Andrews Stadt der Finsternis - Die dunkle Flut
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8758-0
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 02, 320 Seiten
Reihe: Kate-Daniels-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8758-0
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Alle sieben Jahre wird die Stadt Atlanta von einer magischen Flut heimgesucht, die das Gleichgewicht der Mächte gefährlich ins Wanken bringt. Als die Söldnerin Kate Daniels von Curran, dem Herrn der Gestaltwandler, den Auftrag erhält, gestohlene Landkarten aufzuspüren, wird ihr bald klar, dass diesmal weitaus mehr auf dem Spiel steht: Zwei uralte Gottheiten wollen das Aufflammen magischer Energie nutzen, um die Herrschaft der Welt an sich zu reißen. Und wenn Kate sie nicht aufhalten kann, droht die Vernichtung Atlantas ... Fortsetzung der erfolgreichen Urban-Fantasy-Serie mit ihrer charismatischen Heldin.
Ilona Andrews ist das Pseudonym des Autorenehepaars Ilona und Andrew Gordon. Während Ilona in Russland geboren wurde und in den USA Biochemie studiert hat, besitzt Andrew einen Abschluss in Geschichte. Die Nacht der Magie ist ihr erster gemeinsam verfasster Roman, mit dem ihnen der Einstieg in die New York Times-Bestsellerliste gelang.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Das Telefon klingelte mitten in der Nacht. Die Woge der Magie war auf dem Höchststand, daher hätte das Telefon gar nicht funktionieren dürfen, aber es klingelte dennoch, immer und immer wieder, empört, dass es nicht beachtet wurde, bis ich schließlich abnahm.
»Nnnja?«
»Raus aus den Federn, Kate!« Die sonore, kultiviert klingende Stimme am anderen Ende deutete auf einen schlanken, eleganten, gut aussehenden Mann hin – all das, was Jim nicht war. Zumindest nicht in seiner Menschengestalt.
Ich öffnete die Augen gerade so weit, dass ich einen kurzen Blick auf die mechanische Uhr am anderen Ende des Zimmers werfen konnte. »Es ist zwei Uhr früh. Manche Leute schlafen um diese Uhrzeit.«
»Ich habe einen Job für uns«, sagte Jim
Mit einem Schlag saß ich hellwach im Bett. Ein Job – das war gut, ich brauchte dringend Geld. »Die Hälfte.«
»Ein Drittel.«
»Die Hälfte.«
»Fünfunddreißig Prozent.« Jims Stimme bekam einen harten Klang.
»Die Hälfte.«
Am anderen Ende herrschte Schweigen. Mein ehemaliger Gildenpartner dachte nach. »Also gut. Vierzig Prozent.«
Ich legte auf. Im Schlafzimmer war es still. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und durch das Gitter vor dem Fenster fiel Mondschein herein. Das Mondlicht wirkte als Katalysator und ließ, wo der Silberanteil der Legierung mit dem magischen Wehr reagierte, eine bläuliche Patina über die Gitterstäbe glimmen. Hinter dem Gitter schlief die Stadt, Atlanta, dunkel und trügerisch friedlich, wie ein Ungetüm aus einer Legende. Wenn die Woge der Magie erst vorüber war, würde dieses Ungeheuer wieder erwachen – als aufleuchtendes Lichtermeer, von dem ab und an Schüsse herüberhallten.
Gegen Kugeln war mein Wehr nicht gefeit, aber den Wahnsinn der Magie hielt es aus meinem Schlafzimmer fern, was für den Anfang ja auch schon ganz okay war.
Das Telefon meldete sich erneut. Ich ließ es zweimal klingeln, dann nahm ich ab.
»Also gut«, knurrte Jim. »Halbe-halbe.«
»Wo bist du?«
»Auf dem Parkplatz unter deinem Fenster.«
Er rief also von einem Münzfernsprecher an, der ebenfalls nicht hätte funktionieren dürfen. Ich schnappte mir meine Klamotten, die für derlei Gelegenheiten neben dem Bett bereitlagen. »Worum geht’s denn?«
»Um irgend so einen Feuerteufel.«
Eine Dreiviertelstunde später tappte ich durch eine Tiefgarage. Da die Magie das elektrische Licht ausgeknipst hatte, konnte ich die Hand vor Augen nicht sehen.
In den stockdunklen Tiefen der Garage leuchtete ein Feuerball auf. Lodernd und tosend schoss er auf mich zu. Ich sprang hinter einen Betonpfeiler, den Griff meines Wurfmessers in der schweißnassen Hand. Hitze umhüllte mich. Für einen Moment verschlug es mir den Atem, und dann raste das Feuer an mir vorbei und zerstob an der nächsten Mauer in tausend Funken.
Aus den Tiefen der Garage erklang schadenfrohes, meckerndes Gelächter. Ich spähte hinter dem Pfeiler hervor. In der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Wo blieb die Technik, wenn man sie mal brauchte?
Hinter der nächsten Pfeilerreihe hob Jim eine Hand und ahmte mit Daumen und Zeigefinger pantomimisch einen schnatternden Schnabel nach. Er wollte, dass ich diesen Wahnsinnigen, der bereits vier Menschen in qualmende Fleischklumpen verwandelt hatte, in ein Gespräch verwickelte. Okay. Nichts leichter als das.
»Also gut, Jeremy!«, rief ich in die Dunkelheit. »Du gibst mir jetzt den Salamander! Und ich schlag dir dafür nicht den Kopf ab!«
Jim hielt sich eine Hand vors Gesicht und bebte. Es sah aus, als lachte er, aber sicher konnte ich mir da nicht sein, denn im Gegensatz zu ihm verfügte ich über kein sehr gutes Nachtsichtvermögen.
Jeremys meckerndes Gelächter steigerte sich ins Hysterische. »Halt die Schnauze, dumme Fotze!«
Jim löste sich von dem Pfeiler und verschwand, Jeremys Stimme folgend, in der Finsternis. Bei schwachem Licht sah er besser als ich, doch in vollkommener Dunkelheit ließ auch seine Sicht ihn im Stich. Dann musste er sich auf sein Gehör verlassen, und das bedeutete, dass ich Jeremy am Reden halten musste. Und während sich Jim an Jeremys Stimme heranpirschte, pirschte sich Jeremy an mich heran.
Kein Grund zur Panik, schließlich war er ja bloß ein mordgieriger Pyromane, der mit einem Salamander in einer verzauberten Glaskugel bewaffnet und darauf aus war, das, was von Atlanta noch stand, auch noch niederzubrennen.
»Also bitte, Jeremy. Dein Wortschatz lässt wirklich zu wünschen übrig. Es gibt so viele schöne Schimpfnamen, mit denen du mich belegen könntest, und das Beste, was dir einfällt, ist ›dumme Fotze‹? Gib mir lieber den Salamander, eh du dir noch wehtust.«
»Du kannst mich mal, du … Nutte!«
Links flammte ein Funke auf. Er schwebte in der Dunkelheit und beleuchtete das schuppige Maul des Salamanders und Jeremys Hände, die die Glaskugel umklammert hielten. Das Zauberglas tat sich auf und entließ den Funken. Als die darin geballte Energie auf Luft traf, wuchs der Funke zu einem Feuerball.
Ich warf mich wieder hinter den Pfeiler, und das Feuer brandete an den Beton. Beiderseits schossen Flammen vorüber. Beißender Schwefelgestank.
»Der ging ja meilenweit vorbei! Das war ja genau so ein Blindgänger, wie du selbst einer bist, Jeremy!«
»Friss Scheiße und stirb!«
Jim musste mittlerweile ganz nah an ihm dran sein. Ich trat hinter dem Pfeiler hervor. »Komm doch her, Schwachkopf! Kriegst du denn gar nichts auf die Reihe?«
Ich sah Flammen, hechtete zur Seite und rollte mich auf dem Boden ab. Über mir heulte das Feuer wie ein wütendes Tier. Der Messergriff verbrannte mir die Finger. Die Luft in meiner Lunge glühte, und mir tränten die Augen. Ich drückte mein Gesicht an den staubigen Beton und hoffte, dass es nicht noch heißer würde, und dann war es mit einem Mal vorbei.
Jetzt reichte es mir. Ich sprang auf und stürzte in Jeremys Richtung. Der Salamander in der Kugel leuchtete auf. Ich sah Jeremys Grinsen über der Glaskugel. Es verschwand schlagartig, als sich Jims dunkle Hände um Jeremys Hals schlossen. Der sank, schlaff wie eine Lumpenpuppe, in sich zusammen, und die Kugel kullerte aus seinen geschwächten Händen …
Ich hechtete danach und fing sie eine Handbreit über dem Betonboden auf. Dann fand ich mich Auge in Auge mit dem Salamander wieder. Rubinrote Augen betrachteten mich mit mäßigem Interesse, schwarze Lippen teilten sich, und eine lange, fadenschlanke Zunge glitt aus dem Maul und leckte über das gläserne Spiegelbild meiner Nase. Ja, du bist mir auch sehr sympathisch.
Vorsichtig erhob ich mich, erst auf die Knie, dann auf die Füße. Nun drang die Aura des Salamanders auf mich ein, bemüht, gefällig zu sein, wie ein verschmustes Kätzchen, das einem den Buckel entgegenreckte, damit man es streichelte. Visionen von Flammenmeeren und Hitzewogen kamen mir in den Sinn. Lass uns irgendwas abfackeln … Schnell drängte ich diesen Einfluss aus meinem Hirn.
Jim ließ Jeremy los, und der Feuerteufel sank wie ein nasser Sack zu Boden. Das Weiße seiner Augen starrte aus seinem ausdruckslosen Gesicht an die Decke, vom Tod kalt erwischt. Dem musste man nicht mehr den Puls fühlen. Mist. Damit war die Fangprämie zum Teufel.
»Du hast doch gesagt, lieber lebend als tot«, murmelte ich. Lebend wäre Jeremy viel mehr wert gewesen. Wir würden zwar dennoch das Kopfgeld kassieren, aber Jim hatte soeben ein Drittel der Summe in den Wind geschossen.
»Stimmt.« Jim drehte die Leiche auf die Seite, sodass wir den Rücken sahen. Zwischen Jeremys Schulterblättern ragte ein dünner Metallbolzen hervor, der am Ende mit drei schwarzen Federn versehen war. Ehe mein Hirn klären konnte, was das bedeuten mochte, hatte ich mich schon zu Boden geworfen, den Salamander mit sicherem Griff in den Händen. Jim gelang es irgendwie, sogar noch schneller in Deckung zu gehen.
Wir starrten in die Dunkelheit. Stille.
Jemand hatte unsere Zielperson mit einer Armbrust erschossen. Dieser Jemand hätte genauso gut auch uns beide umnieten können. Wir hatten mindestens vier Sekunden lang bei der Leiche gestanden. Das war mehr als genug Zeit, um zwei weitere Bolzen abzuschießen. Ich berührte Jim und legte mir dann einen Finger an die Nase. Er schüttelte den Kopf. Bei dem Schwefelgestank, der hier in der Luft hing, war sein Geruchssinn überfordert. Ich lag reglos da und atmete flach. Jetzt galt es, die Ohren zu spitzen.
Eine Minute verging, eine Minute, die sich ewig hinzuziehen schien und in der alles still blieb. Dann erhob sich Jim ganz langsam, ging in die Hocke und wies mit einer Kopfbewegung nach links. Ich hatte vage das Gefühl, dass sich der Ausgang eher rechts befand, traute aber in dieser Dunkelheit, in der uns womöglich immer noch der unbekannte Armbrustschütze auflauerte, eher Jims Sinnen als meinen.
Jim warf sich den toten Jeremy über die Schulter, und dann brachen wir auf, geduckt und schnell, er voran und ich, die kaum etwas sah, hinterher. Betonpfeiler rauschten vorüber – einer, zwei, drei, vier. Dann kehrte mit einem Schlag die Technik zurück, und ehe ich meinen eben erhobenen Fuß wieder absetzen konnte, wich die Magie aus der Welt. Die Leuchtstoffröhren an der Decke sprangen an und tauchten die Tiefgarage in schummriges Kunstlicht. Drei Meter vor uns klaffte das dunkle Rechteck des Ausgangs. Jim hechtete hinein. Ich sprang nach links, hinter den nächsten Pfeiler. Der Salamander in der...




