Apuleius Der goldene Esel
Überarbeitete Ausgabe
ISBN: 978-3-8438-0004-4
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-8438-0004-4
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Ich-Erzähler Lucius kommt während einer Geschäftsreise ins Hexenland Thessalien und möchte dort mehr über Magie erfahren. Dabei kommt es zu einer Zauberpanne und er wird in einen Esel verwandelt. Als Esel muss Lucius viele Abenteuer bestehen und auch leidvolle Erfahrungen machen, bis ihm die Flucht gelingt und er aus der Hand eines Isis-Priesters eine Rose frisst, und dadurch seine menschliche Gestalt zurückerhält. Die "Metamorphosen", seit Augustinus bekannt als "Der goldene Esel", sind das einzig vollständig erhaltene Beispiel des komisch-realistischen Romans der Antike. Eingang in das kulturelle Gedächtnis fanden auch die vielen integrierten Erzählungen, die sich im Lauf der Rezeption verselbstständigten: Das Märchen von Amor und Psyche oder die Novelle vom Ehebrecher im Fass, die in Boccaccios Decamerone auftaucht. Apuleius hat den gesamten Roman im "milesischen Stil" - frivole Geschichten mit teilweise derber Erotik -, wie es in der Antike beliebt war, verfasst.
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Erster Teil
Erstes Buch
Ich will dir, lieber Leser, in diesem milesischen Märchen allerhand lustige Schwänke erzählen – ein wahrer Ohrenschmaus für dich, der du einem Buch, das in dem kurzweiligen ägyptischen Ton geschrieben ist, gern deine Aufmerksamkeit schenkst. Auch sollen dir darin Wunder begegnen, wie Leute in andere Gestalten verwandelt werden und manche dann wieder in ihre eigentliche Daseinsweise zurückkehren. Ich fange gleich an. Doch vorher noch ein Wort darüber, wer bin ich. Mein Geschlecht ist uralt und auf dem attischen Hymettos, dem ephyräischen Isthmos und dem spartischen Tänar, diesen seligen, in den Schriften der glänzendsten Genien ewig blühenden Gefilden, zu Hause. Dort, besonders aber in Attika, bin ich auch erzogen worden. Nachher zog ich in die Hauptstadt Latiens. Aus Verlangen, die römische Literatur kennenzulernen, machte ich mich an die Sprache des Landes und studierte sie mit unsäglicher Mühe und Fleiß, jedoch ohne die geringste Anweisung. Deshalb, mein Leser, bitte ich dich hier im Voraus um Verzeihung, wenn ich etwa, als Ausländer, hin und wieder in dieser fremden Sprache Fehler mache. Ich bediene mich derselben nur, weil etwas Kauderwelsch dem Komischen des Stoffes erst recht entgegenkommt und es mir allein um deine Erheiterung geht. Das Märchen stammt übrigens aus Griechenland. Jetzt beginnt es. Gib Acht, es wird zu lachen geben. Ich unternahm vor einiger Zeit in bestimmten Angelegenheiten eine Reise nach Thessalien, wo ich ebenfalls ein hohes Ansehen genieße, wegen meiner mütterlichen Abstammung vom berühmten Plutarch und von dessen Neffen, dem Philosophen Sextus. Nachdem ich auf meinem treuen einheimischen Schimmel manch steiles Gebirge, manch schlüpfriges Tal, manche betaute Wiese und holprige Ebene zurückgelegt hatte und er nun ganz erschöpft war, ich mir aber die Müdigkeit vom Sitzen durch etwas Laufen vertreiben wollte, so stieg ich ab, wischte mit Laub den Schweiß vom Pferde, rieb ihm die Ohren, zäumte es ab, ließ es sich ein wenig verschnaufen und schlenderte Schritt für Schritt voraus. Während es mir nachfolgte und im Vorbeigehen an den Wiesen sich’s wohlschmecken ließ, holte ich zwei Leute ein, die kurz vor mir hergingen. Ich horchte, was sie miteinander schwatzten, als einer von ihnen überlaut auflacht und sagt: »Oh, ich bitte dich, halt doch dein Maul und verschone mich mit so abgeschmackten ungeheuren Lügen!« Das reizte meine ohnehin immer rege Neugier. Ich ergreife also gleich das Wort. »Mit Verlaub, Landsmann«, sage ich, »so gebt mir eure Erzählung zum Besten! Ich mag gern alles mit anhören; nicht eben weil ich so neugierig wär’, sondern bloß, um mich zu informieren. Zugleich wird es uns ja auch beim Schwatzen leichter fallen, den Hügel hier zu ersteigen!« »Nun, Herr«, antwortet der vorige, »da kann er sich wirklich in der Welt an keinen Besseren als an den wenden, wenn ihm mit einer recht dick aufgetragenen Lüge gedient ist; denn was der mir da vorschwatzt, ist just so wahr, als – wie immer behauptet wird – dass man durch gewissen Hokuspokus die Ströme zu ihren Quellen zurücktreiben könne, das Meer fesseln, den Winden ihren Odem nehmen, die Sonne anhalten, den Mond schäumen, die Gestirne herabreißen, den Tag aufheben, die Nacht anhalten und was dergleichen Albernheiten mehr sind!« »Lasst euch dennoch die Mühe nicht verdrießen, weiter fortzuerzählen«, redete ich nochmals und schon mit mehr Zuversicht den andern an. »Sowenig es auch euch da«, wandte ich mich an diesen, »in den Schädel will, so kann es, beim Herkules! darum doch alles sehr wahr sein. Ach, guter Freund, nur allzu oft verwirft unser verkehrter Sinn dasjenige als eine Lüge, was ihm doch nur unerhört, unersehen ist oder was über den Horizont seiner Gedanken hinausgeht und er nicht fassen kann! Prüfte er es nur genauer, so würde er so manches Mal finden, dass es nicht nur ganz begreiflich, sondern auch sehr wohl wahrscheinlich ist! Ich wäre zum Beispiel noch gestern Abend schier an einem Stück Käsekuchen erstickt, weil ich zu gierig aß und zu große Bissen davon nahm, da mir die klebrige Masse derart die Kehle verstopfte, dass ich genug zu würgen hatte, ehe ich wieder Luft bekommen konnte. Und gleichwohl habe ich neulich in Athen mit meinen eigenen Augen einen herumziehenden Marktschreier einen scharfen Degen, die Spitze zuerst, hinunterschlucken sehen! Ja, kurz darauf nahm er sogar einen langen Jagdspieß, stach sich damit für ein Spottgeld, das man ihm gab, tief in den Leib hinein, und das Eisen, das er hier in den Unterleib stieß, kam samt dem Schaft aus dem Genick hinten hoch empor, und oben auf der Spitze ließ sich ein bildschöner Junge sehen, der da mit solch einem Anmut, mit solch einer Gelenkigkeit tanzte und gaukelte, dass wir Zuschauer vor Verwunderung alle Maul und Nase aufsperrten. Wahrhaftig, geschickter hätte sich nicht der edle Drache des Gottes der Ärzte um dessen knotigen Stock herumschlingen können! Wohlan also, Landsmann«, sprach ich zu jenem wieder, »lass mich nicht vergebens bitten! Will euch euer Kamerad nicht glauben, so tue ich’s für ihn mit, und in dem ersten Wirtshaus, in das wir einkehren, bezahle ich aus Erkenntlichkeit eure Zeche.« – »Nicht doch, lieber Herr«, versetzte er, »das verlange ich nicht! Ich kann ihm ja wohl ohnedies meine kleine Geschichte erzählen: Ich will für ihn ganz von vorne wieder anfangen, weil er’s gerne hören mag. Zuvor kann ich’s ihm aber bei der Sonne, die uns bescheint, bei diesem allschauenden Gott schwören, dass alles, was ich ihm da erzählen werde, die helle, klare Wahrheit und mir selbst passiert ist! Er wird auch selber nicht daran zweifeln, wenn er erst in die nächste thessalische Stadt hier kommt, wo es sich öffentlich zugetragen hat und noch in aller Leute Mäuler ist. Lass er sich auch vorher noch sagen, wer und woher ich bin und was mein Gewerbe ist: Ich heiße Aristomenes, bin aus Ägina und treibe in Thessalien, Ätolien, Böotien Handel mit Honig vom Berg Ätna, mit Käse und dergleichen Waren mehr, die in den Gasthäusern gebraucht werden. Mir ist seinerzeit zu Ohren gekommen, dass zu Hypata, der angesehensten Stadt in ganz Thessalien, frischer, wohlschmeckender Käse sehr billig zu haben sei. Ich mache mich eiligst dahin auf, um gleich den ganzen Vorrat wegzuschnappen. Doch ich armer Schelm musste zur bösen Stunde ausgegangen sein, meine Hoffnung, einen ordentlichen Schnitt zu machen, schlug mir fehl; wie ich hinkam, hatte schon tags zuvor Kaufmann Wolf allen Käse weggekauft. Von der unnützen Eile ermüdet, begebe ich mich gegen Abend ins Bad: Siehe, da treffe ich unterwegs meinen alten Kameraden Sokrates. Er saß auf der Erde, mit einem groben, lumpigen Mantel halb behangen, sich selbst fast nicht mehr ähnlich, totenblass und ganz entstellt vor Magerkeit: kurz, vollkommen so wie die Stiefkinder des Glücks an den Ecken um Almosen zu bitten pflegen. In diesem erbärmlichen Zustand schämte ich mich meines Freundes und hätte fast getan, als kennte ich ihn nicht; doch ging ich endlich zu ihm hin: ›Um Himmels willen, lieber Sokrates, was ist das?‹ rief ich, ›wie siehst du aus? Sag mir, was hast du angefangen? Du bist zu Hause als tot ausgeschrien, beweint; die Gerichte haben deinen Kindern Vormünder bestellt, deine Frau hat die Trauer um dich schon wieder abgelegt und um deinetwillen sich so abgehärmt und abgeweint, dass sie beinahe nicht wiederzuerkennen und blind geworden ist; eben dringen alle Verwandte in sie, ihren betrübten Witwenstand lieber gegen die Freuden einer zweiten Ehe zu vertauschen – und jetzt seh’ ich dich hier, zu unser aller größter Schande, wie ein leibhaftiges Gespenst herumziehen?‹ – ›Ach, Aristomenes‹, seufzte er, ›wie wenig musst du noch des Glückes Launen, Unbeständigkeit und Wechsel kennen!‹ – Und bei diesen Worten verbarg er sein Gesicht, das blutrot vor Scham geworden war, so in seine Lumpen, dass kaum noch seine Blöße bedeckt war. Ich konnte den jämmerlichen Anblick nicht ertragen. Ich packte ihn an und will ihn aufrichten; aber mit verhülltem Kopf, wie er war, rief er: ›O lass mich; lass das Glück noch länger den Triumph genießen, den es sich selbst bereitet hat!‹ – Ich bringe ihn trotzdem noch so weit, dass er mir nachgibt, ziehe auch meinen Oberrock aus und bekleide – oder, um recht zu sprechen, bedecke – ihn geschwind damit und eile mit ihm ins Bad. Da stecke ich ihn in die Wanne und wasche ihn erst, schaffe Salbe und Reibtücher herbei und scheuere ihm dann den alten Schmutz tapfer ab, und nachdem ich ihn so auf das Beste gepflegt, geleite ich ihn, da er ganz entkräftet ist, so müde ich auch selbst war und so schwer es mir auch fiel, zu einer Herberge, lege ihn ins Bett und gebe ihm zu essen und zu trinken und suche ihn durch allerhand Gespräche aufzumuntern. Schon waren wir auch wirklich guter Dinge, lachten, scherzten, neckten einander, waren laut, als auf einmal mein Gast schmerzlich aus innigster Brust heraufseufzt, sich mit geballter Faust vor die Stirn schlägt und loslegt: ›Ich Unglücklicher bin bloß durch die vermaledeite Lust, ein Fechterspiel zu sehen, wovon sehr viel geredet wurde, in dieses schmähliche Elend geraten! Denn, wie du weißt, reiste ich, um mir ein bisschen Geld zu verdienen, nach Mazedonien. Kaum habe ich mich da zehn Monate aufgehalten, so ist mein Beutel auch schon so voll, dass ich mich wieder auf den Heimweg begebe. Doch kurz vor Larissa, wo ich durchwollte, um dort eben die verwünschten Fechterkämpfe mit anzusehen, fällt mich eine Straßenräuberbande in einem abgelegenen, winkligen Tale an, und ich muss alles, bis aufs Leben, im Stich lassen. In dieser Not komme ich zu einer braven Gastwirtin mit Namen Meroe. Ich erzähle ihr die Ursachen...




