Andreani / Scott | Für immer ein Teil von mir | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: Dragonfly

Andreani / Scott Für immer ein Teil von mir

Coming-Of-Age
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95967-621-2
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Coming-Of-Age

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: Dragonfly

ISBN: 978-3-95967-621-2
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



182 Tage ohne sie! Seit dem Tod ihrer besten Freundin Ashlyn ist Cloudys Welt leer und einsam. Auch Kyle verliert sich in seiner unendlichen Trauer. Er wäre der Einzige, mit dem Cloudy über ihren Verlust sprechen könnte, doch zwischen ihnen ist etwas geschehen, über das sie für immer schweigen wollten. Dennoch begleitet Kyle sie, als Cloudy beschließt, die drei Menschen aufsuchen, die durch Ashlyns Organspende gerettet wurden. Ein Abschied, aber vielleicht auch ein Neuanfang?

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Cloudy


Es ist nicht so, dass ich nie an Ashlyn denke. Das tue ich.

Vor allem an Tagen wie heute.

So war das früher an Auftrittstagen: Ashlyn und ich trafen uns an meinem Spind und beklagten uns darüber, dass wir unsere Cheerleader-Uniformen im Unterricht tragen mussten. Dann klärten wir, wessen Haarschleife in den Farben Blau und Gelb der Bend Highschool frecher aussah, verdrückten ein paar Müsliriegel und gingen gemeinsam in die Turnhalle.

Und so läuft es heute: Ich sitze allein in der Sporthalle auf dem Boden und versuche, gelben Ballons Leben einzupusten. Wir benutzen sie später beim Staffellauf, weshalb ich sie, sobald ich fertig bin, in einen leeren Mülleimer stopfe. Der Rest der Schulmannschaft ist in der Halle verteilt – beim Aufhängen von Schildern, Drapieren von Kreppbändern und Gesichter-Anmalen.

Früher haben Ashlyn und ich immer geschminkt. Als dann die elfte Klasse begann – dieses Schuljahr also –, sagte ich Coach Voss, wie sehr es mich langweilen würde, auf die Hautporen von Leuten zu starren, während ich ihnen Bärenpfoten auf die Wangen malte, und dass meine Talente vielleicht woanders nützlich sein könnten. Zu diesen Talenten gehört anscheinend auch, Kohlendioxid aus meinem Mund in einen Ballon zu blasen, ohne davon in Ohnmacht zu fallen.

Von meinem Platz an der Seitenlinie aus konnte ich den Rest der Schule hereinmarschieren sehen. Die meisten Schüler haben sich gemäß dem Thema des Wettkampfs kostümiert: Schlagt die Blackhawks in die Vergangenheit! Das ist eine Aufforderung an unsere Basketball-Jungs, die Play-offs zu schaffen. Jeder Klasse wurde ein anderes Jahrzehnt zugeteilt – den Neunten die 1920er-Jahre, den Zehnten die 1950er, den Elftklässlern die 1960er und den Zwölften die heiß begehrten Achtziger.

Während die soundsovielte Madonna die Tribüne hochsteigt, marschieren Lita und Izzy zu mir rüber. Zoë geht zwischen ihnen. Als Teamchefin musste Zoë sich gar nicht verkleiden, aber sie hatte es dennoch gemacht. Und es war mal wieder typisch meine kleine Schwester, dass sie als Dorothy Parker auftaucht, obwohl wahrscheinlich kaum jemand hier die Schriftstellerin aus den Zwanzigern erkennen würde.

Sowie sie bei mir angekommen sind, pustet Lita sich den braunen Pony aus der Stirn. „Zoë meint, ich kann bei einem Auftritt nicht ‚Vollidiot‘ sagen.“

Zoë schnaubt und rückt ihren Hut zurecht – eine Cloche, wie sie ihn heute Morgen genannt hat, obwohl ich gar nicht danach gefragt hatte. „Es ist unfein“, erklärt sie, während sie auf mich runterschaut. „Es würde die ganze enthusiastische Stimmung verderben!“

Wahrscheinlich gibt es für so einen Fall eine Faustregel. Du sollest deine Schwester verteidigen, selbst wenn sie ein Eindringling ist.

Cheerleading war nie Zoës Ding. Immer nur meins. Aber nachdem unsere frühere Teamchefin weggezogen war, schnappte Zoë sich den Job, und zwar ohne mir vorher ein Wort zu sagen. Plötzlich ist sie ganz wild darauf, unsere Spendensammlungen und Busfahrten zu koordinieren, und sie überschreitet damit eine Grenze, von der ich vorher gar nicht wusste, dass sie überhaupt existiert. Und wenn sie eine Regel bricht, dann kann ich das natürlich auch.

„Die Lektion müssen wir im Cheer-Camp übersprungen haben“, erwidere ich schnippisch.

„Genau.“ Izzy lässt sich unter der Fahne mit der Aufschrift Lava Bear Country an der Wand auf den Boden sinken. „Gibt’s eine Liste von Sachen, die wir nicht sagen sollen?“

Ich verknote den letzten Ballon und drücke ihn an meine Brust. „Erektionsschwierigkeiten.“

Nachdenklich tippt sich Lita ans Kinn. „Feucht?“

„Vernaschen“, steuert Izzy bei. „Sekret.“

Ich schaue rasch zu Zoë, auf deren Gesicht sich ein Grinsen ausbreitet.

„Chlamydien!“, ruft sie, während die Schulband einen Song von Prince anstimmt. Die Lautstärke ihrer Stimme lässt mich zusammenzucken.

Doch das spielt keine Rolle mehr, weil „1999“ unser Stichwort ist.

Ich verspüre ein nervöses Flattern im Magen, als ich aufstehe und mich zu Lita, Izzy und den anderen Mädchen auf den Platz in der Mitte begebe. Dort herrscht eine solche Energie, dass meine Haut davon zu kribbeln beginnt. Unser letzter Auftritt war bei den Nationals, den nationalen Cheerleader-Meisterschaften, vor einer Woche und ich bin aufgeregt.

Zarter Lavendelduft steigt mir in die Nase. Ich wirble herum, um Ashlyn zu fragen, wo sie gesteckt hat, und …

Ich sehe ein Mädchen in einem Tellerrock, deren kastanienbrauner Pferdeschwanz wippt, während sie davongeht.

Es ist nicht Ashlyn.

„Was ist los?“ Zoë ist wieder mit ihrem Hut beschäftigt gewesen und hat es daher nicht mitbekommen. Doch ich muss so aussehen, wie ich mich fühle – blutleer, schwerelos, knochenlos –, denn ihre Augenbrauen sind fragend hochgezogen.

„Nichts“, antworte ich und bemühe mich, wie immer zu klingen. Ich streiche meinen weißen, gebügelten Uniformrock glatt, damit sie das Zittern meiner Hände nicht bemerkt. Dann ermahne ich mich zu atmen – das Atmen ist entscheidend.

Shit.

Was soll das?

Es ist jetzt sechs Monate her, dass meine beste Freundin gestorben ist, und nie war ich dermaßen durch den Wind. Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Ich habe mich ganz gut zusammengerissen, und ich bin mir verdammt sicher, auch jetzt nicht die Nerven zu verlieren – nicht vor der ganzen Schule und ungefähr vier verschiedenen James Deans.

Die stickige Sporthallenluft hilft mir nicht gerade, meine geröteten Wangen zu kühlen. „Ich brauch einen Schluck Wasser. Bin gleich zurück.“

Bevor Zoë irgendwas erwidern kann, habe ich mich an einer Gruppe Hippies aus der Elften vorbeigedrängelt. Meine Turnschuhe quietschen auf dem Hallenboden, während ich auf die Mädchenumkleide zulaufe. Darauf konzentriere ich mich. Je lauter es quietscht, desto besser, denn desto schneller renne ich. Um mich herum nehme ich nur noch verschwommene Neonfarben, Pailletten und Kunsthaarperücken wahr.

„Cloudy!“

Als ich meinen Namen höre, halte ich an, obwohl ich schon so nah bei der Umkleide bin. Ich drehe mich um und sehe da Matty Ocie mit diesem typischen Zug um den Mund. Er schenkt mir ein für seine Verhältnisse kleines Lächeln. Die Wattzahl meines erwiderten Lächelns ist im Vergleich dazu nur ein schwaches Flackern.

Zwischen Matty und mir ist die Sache kompliziert. Er mag vielleicht mein Exfreund sein und mich auch schon mal nackt gesehen haben, doch wir können einander immer noch in die Augen schauen. Was auch gut ist, weil seine von einem hübschen M&M-Braun sind und sein Blick mich im Moment aufrechthält.

Mein Puls beruhigt sich so weit, dass ich auch den Rest von ihm zur Kenntnis nehmen kann. Sein schmal geschnittener dunkelblauer Anzug schillert im Lampenlicht, was mir vorher in Spanisch gar nicht aufgefallen war. „Wow.“

„Ich weiß“, meint er und sein Grinsen wird breiter.

„Wer sollst du sein?“

Er seufzt, als hätte er die Frage heute schon oft gehört und deutet auf seine Frisur. „Ich bin JFK! Man beachte den majestätischen Scheitel.“

Er dreht sich im Kreis, um sich von allen Seiten zu zeigen, und da merke ich, dass noch jemand hinter ihm ist. Ein Jahr Übung hat es mir zur zweiten Natur werden lassen, dass ich versuche Kyle zu ignorieren, doch jetzt hat es möglicherweise das erste Mal wirklich funktioniert.

Ein vertrautes Kribbeln durchläuft mich und verebbt schließlich. Ich lasse es nie lange genug dauern, um es zu genießen.

„Hi“, begrüße ich Kyle.

„Hey“, antwortet er.

„Tolle Arbeit, Leute.“ Matty klatscht in die Hände. „Das waren echte Wörter und ihr habt euch dabei beinah angesehen.“

Im Vergleich zu Matty ist Kyle in Jeans und Sweatshirt für das Turnier total underdressed. Er trägt noch nicht mal was in Blau oder Gelb.

„Hast du deine gute Stimmung im Spind gelassen?“, frage ich ihn, allerdings bleibt mir der blöde Scherz fast im Hals stecken. Es gab mal eine Zeit, da wäre das nicht so gewesen, aber das war, bevor Kyle anfing, Ashlyn zu daten. Bevor ich Matty datete – und mich wieder von ihm trennte. Kyle und ich sind wie so eine Vorher-Nachher-Studie. Und wenn man schon sagen kann, dass es zwischen Matty und mir kompliziert war, dann ist mein Verhältnis zu Kyle ungefähr so einfach wie die Kernspaltung.

„Ich muss den Trainer finden“, murmelt Kyle und schlurft davon.

Matty schaut ihm nach und seine Miene spiegelt so vieles wider, das nur ich verstehe. Monatelange Sorge und Furcht um seinen Cousin.

„Wie geht’s ihm?“, will ich von Matty wissen.

Kyle und ich sind zwar nicht befreundet, doch Ashlyn würde auch nicht wollen, dass aus ihrem Freund ein trauriger Epilog wird. Er zerbrach geradezu, als sie starb, aber es ist besser geworden. Das meint zumindest Matty, und er würde in dieser Sache nicht lügen.

„Wahrscheinlich ist er nur nervös“, erwidert Matty achselzuckend. „Slawson lässt ihn heute die Baseball-Prüfungen ansagen. Aber die Frage ist eher“ – und dabei fasst er mich mit einer Hand an der Schulter – „was hast du als Notfallhilfe für deine gute Stimmung? Du bist ja gerade ziemlich davongeprescht.“

Von allen Leuten hätte ich noch am ehesten Matty von meinem Ausrutscher mit Ashlyn erzählen können. Davon dass die Erinnerung mich fast umgehauen hätte und falls ich mir das jemals erlauben würde, ich vielleicht nicht mehr auf die Beine käme. Doch das war nur ein kleines Missgeschick. Es würde nicht mehr passieren. Und außerdem hatte er schon genug...


Scott, Mindi
Mindi Scott und Michelle Andreani lernten sich durch ein Online-Schreibseminar kennen. Sechs Jahre lang begutachteten sie untereinander ihre Texte, wechselten Hunderte und Aberhunderte E-Mails, SMS und Tweets und verstanden sich dabei immer besser - sodass sie schließlich beschlossen, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Mini lebt in der Nähe von Seattle, Michelle in Astoria, New York.

Andreani, Michelle
Mindi Scott und Michelle Andreani lernten sich durch ein Online-Schreibseminar kennen. Sechs Jahre lang begutachteten sie untereinander ihre Texte, wechselten Hunderte und Aberhunderte E-Mails, SMS und Tweets und verstanden sich dabei immer besser - sodass sie schließlich beschlossen, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Mini lebt in der Nähe von Seattle, Michelle in Astoria, New York.



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