Andrews Stadt der Finsternis - Duell der Schatten
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8747-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 03, 336 Seiten
Reihe: Kate-Daniels-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8747-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nachdem sie dem Orden der Ritter der mildtätigen Hilfe beigetreten ist, kann sich die Söldnerin Kate Daniels vor übernatürlichen Katastrophen kaum noch retten. Und in einer Stadt wie Atlanta, die von den Gezeiten der Magie beherrscht wird, will das schon etwas heißen! Doch als Kates Freund, der Werwolf Derek, halb tot aufgefunden wird, steht sie einer noch weitaus größeren Herausforderung gegenüber. Bei ihren Ermittlungen erfährt Kate von einem geheimen Turnier zwischen den übernatürlichen Wesen der Stadt. Zusammen mit Curran, dem Anführer der Gestaltwandler von Atlanta, kommt Kate einem finsteren Komplott auf die Spur ...
Ilona Andrews ist das Pseudonym des Autorenehepaars Ilona und Andrew Gordon. Während Ilona in Russland geboren wurde und in den USA Biochemie studiert hat, besitzt Andrew einen Abschluss in Geschichte. Stadt der Finsternis ist ihre erste gemeinsam verfasste Fantasyserie, mit der ihnen der Einstieg in die New-York-Times-Bestsellerliste gelang.
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Kapitel 2
Um drei Uhr früh war ich da.
Saiman bewohnte eine Zimmerflucht im fünfzehnten Stock des einzigen Hochhauses, das in Atlanta-Buckhead noch stand. Die Magie hasste hohe Gebäude – sie hasste einfach alles, was groß und technisch komplex war – und nagte die meisten davon ab, bis nur noch drei, vier Etagen aus Beton und Stahl übrig waren. Die ragten in Midtown traurig hier und da empor, wie die verfallenen Obelisken einer längst vergessenen Zivilisation.
Saimans Wohnsitz, das ehemalige Lenox Pointe, das mittlerweile Champion Heights hieß und im Lauf der Jahre zahlreiche Umbauten erfahren hatte, wurde von einem komplizierten Zauber geschützt, der der Magie suggerierte, bei diesem Haus handele es sich in Wirklichkeit um einen Felsen. Während der Magiewogen sahen Teile des Gebäudes tatsächlich eher wie Klippen aus Granit aus. Und während des Flairs hatten sie auch wirklich aus Granit bestanden. In dieser Nacht, in der die Magie nicht mehr herrschte, wirkte es wieder wie ein ganz normales Hochhaus.
Um Zeit zu sparen, war ich mit Betsi gekommen, meinem Benzin schluckenden Subaru. Da die Woge der Magie gerade erst vorüber und diesmal recht schwach ausgefallen war, konnte man davon ausgehen, dass die Technik mindestens ein paar Stunden lang die Oberhand behalten würde. Ich parkte meine ramponierte Rostlaube zwischen allerhand schnittigen Schlitten, für die man jeweils mehr als das Doppelte meines Jahreseinkommens hätte hinblättern müssen, und stieg die Betontreppe zu dem mit Stahlplatten und Panzerglas gesicherten Eingang hinauf.
Dabei blieb ich mit der Schuhspitze an einer Treppenstufe hängen und wäre beinahe gestolpert. Na toll. Saiman war beängstigend intelligent und wachsam, bei einem Gegner stets eine gefährliche Kombination. Ich musste auf der Hut sein. Stattdessen war ich so müde, dass ich Streichhölzer gebraucht hätte, um meine Augen offen zu halten. Wenn ich nicht schnell wach wurde, konnte diese Nacht für Derek ein bitterböses Ende nehmen.
Wenn ein Gestaltwandler in die Pubertät kam, wurde er entweder zum Loup oder folgte dem Kode. Zum Loup zu werden bedeutete, der Bestie, die in einem steckte, freien Lauf zu lassen und in einen Abgrund von Mord, Kannibalismus und Wahnsinn zu schlittern, bis man irgendwann schließlich von Reißzähnen, Klingen oder einem Silberkugelhagel aufgehalten wurde. Dem Kode zu folgen bedeutete dagegen eiserne Disziplin und strikte Konditionierung. Sich diesem Lebensstil zu unterwerfen war die einzige Möglichkeit, wie ein Gestaltwandler in der menschlichen Gesellschaft funktionieren konnte. Dem Kode zu folgen bedeutete auch, sich einem Rudel anzuschließen. In diesen Rudeln herrschte absolute Hierarchie, und auf ihren Alphatieren lastete eine immense Verantwortung.
Das Rudel von Atlanta war eins der größten im ganzen Land. Nur die Ice Fury von Alaska zählte noch mehr Mitglieder. Und die Gestaltwandler von Atlanta zogen jede Menge Aufmerksamkeit auf sich. Dabei vergaßen die einzelnen Mitglieder des Rudels nie, dass die Allgemeinheit in ihnen nichts weiter als Bestien sah, und sie taten, was sie konnten, um einen unscheinbaren und gesetzestreuen Eindruck von sich zu verbreiten. Nicht gebilligte kriminelle Aktivitäten wurden unverzüglich und drakonisch bestraft.
Dabei erwischt zu werden, wie er in Saimans Wohnung einbrach, konnte für Derek ausgesprochen schmerzhafte Konsequenzen haben. Saiman verfügte über beste Beziehungen, und wenn er wollte, konnte er ein Riesentrara auslösen. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass das Rudel dieser Sache wegen in aller Öffentlichkeit ein blaues Auge verpasst bekam. Die Alphatiere des Rudels, die gemeinsam den Rudelrat bildeten, waren, seit sie von dem gewaltsamen Todesfall erfahren hatten, wahrscheinlich ohnehin schon auf hundertachtzig. Es war jetzt nicht der richtige Moment, um ihnen zusätzlich auf die Nerven zu gehen. Ich musste Derek aus der Wohnung herausbekommen – so heimlich, still und leise, wie’s nur ging.
Am Eingang des Hochhauses angelangt, klopfte ich an das Stahlgitter. Aus einem gepanzerten Wachtposten, der sich in der Mitte des Marmorfoyers befand, richtete ein Angestellter eine Kalaschnikow auf mich. Ich nannte ihm meinen Namen, er betätigte den Türöffner und ließ mich herein. Ich wurde also erwartet. Wie nett von Saiman.
Der Aufzug beförderte mich in die fünfzehnte Etage und entließ mich auf einen luxuriös anmutenden Flur mit einem überaus flauschigen Teppichboden. Ich ging zu Saimans Wohnungstür, und als ich den Finger nach dem Klingelknopf ausstreckte, öffnete sich das Schloss mit leisem Klicken.
Die Tür ging auf, und vor mir stand Saiman. Er hatte seine neutrale Gestalt angenommen, die er im Umgang mit mir meist anlegte: ein mittelgroßer, schlanker, kahlköpfiger Mann in einem weißen Trainingsanzug. Sein leicht gebräuntes Gesicht war ebenmäßig, zeigte aber keinerlei Ausdruck. Ihm ins Gesicht zu sehen war, als betrachtete man eine leicht spiegelnde Oberfläche: Er liebte es, die mimischen Eigenarten seiner Gesprächspartner zu imitieren, da er wusste, dass er sie damit leicht aus dem Konzept bringen konnte.
Seine Augen jedoch waren ebenso bemerkenswert wie sein Gesicht ausdruckslos. Sie waren dunkel und von einem agilen Intellekt erfüllt. Gegenwärtig funkelten sie belustigt. Genieße es, solange du noch kannst, Saiman. Ich habe mein Schwert mitgebracht.
»Kate! Wie schön, dich zu sehen!«
Kann ich meinerseits nicht gerade behaupten. »Derek?«
»Komm doch bitte herein.«
Ich betrat die Wohnung, ein monochromes Designerambiente aus ultramodernen Linien und weichen, weißen Polstern. Sogar der Loup-Käfig, in dem Derek saß, passte bestens zum Chromstahl und Glas des Couchtischs und der Leuchten.
Derek sah mich an. Er regte sich nicht und gab keinen Ton von sich, aber sein Blick fixierte mich und ließ mich nicht mehr los.
Ich ging zu dem Käfig. Derek schien unversehrt. »Bist du verletzt?«
»Nein. Du hättest nicht herkommen sollen. Ich habe hier alles im Griff.«
Ich machte mir offenkundig ein völlig falsches Bild von der Lage. Jeden Augenblick würde er aufspringen, die fünf Zentimeter dicken Gitterstäbe aus Silberlegierung beiseitebiegen, obwohl Silber für Gestaltwandler das reine Gift war, und sich heldenhaft auf Saiman stürzen. Jeden Augenblick.
Ich seufzte. Lieber Gott, bitte verschone mich mit der Tapferkeit adoleszenter Idioten.
»Kate, nimm doch bitte Platz. Möchtest du etwas zu trinken?« Saiman ging an die Hausbar.
»Ein Wasser bitte.«
Ich zog Slayer aus der Scheide auf meinem Rücken. Auf der langen, schlanken Klinge fing sich das Licht der elektrischen Lampen. Saiman sah von der Bar zu mir herüber. Kennst du mein Schwert schon, Saiman? Für manche ein tödliches Vergnügen.
Ich legte Slayer auf den Couchtisch, setzte mich auf die dazugehörige Couch und betrachtete Derek. Mit seinen neunzehn Jahren wirkte der Werwolfwunderknabe immer noch ein klein wenig tollpatschig – mit seinen langen Beinen und dem schlanken Leib, der aber schon die männlichen Proportionen ahnen ließ, die er binnen weniger Jahre annehmen würde. Das dunkelbraune, schimmernde Haar trug er ganz kurz geschnitten. Sein Gesicht, das gegenwärtig grimmig blickte, besaß jenen bestimmten Typus frischer, verträumter Schönheit, bei deren Anblick junge Mädchen – und wahrscheinlich auch manche ihrer Mütter – fast unweigerlich dahinschmolzen. Als wir uns damals kennenlernten, war er lediglich hübsch gewesen, mittlerweile aber versprach er, sich zu einem richtigen Herzensbrecher zu mausern. Vor allem von seinen Augen ging eine beträchtliche Gefahr für die holde Weiblichkeit aus: Sie waren groß und dunkel und von so langen Wimpern gerahmt, dass ihre Schatten bis auf die Wangen reichten.
Es war eigentlich erstaunlich, dass er überhaupt am helllichten Tag vor die Tür gehen konnte. Ich verstand nicht, warum die Polizei ihn nicht festnahm, da die Teenager bei seinem Anblick doch sicherlich gleich reihenweise ohnmächtig hinsanken.
Saiman bumste normalerweise alles, was bei drei nicht auf den Bäumen war. So wie Derek aussah, hatte ich befürchtet, dass ich ihn hier an ein Bett gekettet vorfinden würde – oder Schlimmeres.
»Nach unserem Gespräch ist mir wieder eingefallen, wo ich unseren jungen Freund schon einmal gesehen habe.« Saiman brachte uns zwei Kristallgläser – Weißwein für sich und eisgekühltes Wasser für mich. Ich beäugte das Wasser. Kein weißes Pulver, keine sich auflösende Tablette, kein anderes offensichtliches Indiz dafür, dass irgendetwas damit nicht stimmte. Trinken oder nicht trinken? Das war hier die Frage.
Ich nippte daran. Falls er irgendwas hineingemixt hatte, konnte ich ihn immer noch töten, ehe ich umkippte.
Saiman trank einen Schluck Wein und reichte mir eine zusammengelegte Zeitung. Vor der Wende waren Zeitungen etwas gewesen, das zum Aussterben verurteilt schien. Dann jedoch hatten die Wogen der Magie im Internet Chaos und Verwüstung angerichtet, und seither spielten die Zeitungen wieder ihre angestammte Rolle. In dieser hier sah man auf einem Foto ein düster wirkendes Ziegelsteingebäude hinter einer eingestürzten Mauer. Im Hintergrund lagen einige tote Frauen und ein toter Drache, von dem kaum mehr als das Skelett und ein paar Fleischfetzen übrig waren. Die Schlagzeile lautete: HERR DER BESTIEN BRINGT RED-POINT-KILLER ZUR STRECKE. Ich...




