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E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Reihe: Weserbergland-Krimi

Beinßen Steinzeichen

Ein Weserbergland-Krimi
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8271-9627-9
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein Weserbergland-Krimi

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Reihe: Weserbergland-Krimi

ISBN: 978-3-8271-9627-9
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Lukas Kowalski, Top-Manager einer großen Versicherungsgruppe in Hannover, wird nach einem millionenschweren Verlust zwangsversetzt. Von Hameln aus muss er sich mit kleinen Fischen im Weserbergland abgeben. Die Routine endet abrupt mit einer kuriosen Anfrage: Kowalski soll eine versteinerte Saurierspur in Obernkirchen versichern. Kaum ist die Police unterzeichnet, verschwindet die Sandsteinplatte über Nacht und es gibt das erste Todesopfer. Kowalski nimmt die gefährliche Spur auf, die ihn in eine bizarre Welt der Glückskekse und chinesischer Gangsterkartelle führt.
Ein Krimi weit abseits der üblichen Pfade: zu keiner Zeit vorhersehbar, kurios, abgedreht und superspannend. Kowalski, mit trockenem Humor und Cleverness ausgestattet, ist eine Figur mit Kultpotenzial.

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5


„Warum humpelst du?“, erkundigte sich Jürgen mehr neugierig als mitfühlend, als Kowalski das Büro betrat. Der Chef saß auf seinem Sessel, die Beine über Kreuz auf die Schreibtischplatte gelegt, in den Händen ein Halbmeter-Sandwich.

Kowalski hatte nicht die geringste Lust sich zu erklären. Am liebsten wäre er still und leise hinter seinem Schreibtisch verschwunden und hätte sich in seine Arbeit vertieft. Doch die Tür zum Chefbüro stand wie immer offen, und Jürgen entging nichts.

„Ein Unfall“, antwortete er unverbindlich.

Jürgen lachte. „Was für ein Glück, dass du bei einer Versicherung arbeitest. Dann weißt du ja, wie man aus einem Unfall Kapital schlägt.“

„Das wird bei Selbstverschulden schwierig“, gestand Kowalski seine nächtliche Schlappe ein. „Ich habe mich auf meinem eigenen Balkon ausgeschlossen. Die Tür fiel zu, und der blöde Hebel klappte nach oben.“

Jürgen legte seine Stulle beiseite. „Ja, und? Konntest du nicht klopfen, damit dich jemand reinlässt?“

„Wer denn? Ich lebe hier doch allein. Ich habe versucht, die Tür von außen aufzudrücken. Keine Chance. Dann habe ich gerufen, aber niemand hat mich gehört. Kein Wunder, denn es fuhr gerade eine Panzerkolonne vorbei. Tja, und mein Handy lag drinnen. Zum Greifen nahe auf der Fensterbank.“

„Was hast du also getan?“ Jürgen war so ergriffen von der Geschichte, dass er seine Beine vom Tisch nahm.

„Ich habe mich zum nächsttieferen Balkon gehangelt.“

„Die Leute waren bestimmt begeistert! Mitten in der Nacht fällt ein Mann vom Himmel!“

„Sicher – wenn jemand zu Hause gewesen wäre. Aber wieder Fehlanzeige. Also musste ich noch einmal springen. Bis hinunter auf den Vorplatz. Der ist gepflastert. Das hat mir mein Knöchel nicht verziehen.“

„Zeig mal her!“, forderte Jürgen und kam neugierig näher.

Kowalski bückte sich und krempelte seine Socke herunter.

„Uuuiiii!“, rief Jürgen. „Ganz blau! Damit würde ich zum Arzt gehen.“

„Nee.“ Kowalski zog den Socken wieder hoch. „Zu viel zu tun. Ich muss mich um diese Saurierspuren kümmern. Der Vorgang wartet ja schon eine ganze Weile auf seine Bearbeitung“, stichelte er in Richtung des Kollegen Michael.

Doch Jürgens Fürsorgepflicht duldete keine Widerrede. „Die Saurier sind schon so lange ausgestorben, da kommt es auf ein paar Stunden mehr oder weniger nicht an. Du gehst zum Arzt und lässt den Fuß röntgen! Aber vorher komm doch bitte auf einen Sprung in mein Büro“, forderte Jürgen ihn auf, wobei ihm das Wortspiel mit dem Sprung offensichtlich prächtig gefiel. „Und bitte mach hinter dir zu.“

Der Chef wollte ihn unter vier Augen sprechen – warum? Unwillkürlich fragte sich Kowalski, ob er etwas ausgefressen hatte. „Was gibt’s denn?“, fragte er, ohne sich sein Unbehagen ansehen zu lassen.

Jürgen gab ihm ein Zeichen, sich zu setzen. „Nichts Besonderes. Ich fand es bloß an der Zeit, dass wir uns mal unter unseresgleichen unterhalten. Du verstehst: Führungskräfte müssen sich ab und zu von der Belegschaft absetzen. Man muss den anderen die natürlichen Grenzen aufzeigen.“

Kowalski betrachtete das flache, teigige Gesicht des Niederlassungsleiters. Der große runde Kopf wurde von einem kurzen, dichten schwarzen Haarkranz gesäumt. Das Kinn wies grau schimmernde Stoppeln auf, denn selbst wenn sich Jürgen jeden Morgen rasierte, gewann man bereits mittags den Eindruck, dass er bei der Rasur keine sonderliche Sorgfalt walten ließ. „Wir sollen die Vorgesetzten herauskehren?“, fragte Kowalski etwas befremdet. „Warum denn? Meinst du, damit können wir die anderen beeindrucken?“

„Jedenfalls dürfen wir die Zügel nicht zu sehr schleifen lassen. Das ist wichtig. Durch das Duzen geht viel Autorität flöten. Deswegen müssen wir uns auf andere Weise Respekt verschaffen.“

„Indem wir den anderen die Tür vor der Nase zuschlagen?“

Jürgen rieb seinen breiten Hintern unruhig auf dem Schreibtischstuhl. „Jetzt fang nicht auch noch an, meine Anweisungen infrage zu stellen! Ich habe meine liebe Not damit, Susi und Andrea in Schach zuhalten.“

Kowalski dachte an die kleine, mausgraue Andrea, die auf der einen Seite unscheinbar und schwach wirkte, auf der anderen Seite aber ein zähes Biest sein konnte. Kowalski hatte mehrmals mitbekommen, wie sie am Telefon auf das Recht der HVN beharrt und sich dabei als harte Verhandlungspartnerin gegeben hatte. Man durfte sich von ihrem harmlosen Äußeren nicht täuschen lassen.

Auch dass Jürgen Probleme hatte, sich gegenüber Susi durchzusetzen, verstand Kowalski auf Anhieb: Susi, fast zwei Köpfe größer als Andrea und körperlich das, was man gemeinhin als Vollweib bezeichnet, ließ sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen. Wie Andrea war sie Mitte dreißig, strotzte im Gegensatz zur Kollegin aber vor Selbstbewusstsein, das sie nicht nur auf ihren Körperbau, sondern wohl auch auf reichlich Lebenserfahrung gründete. Sie kannte sich aus mit all den Facetten der menschlichen Psyche – insbesondere wohl derer von Männern. Aus dem Wenigen, was Kowalski bislang mitbekommen hatte, schloss er auf Susis beachtlichen Verschleiß an Liebhabern. Ihr Auftreten spiegelte ihr Selbstverständnis als rundum emanzipierte Frau wider. Wahrscheinlich, so mutmaßte Kowalski, befürchtete Jürgen, dass Susi eines nicht allzu fernen Tages damit beginnen würde, an seinem Chefsessel zu sägen.

„Auch Michael darf man nicht verwöhnen“, meinte Jürgen mit sorgenvoller Miene. „Der soll nicht denken, dass er hier eine große Nummer ist. Wenn wir ihn nicht kleinhalten, kommt er auf dumme Gedanken. Oder wird noch fauler als er schon ist.“

Kowalski hielt den Kollegen, der das Auftreten eines einfach gestrickten Bauern an den Tag legte, ebenfalls für träge und wenig emsig. Statt ihn kleinzuhalten, wie es Jürgen formuliert hatte, könnte man den Kollegen allerdings auch fördern und seinen Ehrgeiz wecken, fand Kowalski. „Was hältst du davon, Michael und den anderen mehr Verantwortung zu geben?“, fragte er frei heraus, wohlweislich, dass er den Niederlassungsleiter damit ärgerte.

Jürgen sah ihn mit schiefem Lächeln an, als warte er auf die Pointe. „Nein, Kowalski, du hast mich missverstanden: Nicht mehr, sondern weniger Verantwortung will ich denen geben. Ich habe neulich ein Managerseminar mitgemacht, und da haben die gezeigt, was passiert, wenn man die Untergebenen zu sehr fördert. Die danken’s einem, indem sie einen in der Hierarchie überholen.“

„Nichts für ungut, Jürgen, aber ich glaube, das siehst du etwas pessimistisch. Gib ihnen eine Chance, sich zu entfalten. Das tut dem Betriebsklima gut und erhöht die Produktivität.“

Jürgen kniff die Augen zusammen: „Wohl eher den Wunsch nach Gehaltserhöhungen! Nein, nein, Kowalski, ich führe auf die klassische Art: Es kann nur einen Boss geben, und der bin ich!“ Mit Blick auf Kowalski fügte er hinzu: „Gut, mit dir zusammen gibt es eineinhalb Bosse.“ Er lachte über seinen eigenen Witz, ging zur Tür und stieß sie auf. Dann sagte er so laut, dass es auch alle anderen hören konnten: „Wenn du es zeitlich hinkriegst, kannst du ja zur Mittagspause wieder da sein und berichten, wie es deinem Fuß ergangen ist. Du weißt ja: um zwölf Uhr beim Italiener in der Baustraße.“

Kowalski stöhnte. „Warum denn schon wieder beim Italiener?“

„Weil wir da jeden Mittag hingehen“, stellte Jürgen kategorisch fest. „Weil es italienisch ist und schnell und günstig.“

„Und …?“

„Und … – weil halt!“, beendete Jürgen die Unterredung. „Ab mit dir zum Arzt! Wir sehen uns um zwölf.“

Da er es bis zu seinem langjährigen Hausarzt in Hannover, dem er vertraute und den er fachlich schätzte, nicht schaffen konnte, suchte er sich den erstbesten Hamelner Doktor aus den Gelben Seiten.

Er humpelte die Treppen des HVN-Gebäudes herunter, trat auf den Gehsteig und kollidierte mit einer gedrungenen Frau, in deren rundlichem Gesicht das blanke Entsetzen stand, als sie ihn sah.

„Entschuldigung!“, sagte er und stellte fest, dass die Frau asiatische Züge aufwies. Oder lag es am Speck, der ihre Augen besonders schmal erscheinen ließ?

Die Frau starrte ihn wort- und fassungslos an.

„Na, so schlimm war es doch auch nicht“, versuchte Kowalski sie zu beruhigen. „Oder tut Ihnen etwas weh? Habe ich Sie mit meinem Rempler verletzt?“

Endlich fand die Unbekannte ihre Fassung wieder. „Nein, ich bin nur so überrascht, Sie hier zu treffen.“

Kowalski fragte sich unwillkürlich, ob er die kleine dicke Dame kennen müsste, doch erschien sie ihm auch bei näherer Betrachtung gänzlich fremd. „Ich arbeite hier“, versuchte er die Normalität seiner Anwesenheit an diesem Ort plausibel zu machen. „In diesem Haus, dritter Stock, bei der HVN-Versicherung.“

„Ich weiß“, sagte die Frau zu seiner Überraschung. „Ich war auf dem Weg zu Ihnen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie mir entgegenkommen. Ein Zeichen der Vorsehung.“

„Bitte?“

„Die Vorsehung hat uns zusammengeführt“, sagte die Fremde, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt und zückte eine Visitenkarte, die sie als Ai Fang Wang auswies, Mitarbeiterin eines Zentrums für ganzheitliche Behandlung, Akupunktur und Feng Shui-Beratung.

Andrea, Susi, Michael und Jürgen saßen bereits an ihrem Stammplatz beim Italiener in der Baustraße, als Kowalski zu ihnen stieß.

„Du humpelst ja gar nicht mehr!“, stellte Andrea sogleich fest.

Und Jürgen erkundigte sich: „Bei welchem Arzt warst du denn? Muss ja ein echter Wunderheiler sein!“

„Damit...



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