Baxter | Die Zeit-Verschwörung 2: Eroberer | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch

Baxter Die Zeit-Verschwörung 2: Eroberer

Roman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-08763-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch

ISBN: 978-3-641-08763-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wer die Zukunft verändern will, muss die Vergangenheit beherrschen

Britannien, 607 n. Chr.: Ein Komet zieht über den Himmel und versetzt die Sachsen in große Angst. Der Krieg gegen die Angeln fordert ebenfalls seinen Tribut. Da erfährt ein junger Krieger von einer Prophezeiung und reist zum Hadrianswall, dem Ursprung der Verse. Teile der Prophezeiung scheinen sich zu erfüllen, als wilde Horden aus dem Osten in das Land einfallen, und so geraten immer mehr weise Männer in den Bann der Vorhersage. Alles deutet darauf hin, dass sich in der Zukunft auch die letzten Verse erfüllen sollen: Ein zehntausendjähriges Arierreich wird kommen …



Stephen Baxter, 1957 in Liverpool geboren, studierte Mathematik und Astronomie, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er zählt zu den international bedeutendsten Autoren wissenschaftlich orientierter Literatur. Etliche seiner Romane wurden mehrfach preisgekrönt und zu internationalen Bestsellern. Stephen Baxter lebt und arbeitet im englischen Buckinghamshire.

Baxter Die Zeit-Verschwörung 2: Eroberer jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


IX


Als der Abend hereinbrach, war der Komet, der am dunklen Nordhimmel hing, heller und spektakulärer denn je.

Während die Novizen in einem Stall in dem anglischen Dorf schliefen, beharrte Ambrosias darauf, dass die vier Gäste die Nacht im Kastell verbrachten. Er bereitete eine Mahlzeit zu. »Esst und trinkt«, sagte er. »Wenn ein Römer eines ist, dann gastfreundlich.« Er schlurfte mit einem Teller voll klein geschnittenem Fleisch und einen Krug Bier umher. »Natürlich bin ich meinen neuen anglischen Nachbarn unten am Hügel dankbar, aber ich wünschte, sie würden ein wenig guten kontinentalen Wein in die Hände bekommen statt dieses dreckige germanische Bier. Wisst ihr, ich habe mal versucht, hier ein paar Weinreben zu züchten, an der Südmauer des Kastells. Sind im ersten harten Winter verwelkt und eingegangen. Ach, was soll’s …«

Ambrosias’ vier Gäste, Ammanius und Sulpicia, Ulf und Wuffa, ruhten auf Liegebetten. Dies war die römische Art, seine Mahlzeiten einzunehmen: im Liegen. Sie befanden sich in einem Raum in den Ruinen der alten principia des Kastells, des ehemaligen Hauptquartiers. Es war eine kleine römische Insel mit Mosaiken auf dem Fußboden, Fresken, Geschirr und Besteck sowie Amphoren, die an den Wänden einer winzigen Küche lehnten. Auf dem Boden häuften sich Schriftrollen und Blöcke aus Holztäfelchen, und an den Wänden standen lauter Schränke. Das ursprüngliche Dach der principia existierte längst nicht mehr, aber dieser eine Teil war mit verrottendem Stroh überdacht.

Alles war abgenutzt und alt, die Tonwaren mehrfach ausgebessert, das Besteck so oft geschärft, dass die Messerklingen dünn wie Herbstblätter waren, und der Raum selbst war ein Loch aus Staub und Ruß.

Ammanius kam rasch auf das Thema Isolde zu sprechen. »Hast du schon einmal von ihr gehört? Falls sie überhaupt je existiert hat …«

»Oh, sie hat existiert«, sagte Ambrosias. »Und ich bin der lebende Beweis dafür!«

»Du?«

»Ich bin ein Nachkomme von Isolde«, sagte Ambrosias. »Und folglich von Nennius, ihrem Vater. Tatsächlich bin ich der Ururenkel von Isoldes Sohn. Und da sie in Rom geboren wurde, bin ich römischer Herkunft.« Er zwinkerte Wuffa zu. »Der ›letzte Römer‹. So nennt ihr Angeln mich doch, nicht wahr?«

Wuffa schwieg. Er wusste, es würde ihm nichts nützen, auf den Unterschied zwischen Angeln und Sachsen hinzuweisen.

»Und die Geschichte von Isolde?«, setzte Ammanius nach.

Sie habe sich vor zweihundert Jahren hier in dieser Festung zugetragen, sagte Ambrosias. Isolde, damals ein hochschwangeres junges Mädchen, sei von ihrem Vater aus dessen eigenen Gründen von Rom hierher geschleppt worden. Fern von zu Hause habe sie dann ein Kind entbunden, das erste einer Abfolge fünf männlicher Nachfahren, deren letzter schließlich Ambrosias selbst gewesen sei.

Und mitten in den Wehen habe sie zu sprechen begonnen: ein Geplapper in einer Sprache, die ihr und ihrem Vater fremd gewesen sei.

Ammanius war andeutungsweise interessiert. »Sie hat also in Zungen geredet. Das ist ein häufiges Wunder. Hat sie von Christus gesprochen?«

»Oh, sie hat ihn erwähnt«, sagte Ambrosias. »Aber das Wunder bestand darin, dass die Sprache, die sie gesprochen hat, Germanisch war

Wuffa merkte, dass diese Einzelheit mit Ammanius’ Vorstellung von der Beschaffenheit eines echten christlichen Wunders kollidierte. Ihn jedoch faszinierte es, denn in seinen Augen wuchs dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Bemerkenswertes geschehen war und es sich nicht um ein bloßes Pestfieber gehandelt hatte. Welche Form von Wahnsinn könnte eine Lateinisch sprechende Frau dazu bringen, plötzlich germanische Wörter hervorzusprudeln?

»Und hat sie von der Zukunft gesprochen? War es wirklich eine Prophezeiung?«, fragte Sulpicia.

»O ja, Nennius und die anderen, die bei ihr waren, haben es sofort als eine solche erkannt. Sie haben sie niedergeschrieben, und seither ist sie von meiner Familie bewahrt worden, hier an diesem Ort.«

»Und was hat sie gesagt?«, drängte Ammanius.

Ambrosias seufzte und genehmigte sich noch einen Schluck anglisches Bier. »Ich werde es euch schon erzählen. Morgen sprechen wir über die Vergangenheit und die Zukunft und ähnlichen Unsinn. Aber jetzt wollen wir von anderen Dingen reden. Ich bin hier unter analphabetischen Germanen gestrandet und lechze nach gebildeter Konversation. Ihr seid müde – und wenn nicht, ich bin es –, und die meisten von uns sind ein bisschen betrunken von diesem schaumigen Bier, glaube ich.« Dabei sah er Ammanius an, und der Bischof erwiderte seinen Blick mit finsterer Miene.

Ambrosias wandte sich an Ulf und Wuffa. Vom ersten Augenblick an schienen ihn die beiden jungen Männer weitaus mehr interessiert zu haben als der Bischof oder das Mädchen, obwohl er keine Spur von Ammanius’ Laszivität an sich hatte. Ambrosias fragte sie, woher sie kämen, und sie versuchten es ihm zu erklären, obwohl das Fehlen einer gemeinsamen Geografie ein Problem darstellte: Für Ambrosias waren sie beide einfach nur Barbaren aus fernen Ländern außerhalb des alten Imperiums.

»Und nun seid ihr hier«, sagte Ambrosias, »an der Westküste Britanniens, so fern von eurer Heimat.«

»Mein Volk ist wegen des Meeres nach Britannien gekommen«, sagte Wuffa. »So hat mein Vater es mir erzählt. Jedes Jahr wurden die Fluten höher. Die Strände und Klippen wurden weggewaschen. Wir mussten unsere unter Wasser stehenden Höfe verlassen. Aber wir konnten nirgendwohin, denn das Land war voll.«

»Und darum habt ihr den Ozean überquert. Das Meer steigt, und wir kleinen Menschen müssen fliehen. Verglichen mit solchen Kräften scheint das Kommen und Gehen von Imperien belanglos zu sein – meint ihr nicht? Aber es könnte noch tiefer reichende Muster geben.« Ambrosias beugte sich nah zu den beiden jungen Männern und sah ihnen aufmerksam ins Gesicht. »Ich bin einmal einem alten Mann begegnet, einem armen Britannier, der vor den Angeln nach Westen geflohen ist, und der hat mir eine uralte Sage erzählt – sie muss jahrtausendealt sein, wenn sie überhaupt wahr ist –, dass man einmal über den Ozean laufen konnte, oder vielmehr über den Boden dessen, was jetzt der Ozean ist. Aber dann stieg das Meer. Wenn man im freiliegenden Sand an der Küste gräbt, findet man manchmal Rentierknochen, ja sogar das ein oder andere Werkzeuge aus Stein. Glaubt ihr, dass wir alle eins sind, wir Völker aus den Ländern um den Ozean herum, dass ihr in gewissem Sinn keine Einwanderer, sondern einfach nur Heimkehrer seid?«

Dieser Gedanke verblüffte Wuffa. »Aber wie könnte man jemals herausfinden, ob das zutrifft?«

Ammanius stimmte mit einem widerwilligen Nicken zu. »Eine intelligente Antwort. Wenn ich genug Zeit hätte, könnte ich einen Gelehrten aus dir machen, Wolfsjunge.«

Ulf, wie immer bodenständiger als Wuffa, interessierte das Ganze nicht. »Bei uns gibt es keine Sagen von im Wasser versunkenen Ländern. Meine Leute sind Krieger.«

»Ach, Krieger«, sagte Ambrosias. »Der Welt mangelt es nie an Kriegern! Als ich noch klein war, hat mich mein Vater dem größten aller Krieger vorgestellt. Habt ihr jungen Draufgänger schon mal was von Artorius gehört?«

Das hatten sie nicht. Ambrosias schien schockiert zu sein.

Als die germanischen Einwanderer von ihren Küstenstellungen ausgeschwärmt seien und es überall auf der Insel Konflikte gegeben habe, erzählte ihnen Ammanius, hätten die Britannier in Artorius einen General gefunden, der die Autorität besessen habe, über die Grenzen der Provinzstaaten hinweg einen bemerkenswerten Widerstand zu organisieren. Er habe eine ganze Reihe von Siegen errungen.

»›Artorius‹ war möglicherweise ein Spitzname – es bedeutete ›der Bärenmann‹, vielleicht ein Hinweis auf seine Körpergröße. Angeblich war er der Neffe des letzten römischen Befehlshabers, der auf seinem Posten in Britannien verblieben war. All dies geschah ein Jahrhundert nach dem Abzug der Römer«, sagte Ammanius. »Artorius sorgte dafür, dass eine Generation lang Frieden herrschte. Aber das Einzige, was er seinem Volk wirklich verschaffte, war Zeit.«

»Und weshalb hätte dieser Artorius hierher kommen sollen?«, wollte Wuffa wissen.

»Nach einer letzten Schlacht ist er in den Ruhestand getreten und hat sich hier niedergelassen«, sagte Ambrosias. »Er war schon ein alter Mann, und er war schwer verwundet – der Verrat und die Feigheit seiner eigenen Männer haben ihn ebenso sehr zermürbt wie die Anstrengungen der Feinde. Er ist hier in Banna gestorben  – am Wall, dem größten Monument des Imperiums, dessen Andenken er sein Leben geweiht hat.« Seine Augen waren jetzt feucht. »Zu anderen Zeiten hätten sie ihm hier einen Triumphbogen errichtet, der denen in Rom Konkurrenz gemacht hätte! Und ich, ein Kind, bin ihm vorgestellt worden. Er hat mir das Haar zerzaust! Hier.« Er kniete sich steif hin und zeigte Wuffa seinen gesenkten Kopf. »Berühre meine Kopfhaut. Na los!«

Wuffa warf dem Bischof einen Blick zu. Der zuckte die Achseln. Wuffa legte die Hand auf den Kopf des alten Mannes. Seine Haut fühlte sich papierdünn an; sie spannte sich über einen zerbrechlichen Schädel.

»Denkt immer daran. Erzählt es euren Kindern! …«

Nachdem das Gespräch noch eine Weile so weitergegangen war, stand Ammanius auf und reckte sich. »Deine Gastfreundlichkeit überanstrengt mich, Ambrosias«, sagte er auf seine trockene Art.

Sulpicia erhob sich. Sie hatte nicht vor, mit Wuffa und Ulf allein zu bleiben, selbst wenn der alte Mann als Anstandsdame fungierte. »Auch ich sage gute Nacht.« Und aus...


Baxter, Stephen
Stephen Baxter, 1957 in Liverpool geboren, studierte Mathematik und Astronomie, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er zählt zu den international bedeutendsten Autoren wissenschaftlich orientierter Literatur. Etliche seiner Romane wurden mehrfach preisgekrönt und zu internationalen Bestsellern. Stephen Baxter lebt und arbeitet im englischen Buckinghamshire.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.