann geschah das im »Straßenzimmer«. Doch ansonsten zog Baba es vor, sich zum Lesen an den Esstisch im Wohnzimmer zu setzen, und wenn er dann fernsehen wollte, brauchte er nur seinen Stuhl umzudrehen. Die Bequemlichkeit, die ihm das Sofa oder der Sessel boten, nahm er so gut wie nie in Anspruch. »Es geht hier um die Einwilligung des Patienten, Mini«, sagte er zum Abschluss seiner Erörterungen. »Es reicht nicht, dass der Patient das Formular unterschreibt, es muss eine informierte Einwilligung sein – also eine Einwilligungserklärung auf der Basis einer vollständigen Aufklärung. Und wenn der Patient nicht weiß, wer den Eingriff durchführen wird, dann wurde er nicht hinreichend aufgeklärt.« »Ja, Baba.« Yasmin wusste, dass ihr Vater mehr von ihr erwartet hatte. Wie sollte er seiner Rolle als Lehrer gerecht werden, wenn sie sich nicht auf die Rolle der Schülerin einließ? Aber sie war nicht bei der Sache. In ihrem Magen rumorte es, und zwar nicht nur vor Hunger, sondern auch vor Beklemmung. Während der letzten Wochen war es ihr – wenn auch nur so gerade eben – gelungen, die Angst vor dem Tag, an dem ihre Eltern Harriet kennenlernen würden, in Schach zu halten. Der überwältigende Stress auf der Arbeit hatte geholfen, und bis zu einem gewissen Grad auch die Unbekümmertheit, mit der Joe an die Sache heranging. Harriet würde sich nicht nur von ihrer besten Seite zeigen, nein, sie würde von Yasmins Eltern ganz und gar hingerissen sein, meinte er. Sie liebt dich, das steht außer Frage, hatte er gesagt, aber sie ist auch ein bisschen enttäuscht, dass du nicht noch indischer bist. Deine Eltern dagegen sind so authentisch, dass sie davon geradezu einen Orgasmus bekommen wird. Yasmin versuchte, nicht mehr daran zu denken, doch das Problem ließ sich genauso wenig abschütteln wie die Nachbarskatze, wenn sie auf dem Fenstersims hockte und vor sich hin heulte. Jetzt, da das Aufeinandertreffen der beiden Familien unmittelbar bevorstand, wurde ihr klar, dass sie die völlig falschen Sorgen unterdrückt hatte. Ganz gleich, was Harriet tatsächlich von Shaokat und Anisah hielt, sie würde es sich ganz nach britischer Art nicht anmerken lassen. Und es war im Grunde genommen auch gar nicht wichtig. Die englische Mittelschicht mischte sich nicht in die ehelichen Angelegenheiten ihrer Kinder ein. Doch Harriet Sangster war eine Bedrohung, weil sie die Familie Ghorami womöglich mit dem Thema Sex konfrontieren würde – oder dies vielmehr bereits getan hatte –, und im Gegensatz zum Fernseher ließ sie sich nicht einfach durch einen Knopfdruck zum Schweigen bringen. Was würde geschehen, wenn sie – wie bei Yasmins erstem Besuch in Primrose Hill – darauf bestand, ihre Sammlung indischer Erotika zur Schau zu stellen? Oder wenn sie anfing, über eines ihrer Lieblingsthemen zu reden, wie zum Beispiel die kulturelle Bedeutung der Schambehaarung? Bei der Vorstellung, wie Ma Harriets Buch in den Küchenmülleimer fallenließ, ballte Yasmin die Fäuste. Sie malte sich die lange Heimfahrt am morgigen Abend aus, wie sie schweigend im Auto saßen, während Ma leise auf dem Beifahrersitz vor sich hin weinte und Baba mit starrem Blick nach vorn auf die Straße schaute. Sie stellte sich vor, wie er sie ins Straßenzimmer zitieren und sie dann vor ihm stehen würde, während er in dem schwarzgepolsterten Stuhl saß und sich mit der Zunge die Lippen befeuchtete, was er immer tat, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte. »Das ist ein interessanter Fall«, sagte Baba jetzt. »Hör es dir an und dann lass uns schauen, ob wir nicht zusammen eine Lösung finden. Es geht um einen neunundfünfzigjährigen Mann mit folgenden Symptomen: Fieber, Verwirrungszustände, Thrombozytopenie, Ausschlag und Niereninsuffizienz.« Yasmin lehnte sich vor und tat so, als brächte sie der Sache ihre ungeteilte Aufmerksamkeit entgegen. Aber in Wirklichkeit waren ihre Gedanken schon wieder abgeschweift. Es war absurd, sich solche Sorgen zu machen, das wusste sie nur zu gut. Harriet würde so etwas niemals tun. Sie würde vielmehr voller Stolz ihr kulturelles Feingefühl zur Schau stellen. So viel stand schon mal fest. Und Baba würde ihr niemals die Heirat verbieten, ganz gleich mit wem und ganz gleich, was er von der angehenden Schwiegermutter hielt. Und was Ma betraf, nun, solange sie sich um die Hochzeitspläne kümmern konnte, wäre sie bestimmt glücklich. Ma war stolz darauf, dass ihre Tochter den Sohn einer berühmten Autorin heiratete – einer Autorin, die nicht nur Bücher geschrieben hatte, sondern auch das Libretto zu einer Oper und mehrere Hörspiele, die im Radio gesendet wurden. Das hatte sie jedenfalls zu Yasmin gesagt, genau wie zu den Nachbarn und ihren auf drei Kontinente verteilten Verwandten. An Yasmins übertriebener Besorgnis war einzig und allein Arif mit seinen Sticheleien schuld. »Der Patient fühlte sich bis drei Tage vor seiner Einlieferung vollkommen gesund«, las Baba laut vor. Er liebte die Rätsel zu Krankheitsfällen, die das...


Ali, Monica
Monica Ali wurde in Dhaka, Bangladesh, geboren und wuchs in England auf. Sie ist die Autorin von "Untold Story", "In The Kitchen", "Alentejo Blue"und "Brick Lane", der auf der Shortlist für den Booker Prize stand. 'Liebesheirat' ist ein Sunday Times Bestseller und wurde für den British Book Award nominiert.

Merkel, Dorothee
Dorothee Merkel lebt als freie Übersetzerin in Köln. Zu ihren Übertragungen aus dem Englischen zählen Werke von Edgar Allan Poe, John Banville, John Lanchester und Nickolas Butler.

Monica Ali wurde in Dhaka, Bangladesh, geboren und wuchs in England auf. Sie ist die Autorin von "Untold Story", "In The Kitchen", "Alentejo Blue"und "Brick Lane", der auf der Shortlist für den Booker Prize stand. 'Liebesheirat' ist ein Sunday Times Bestseller und wurde für den British Book Award nominiert.  

Dorothee Merkel lebt als freie Übersetzerin in Köln. Zu ihren Übertragungen aus dem Englischen zählen Werke von Edgar Allan Poe, John Banville, John Lanchester und Nickolas Butler.

Monica Ali wurde in Dhaka, Bangladesh, geboren und wuchs in England auf. Sie ist die Autorin von "Untold Story", "In The Kitchen", "Alentejo Blue"und "Brick Lane", der auf der Shortlist für den Booker Prize stand. »Liebesheirat« ist ein Sunday Times Bestseller und wurde für den British Book Award nominiert.  
Dorothee Merkel lebt als freie Übersetzerin in Köln. Zu ihren Übertragungen aus dem Englischen zählen Werke von Edgar Allan Poe, John Banville, John Lanchester und Nickolas Butler.


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