E-Book, Deutsch, Band 4, 292 Seiten
Bates INSEL DER PUPPEN (Die beängstigendsten Orte der Welt 4)
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-95835-762-4
Verlag: Luzifer-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Horrorthriller
E-Book, Deutsch, Band 4, 292 Seiten
Reihe: Die beängstigendsten Orte der Welt
ISBN: 978-3-95835-762-4
Verlag: Luzifer-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jeremy Bates ist Bestseller-Autor von mehr als einem Dutzend Romanen und Novellen, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Er wurde sowohl mit dem australischen Shadow-Award als auch dem kanadischen Arthur-Ellis-Award ausgezeichnet. Die Romane dieser Serie handeln von realen Orten, an denen unglaubliche Dinge passiert sind. Sie können im Internet über jeden dieser Orte nachlesen.
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Jack
1
Ich sah zuerst Pepper, dann Elizaveta. Sie standen neben einem Baum am Ufer des Kanals.
»Jack!«, sagte Pepper und breitete die Arme aus.
Er lächelte mich breit an, und ich konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Er war einer der fröhlichsten Menschen, die ich kannte, hatte ein Engelsgesicht und funkelnde Augen, die zu seiner glücklichen Persönlichkeit passten. Er war auch einer der modebewusstesten Menschen, die ich kannte. Heute trug er ein bananengelbes Oxford-Shirt, das am Hals offen war, er hatte sich einen lilafarbenen Blazer über die Schulter geworfen, aus dessen Tasche ein gepunktetes Tuch hervorschaute, eine dazu passende lilafarbene Hose, die knitterig und am Saum aufgerollt war, dazu einen weißen Gürtel und farblich dazu passende Slipper ohne Socken.
Wir umarmten uns und schlugen uns auf den Rücken.
Pepper gefiel es immer, wenn jemand sein Outfit kommentierte, also trat ich zurück und sagte: »Mir gefällt deine Jacke, so wie du sie über der Schulter trägst. Sehr Ralph Lauren.«
»Jack«, sagte er, eindeutig entzückt von dem Kompliment, »die schickste Art, eine Jacke zu tragen, ist, sie nicht zu tragen, wusstest du das nicht?«
»Hi, Eliza«, sagte ich und küsste sie auf die Wange. Sie duftete nach Blumen und trug immer noch den Sonnenhut und die übergroße Sonnenbrille. In Kombination mit ihrem pinkfarbenen Top, den weißen Shorts, Armbändern, Keilabsätzen und der Schultertasche aus Leder, hätten sie und Pepper direkt vom Mittagessen in St. Regis kommen können.
Elizaveta schlug mich leicht auf die Brust und wackelte dann mit dem Zeigefinger. »Du bist verrückt«, sagte sie mit ihrem russischen Akzent, der leicht maskulin klang, breit und kühn. Sie ließ die Zigarette fallen, die sie geraucht hatte, und trat sie aus. »Wusstest du das? Sehr verrückt.«
»Das hat man mir schon gesagt.«
»Willst du uns umbringen?«
Sie versuchte, wütend auf mich zu sein, schaffte es aber nicht. Sie presste die Lippen zusammen, um ein kleines Lächeln zu verbergen.
»Jesus hat mich herausgefordert«, sagte ich. »Bist du auch auf ihn wütend geworden?«
»Sehr wütend. Ich denke, dass er auch verrückt ist.«
»Wo ist er überhaupt? Und Pita?«
»Sie sind zur Toilette gegangen.« Elizaveta runzelte beim Anblick des Verbands an meinem Kopf besorgt die Stirn. Sie nahm die Sonnenbrille ab, um ihn besser ansehen zu können. Sie hatte smaragdgrüne Augen, aristokratische Züge mit hohen Wangenknochen, schmale Lippen und langes, dunkles Haar. Während sie wahrscheinlich weiß wie eine Schneeflocke gewesen war, als sie noch in Sankt Petersburg lebte – oder Sankt Peterburg, wie sie es aussprechen würde – war ihre Haut jetzt braun von der tropischen Sonne.
Sie war jetzt seit etwa vier Jahren in Mexiko. Sie arbeitete als Kindermädchen für eine reiche russische Familie und unterrichtete ihre beiden Töchter zu Hause. Ihr Arbeitgeber, ein Berater für ein staatliches mexikanisches Öl-Unternehmen, verkehrte in denselben Kreisen wie Jesus, den sie auf einem Nachbarschaftspicknick kennen lernte. Jesus verbrachte mehrere Wochen damit, ihr den Hof zu machen, bevor sie vor ungefähr einem Jahr ein Paar wurden.
Manchmal dachte ich, dass Elizaveta und ich ein gutes Paar abgegeben hätten, wenn ich nicht mit Pita verlobt und sie nicht mit Jesus zusammen wäre. Sie war klug, lustig und frech – genau mein Typ, denke ich.
Ich fühlte mich schuldig, als ich mir vorstellte, dass wir beide zusammen wären, aber es waren nur Gedanken, das war alles, ich hatte keine Kontrolle über sie. Ich hatte Pita nie betrogen und würde es auch nie tun.
»Ist dein Kopf in Ordnung?«, fragte Elizaveta mich und runzelte mit Blick auf den Verband an meinem Kopf die Stirn.
Ich hob mein Käppi an und strich mir durchs Haar. »Es geht mir gut«, sagte ich zu ihr.
»Was ist passiert?«, fragte Pepper.
»Er hat gestern Abend versucht, von einem Balkon in den Swimmingpool zu springen und ist gefallen«, sagte Elizaveta. »Siehst du, er ist verrückt.«
»Ich stimme Eliza zu«, sagte Pepper. »Jeder, der sich dafür entscheidet, ein Auto mit zweihundert Meilen pro Stunde auf einer Rennstrecke zu fahren, die voller anderer Autos ist, muss verrückt sein.«
Ich wechselte das Thema und sagte: »Dieser Ort ist ziemlich spektakulär. Ich hatte keine Ahnung, dass hier so viel los sein würde.«
»An Wochentagen ist es ruhiger«, sagte Pepper. »Aber an Wochenenden, besonders am Sonntag, ist sehr viel los.«
»Welches ist denn unser Boot?«
Wir drehten uns zum Kanal um, die Kähne lagen am Ufer aufgereiht. Mit ihren grellen Farben und den kitschigen Dekorationen waren sie das amphibische Äquivalent des philippinischen Jeepney. Pepper zeigte auf einen direkt vor uns. »Lupita« stand auf der hinteren Rundung geschrieben.
»Was soll das mit den weiblichen Namen?«, fragte ich.
»Manche beziehen sich auf jemand Besonderen«, sagte Pepper. »Vielleicht eine Ehefrau oder Tochter. Bei den anderen, denke ich, ist es einfach der Name des Bootes.«
»Ich hätte nie gedacht, dass es irgendwo in Mexico City so grün ist.«
»Wir nennen Xochimilco die Lunge der Stadt. Xochimilco bedeutet Blumenwiese. Warte, bis du ein paar der siehst. Sie sind wunderschön.«
Ich runzelte die Stirn. »Chin-, was?«
»Die Inselgärten, die die Kanäle voneinander trennen. Die Azteken haben sie angelegt.«
»Um Blumen zu züchten?«
»Und andere Nutzpflanzen. Früher gab es noch viel mehr aber nach der spanischen Invasion und nachdem die Seen ausgetrocknet waren, sind diese Kanäle alles, was geblieben ist.«
Ich sah Pepper skeptisch an. »Die Seen?«
»Oh Mann, Jack«, sagte er. »Wusstest du nicht, dass Mexico City einst von fünf Seen umgeben war?«
»Ich hatte keine Ahnung.«
»Ihr Amerikaner«, sagte Elizaveta.
»Du wusstest es?«, fragte ich sie.
»Natürlich. Ich bin Russin, und Russen sind keine ungebildeten Amerikaner. Ich lerne etwas über das Land, in dem ich leben will.«
Ich verdrehte die Augen. »Wohin sind die Seen verschwunden?«, fragte ich Pepper, wobei ich mir immer noch nicht sicher war, ob er mich veralberte. »Wie konnten sie einfach austrocknen?«
»Da ist er ja!«, rief eine Stimme hinter uns, sodass ich meine Frage nicht beenden konnte. »Mr. Days of Thunder höchstselbst!«
Ich drehte mich um und sah, dass Jesus und Pita sich uns näherten - in Begleitung von Jesus neuem besten Freund Nitro.
2
Zu sagen, dass Nitro und ich nicht miteinander auskamen, wäre untertrieben. Die Feindschaft zwischen uns fing wegen einer Fliegengittertür an. Vor ein paar Monaten gab eine von Pitas Freundinnen eine Party, und wie es von jeder anständigen Party erwartet wurde, wurde ziemlich viel Alkohol getrunken.
Gegen zwei Uhr morgens, nachdem fast alle Gäste gegangen waren, blieben noch etwa zehn von uns zurück. Pitas Freundin hatte ein Penthouse in einer Art von altem Art-Deco-Gebäude gemietet. Wir waren auf die Terrasse gegangen, um den Ausblick auf die Stadt zu genießen. Irgendwann ging ich hinein in die Küche, um mir noch ein Bier zu holen, und als ich auf die Terrasse zurückkehrte, lief ich direkt in die Fliegengittertür und stieß sie aus ihrer Schiene. Ich hob sie auf und stellte sie beiseite, denn ich war nicht im Geringsten dazu in der Lage, herauszufinden, wie ich eine Fliegengittertür wieder einsetzen konnte. Ich dachte, dass es kein Problem darstellte. Doch Nitro schien die Angelegenheit persönlich zu nehmen. Er fing an, auf Spanisch über mich zu schimpfen. Ich wusste nicht, was er sagte, aber es war klar, dass er beleidigt war. Ich fragte ihn, was sein Problem wäre. Er sagte mir, ich sollte die Tür reparieren. Ich sagte ihm, er sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern. Er regte sich auf, stank nach Testosteron, also versetzte ich ihm einen Schlag. Er ging daraufhin wie ein von der Leine gelassener Pitbull auf mich los. Wir prügelten uns auf der Terrasse, warfen Pflanzen um, zerschmetterten Flaschen und Gläser, zerbrachen einen Couchtisch aus Glas – mit anderen Worten verursachten wir wesentlich mehr Schaden als eine herausgerutschte Fliegengittertür.
Als die Leute uns auseinanderzerrten, hatte Nitro eine aufgeplatzte Lippe und ich ein blaues Auge. Pita und ich nahmen ein Taxi nach Hause, und ich dachte, dass ich den Kerl das letzte Mal gesehen hatte. Doch die Schlägerei schien ihn Jesus sympathisch gemacht zu haben, denn danach lud Jesus ihn überallhin ein. Er tauchte sogar auf Pitas Geburtstagsparty im Juli auf. Ich gab mir die größte Mühe, ihn zu ignorieren, wenn wir uns begegneten, aber er war genauso geschickt darin, mich auf die Palme zu bringen wie Jesus, und seither standen wir mehr als einmal wieder kurz davor, uns zu prügeln.
Wenn man sich Jesus und Nitro ansah, konnte man denken, dass sie das komplette Gegenteil voneinander waren. Jesus war wie immer schick gekleidet, trug ein Tweed-Jackett über einem weißen Oberhemd und eine Khakihose und blutrote Pennyloafer. Nitro andererseits war ähnlich wie ich gekleidet, trug ein Muskelshirt, Shorts und Flip-Flops. Der Unterschied zwischen uns war, dass seine Arme von Tätowierungen bedeckt waren und sein Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden war.
Es war Nitro, der mich »Mr. Days of Thunder« nannte.
»Weißt du, Chavo«, fuhr Nitro fort, »für einen Rennfahrer – einen...




