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Bene Eines schönen Todes
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-943876-49-9
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kein Märchenbuch
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: Edition Periplaneta
ISBN: 978-3-943876-49-9
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Drogendealer und Soldaten, Rumpelstilzchen und Schneewittchen, Kidnapper, Karneval und Dornröschen. In den märchenhaften Tragödien von Thias Bene verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Doch wie im normalen Leben auch gewinnen nicht immer die Guten. Nichts ist nur Schwarz und Weiß. Zwischen Sehnsucht und Liebe, Burnout und Besessenheit taumeln die Protagonisten ihren eigenen Abgründen entgegen, fangen sich wieder, verlieren sich und flüchten in die Schutzräume ihrer Fantasie. Denn überall lauert der Wolf.
Autoren/Hrsg.
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Der Fall der Eheleute Fischer
Am 23. August fand man gegen halb eins den Küster Hans Fischer halbnackt am Marktplatz auf. Er irrte ziellos durch den Regen. Mehrere Versuche, mit dem stark verwirrten Mann zu sprechen, schlugen fehl. Er starrte einfach weiter ins Leere und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Obwohl der zufällig vorbeikommende Dorfschullehrer das Gemurmel identifizieren konnte, blieb der Sinn rätselhaft: „Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, myne Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will.“ Eigentlich war Hans Fischer ein rechtschaffender und gläubiger Kerl. Ein bisschen einfältig vielleicht, aber sein Herz saß zweifelsohne am rechten Fleck. Man erzählte sich, er habe im Krieg seine Schwester verloren, doch man wusste nichts Genaues, da Hans wie viele seiner Generation so gut wie nie über den Krieg sprach. Hans mochte scharfen Schnaps und geräucherten Fisch. Er mochte den Geruch von Weihrauch und Pfannkuchen und abgesehen davon mochte Hans vor allem eines: seine Ruhe. Nicht dass Isabella, seine Frau, ihm diese oft gegönnt hätte. Die Eheleute, die von allen nur gutmütig spöttelnd der Fischer und seine Frau genannt wurden, wohnten am Rande des Küstendörfchens am Kirchhügel. Man munkelte, dass Isabella es nie verwunden hatte, dass ihr Hans es nur bis zum örtlichen Küster gebracht hatte. Sie machte ihn verantwortlich für die bescheidenen Verhältnisse, in denen sie lebten und derer sie sich schämte. Sie machte ihn verantwortlich für ihr tristes, einförmiges Leben und wohl auch dafür, dass die Ehe kinderlos geblieben war, obschon sie schon dreimal ein Kind unter dem Herzen getragen hatte. ‚Aber was soll auch schon aus dem Samen eines Schlappschwanzes werden? Nichts anderes als ein Wurm, der nicht lange genug lebt, um das Licht der Welt zu erblicken‘, dachte sie voll Bitterkeit. Isabella, die den Vornamen und das dicke, schwarze Haar ihrer spanischen Großmutter geerbt hatte, war in ihrer Jugend durchaus ein hübsches und ehrliches Ding gewesen, das so manchem Burschen den Kopf verdreht hatte mit ihren blauen Augen, die keck unter dem schwarzen Schopf hervorblitzten. Doch mit der Zeit war aus ihren drallen Rundungen schlaffes Fett geworden und ihr Haar war ebenso grau geworden wie ihr Gesicht. In ihrer Jugend hatte man sie noch als temperamentvoll bezeichnet, doch jetzt war sie nur ein giftiges böses Weib. Wenn Hans darauf angesprochen wurde, zuckte er nur mit den Schultern. „Romantik ist halt nix für arme Leute“, pflegte er zu sagen. Hans läutete die Glocken, hielt die kleine Kirche rein und den Friedhof in Ordnung. Seine Frau ignorierte er, so gut es eben ging. Der 21. August war ein heißer stickiger Tag. Selbst in der sonst so kühlen Kirche waren es an die 30 Grad. Die Luft war dick und klebrig wie Honig. Als Hans nach Hause kam, war irgendetwas anders. Etwas, das ihn gründlich verwirrte. Seine Frau empfing ihn fröhlich pfeifend und Hans hätte nicht verwunderter sein können, wenn Gott persönlich in seinem Wohnzimmer gesessen hätte. Isabella hatte sogar Limonade gemacht. Schon fast sanft bugsierte sie Hans zu einem Sessel. Er genoss das kühle Prickeln des säuerlichen Getränks. Dennoch kam er nicht umhin, seine Frau als unheimlich zu empfinden, denn in ihrem sonst so mürrischen Gesicht lag etwas Manisches. „Mein lieber Hans“, säuselte sie zuckersüß, während sie seine Wange streichelte. „Unsere Tage in bitterer Armut sind gezählt. Endlich werden wir auch reich und ein jeder wird uns mit Respekt behandeln.“ Hans, der ihre Lebensverhältnisse eher als bescheiden denn als bitterarm bezeichnet hätte, schwieg und wartete ab. „Denk dir nur, mein lieber alter Onkel Pepe aus Granada ist verstorben und hat mir eine Kleinigkeit hinterlassen.“ „Du hast mir nie von einem Onkel Pepe erzählt“, sagte Hans und fragte sich, ob die Hitze Isabella den Verstand geraubt hatte. „Natürlich nicht!“, rief Isabella, „weil es ihn gar nicht gibt.“ Sie blinzelte ihn verschwörerisch an. „Sonst brächte es Onkel Pepe am Ende noch fertig, hier aufzutauchen und gar nicht tot zu sein.“ Sie kicherte und begann, enervierend schief vor sich hin zu pfeifen. Hans, der schon immer Schwierigkeiten gehabt hatte, komplizierten Gesprächen zu folgen und Zusammenhänge zu begreifen, die über seine Aufgaben als Küster hinausgingen, verstand nicht. „Schau doch nicht wie ein Schaf, Hans!“, tadelte Isabella ihn, aber sie lächelte und ihre Stimme war fast gutmütig. „Also, stell dir doch nur mal vor, wir hätten wirklich Geld geerbt.“ Sie sprach langsam und deutlich mit ihm, so wie die Leute mit dem Kind vom Kohlen-Claas zu sprechen pflegten, das mit drei Jahren die Treppe zum Keller heruntergefallen, und seitdem etwas blöde war. „Ich habe heute Morgen die dicke Lotte von nebenan klagen gehört, dass ihr keine Bank mehr Geld leihen würde. Stell dir nur mal vor Hans, wir hätten Geld, dann würden wir es verleihen, und die Zinsen brächten uns ein hübsches Sümmchen ein!“ „Aber woher sollen wir das Geld denn nehmen?“, fragte Hans. Isabellas Stimme wurde noch weicher. „Bist du nicht der Küster?“ Hans nickte. „Und hast du also nicht den Schlüssel zu einem jeden Raum?“ Hans erschrak, als er endlich begriff. „Die Kirche bestehlen?“ Er schlug sich die Hand vor den Mund, als würde ihm schon das bloße Aussprechen dieser Ungeheuerlichkeit auf ewig einen Platz in der Hölle reservieren. „Aber, aber … Wer redet denn von Stehlen? Wir wollen uns das Geld ja nur borgen. Sobald wir die ersten Zinsen haben, legen wir es zurück.“ Hans schüttelte entschieden den Kopf. Er zitterte. „Unrecht ist es, Unrecht bleibt es!“ Da fiel jedes Lächeln, jede Freundlichkeit aus Isabellas Gesicht und zurück kehrten ihre bösartigen Züge. Gleich würde sie beginnen zu zetern. Hans wusste, was nun kommen würde. Und schon begann sie, seine Männlichkeit und jeden seiner männlichen Vorfahren bis hin zu Adam im Paradies mit gotteslästerlichen Flüchen zu verspotten. Geduckt schlich er aus dem Haus wie ein geprügelter Hund. Der Schnaps brannte in seiner Kehle. Hans seufzte. Das Geld interessierte ihn nicht, aber vielleicht bot sich hier eine Möglichkeit, Isabellas ewiges Genörgel loszuwerden. Mit jedem Schnaps wurde er mutiger, und als die Sonne längst untergegangen und Hans völlig betrunken war, verließ er die Kneipe und schwankte Richtung Kirche. Die Nachtluft war schwül. Als er alleine durch das Kirchenschiff lief, hallten seine Schritte laut von den Wänden wider. Eine Wolke schob sich vor den Mond und verdunkelte die Kirche. Aber Hans brauchte kein Licht. Auch wenn man ihm die Augen verbunden hätte, hätte er den Weg gefunden, ohne sich irgendwo zu stoßen. Er blieb einen Augenblick vor dem Altar stehen und betrachtete das Kreuz. Als die Wolke weiterzog, schien der Mond geradewegs in das Antlitz des Heilands, der ihn gütig aber vorwurfsvoll ansah. Er schüttelte sein dornenbekränztes Haupt und sprach: „Ach Hans, was tust du nur?“ Da besann sich Hans. Er würde nach Hause gehen, den Spuk ein für alle Mal beenden und nie mehr ein Wort darüber verlieren. Da hörte er plötzlich Isabellas schneidende Stimme: „Was kümmert dich der Lattenjupp?“ Hans mochte es nicht, wenn sie so über den Erlöser sprach, doch die Stimme fuhr erbarmungslos fort. „Sei einmal ein Mann, Hans Fischer!“ Beschämt wandte Hans sich vom Blick des Heilands ab und bekreuzigte sich. „Vater vergib mir“, murmelte er und eilte weiter. Als Hans am nächsten Tag die Kirche fegte, ertrug er kaum den Blick des Gekreuzigten. Isabellas Augen hatten sich geweitet, als er das Geld vor ihr auf den Tisch gelegt hatte. Zärtlich, ja fast liebevoll hatte sie es gestreichelt. Und dann zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte sie ihm gestattet, mit ihr zu schlafen. Obwohl der Himmel bewölkt war, lag noch immer eine schwere Schwüle über der Stadt und ein heißer Wind fegte durch die Straßen, als er nach Hause ging. Isabella empfing ihn freudestrahlend und Hans traute seinen Augen kaum: Sie sah beinahe hübsch aus in ihrem neuen Kleid. Ohrringe funkelten mit der Kette um ihren Hals um die Wette. Doch Hans erschrak. „Hast du das ganze Geld für Schmuck und Kleider ausgegeben?“ „Soll ich als reiche Erbin etwa in Lumpen herumgehen?“, sagte sie. „Aber wie sollen wir jetzt Geld verleihen?“ „Dann musst du eben mehr besorgen. Warum hast du nicht gleich mehr mitgebracht? Du bist selbst schuld!“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und verschwand im Schlafzimmer, die Tür krachend hinter sich zuziehend. Grübelnd saß Hans in der Kneipe. Beim dritten Schnaps wusste er, dass er keine Wahl hatte. Das Geld war weg. Er brauchte mehr Geld, sonst würde er keine Möglichkeit haben, das bisher entwendete zurück zu legen. Früher oder später, das wusste Hans, würde der Diebstahl auffliegen. Trotzdem brauchte er noch drei Schnäpse, bis er genug Mut hatte, um ein weiteres Mal in die Kirche zu gehen. Wieder schien der Mond auf das Gesicht des Gesalbten, der nun erzürnt auf Hans hinab blickte. „Sieh, was aus dir geworden ist. Ein Dieb bist du! Ein Dummkopf noch dazu. Beißt die Hand, die dich füttert!“ Hans fiel auf die Knie und begann zu weinen. Sein Wimmern und Schluchzen hallte von den Wänden. Angst habe er vor seiner eigenen Frau. Was er denn nur tun solle. „Bereust du denn, was du getan...