Berg | Die Kriminalistinnen. Der stumme Zeuge | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten

Reihe: Die Kriminalistinnen

Berg Die Kriminalistinnen. Der stumme Zeuge

Kriminalroman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-233-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten

Reihe: Die Kriminalistinnen

ISBN: 978-3-98707-233-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein außergewöhnlicher Kriminalroman mit besonderem Charme. Düsseldorf 1970: Die vierjährige Liese verschwindet spurlos von einem Kinderkarussell. Die Vermutung einer Entführung liegt nahe, und Lucia Specht sucht mit ihrem Team vom Düsseldorfer Polizeipräsidium fieberhaft nach dem Täter. Kurz darauf wird Lucia von höchster Stelle nach Köln versetzt und soll dort zusätzlich in einem anderen Fall inkognito ermitteln. Bald überschlagen sich die Ereignisse, und sie muss eine schwerwiegende Entscheidung treffen.

Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem 14. Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln und in der Vulkaneifel.
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1


Zwölf Tage zuvor?– Donnerstag, 10. Dezember 1970

Bis eben war auf dieser Weihnachtsfeier noch alles gut gewesen. Ich war ganz bei mir, auf der Bühne, im Hier und Jetzt, aber mit einem Mal änderte sich das. Das Licht im Saal des Präsidiums wurde gedimmt, begleitet von einem nervösen Hüsteln. Die Dunkelheit senkte sich über die Köpfe der Anwesenden und über die Ränder des Raums. Lediglich die Gesichter in den ersten beiden Reihen blieben sichtbar. Schwach beleuchtet vom Bühnenlicht.

Ein Scheinwerfer schwenkte auf mich. Ein grelles Licht, das mich blendete. Ich kniff die Augen zusammen. Ein so durchdringendes Licht kannte ich, und es löste etwas in mir aus. Mein Puls beschleunigte sich, und ich konnte nicht mehr schlucken. Meine Zunge klebte groß und schwer an meinem trockenen Gaumen. Ich hatte keinen einzigen Tropfen Speichel mehr im Mund und war mir sicher: Ich würde keinen Ton herausbringen. Die Gesichter der ersten Reihe starrten mich an. Aufmerksame Mienen. Erwartungsvoll. Ich spürte die Spannung im Raum, hörte ein leises Summen wie vom Trafo einer Modelleisenbahn.

Mit einem Mal war die Erinnerung wieder da. Sie kam zurück, so unvermittelt wie eine Ohrfeige. Mit schneller Wucht. Brennend. Ich war wieder im Krankenwagen. Wir fuhren schnell. Ich lag ausgestreckt da, sah in ein grelles weißes Licht über mir, das mich blendete. Roch wieder mein eigenes Blut, diesen metallischen Geruch, und dachte: Der Mann hat mir mit einem Messer in den Bauch gestochen. Warum hat er das getan? Obwohl ich lag, schien ich rückwärtszufallen. Ich hörte die Stimme des Notarztes.

»Sie blutet stark. Vermutlich innere Organe getroffen.«

Jemand leuchtete in meine Pupillen. Ich erschrak, wollte aufstehen. Flüchten. Schreien, aber aus meiner Kehle kam kein Mucks. Da hörte ich das Martinshorn erklingen. Ohrenbetäubend. Und ich dachte mir: Das schalten sie nur ein, wenn es wirklich kritisch ist.

»Blutdruck sinkt rapide.«

Ich hörte den Motor aufheulen. Spürte, wie der Wagen ruckte und in eine enge Kurve fuhr, und für einen Moment hatte ich Angst, dass ich von der Trage rutschen würde. Mir war kalt. So kalt.

»Du schaffst das«, flüsterte eine weibliche Stimme in mein Ohr. »Lucia, wir bringen dich ins Krankenhaus.« In der Stimme war verzweifelte Hoffnung. »Sie flicken dich wieder zusammen, das machen die jeden Tag. Keine Sorge.«

Die Stimme gehörte zu Ruth. Ich wollte meinen schweren Kopf zu ihr drehen und in ihr Gesicht schauen, das mir sofort sagen würde, ob das nur leere Worte waren. Beschwichtigungen. Damit ich still lag und mich nicht fürchtete. Das Merkwürdige war: Ich hatte in dem Moment gar keine Angst. Ich schwebte gefühlt eine Handbreit über der Trage und fühlte nichts. Ruth legte ihre kühle Hand auf meine Stirn. »Halte durch. Wir haben es gleich geschafft.«

»Lucia?«

Plötzlich war da Stille. Kein Martinshorn mehr. Die Erinnerung war mit einem Mal verschwunden. Da war nur wieder das leise Murmeln. Ein Husten. Leises Scharren von Schuhen über den Boden. Links, rechts und hinten im Raum. Ich war wieder im Gemeinschaftssaal des Präsidiums. Es war die Weihnachtsfeier, und der Polizeichef hatte uns gebeten, eine kleine Gesangseinlage zu bringen. Also standen wir sechs nun auf der schmalen Bühne und trugen wie die Andrews Sisters armeegrüne Kostüme mit knielangem Rock im Stile der vierziger Jahre. Weiße Blusen, schmale Krawatten, hohe Schuhe mit festem Absatz und braune Nylons mit dickem senkrechten Strich auf der Rückseite des Beines. Dazu passende Schiffchenmützen, an deren Seiten die Außenwellen hervorlugten, die mit viel Taft fixiert waren. Ich roch das Haarspray in meinem Haar. Befeuchtete mit der Zungenspitze meine Lippen. Schmeckte den Lippenstift. Neben mir standen Ruth und die anderen in einer Reihe. Der Scheinwerfer beleuchtete mich weiter, und ich blickte schnell in das Gesicht von Johannes in der ersten Reihe, der fragend die Augenbrauen zusammenschob.

Ruth zischte: »Lucia, was ist los? Fang an!«

Mein Hirn sprang in einer Sekunde an. Mein Hals war plötzlich frei und meine Zunge locker. Ich reckte den Kopf, holte tief Luft und knipste ein großes Lächeln an. Stemmte die rechte Hand in die Hüfte, schnippte drei Mal mit den Fingern und rief mit fester Stimme: »And a one, two, three!«

Auf drei ertönte ein zackiger Akkord auf dem Klavier, an dem Toni mit schweißglänzender Stirn saß, umrahmt von einem kleinen Ensemble des Polizeiorchesters. Die ersten Töne von »Bei mir bistu shein« erklangen, einem Evergreen der Andrews Sisters. Ein erstes Johlen, und als der Refrain kam, klatschte das Publikum im Rhythmus mit.

Bei mir bist du schön, please let me explain.
Bei mir bist du schön means you’re grand.

Einige Männer im Saal jubelten, sprangen von den Sitzen und swingten zum Takt der Musik. Ich nahm ihre Gesichter wie in einem Karussell als vorbeifließende strahlende Mienen wahr. Unser Gesang kam dem der Sisters erstaunlich nah, auch wenn ich mich beim Singen zurückhielt, da meine Stimme dominant war, und mich lieber auf die Choreografie konzentrierte. Beim ersten Lied funktionierte sie reibungslos, und wir waren perfekt synchron: linkes Bein nach vorne. Finger schnippen mit der linken Hand. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Wechsel des Beins. Körper nach links eindrehen. Alle stehen hintereinander. Den rechten Arm ausstrecken ins Publikum. Handinnenflächen zeigen zur Decke. Und lächeln.

Die Menschen im Saal tobten und klatschten, und als wir nahtlos eine swingende Version von »Jingle Bells« sangen, waren fast alle auf den Beinen. Bis auf ein paar vereinzelte Personen, die demonstrativ sitzen blieben und ihre Hände in den Schoß legten. Darunter Müller und Rodewald.

Beim dritten Lied, »Santa Claus Is Coming to Town«, geriet unsere Choreografie ins Stocken.

Renate schwang das Bein in die falsche Richtung und kam mit Mieze ins Gehege, die mit ihren Armen fuchtelte und dabei Ruth die Mütze in die Stirn schob. Die Menge lachte laut, weil sie dachte, die Panne gehörte dazu. Wir improvisierten, rempelten uns »versehentlich« an, rissen die Augen und Münder theatralisch auf. Stellten uns wieder in Position, sangen lauthals, und als der letzte Ton verklang, erlosch das Scheinwerferlicht mit einem Schlag.

Für einen Moment war es dunkel, und wir tasteten nach unseren Händen.

Als das Saallicht grell aufflammte, brandeten uns ein frenetischer Applaus, schrille Pfiffe und ein kräftiges Johlen aus Dutzenden Männerkehlen entgegen. Polizeidirektor Maßen sprang auf die Bühne und schnappte sich das Mikro.

»Was für Stimmen! Vielen Dank an unsere perfekten Kriminalistinnen, die extra aus Amerika zu uns gekommen sind. Fröhliche Weihnachten und merry Christmas allerseits!«

Der Applaus verstärkte sich, und ich genoss die Standing Ovations. Ich ließ den Blick über die klatschenden Menschen schweifen. In Johannes’ Gesicht sah ich als Erstes. Seine Wangen glühten.

Die seiner Begleiterin aber leider auch. Keine Ahnung, wer das war, aber ich hasste sie jetzt schon.

Elke Hansen, die Sekretärin der Mord, sah uns verzückt an. Selbst Rodewald von der Sitte nickte uns anerkennend zu und klatschte wohlwollend in die kräftigen Hände. Jens von der Kriminaltechnik sah mich mit einem schwärmerischen Blick an, und in meinem Übermut warf ich ihm einen Luftkuss über die Köpfe zu, den er freudestrahlend auffing. Anschließend gab es Altbier vom Fass für alle, und die ersten gezapften Gläser wurden uns sechs Frauen in die Hand gedrückt. Der Präsidiums-Fotograf Heiner stellte uns in einer Reihe nebeneinander auf, und wir prosteten in die Kamera.

»Ich muss auf die Toilette und das Mieder öffnen«, flüsterte Petra mir zu. »Ich fühle mich wie eine Presswurst.«

»Ich komm mit«, sagte ich, und auf dem Weg zur Toilette umarmte ich im Vorbeigehen meinen Pseudofreund Toni, der in seinem Karoanzug und dem bunten Halstuch unfassbar gut aussah.

»Ihr wart super! Tausendmal besser als bei den Proben. Ich hätte nie gedacht, dass ihr das so gut hinbekommt«, rief er.

»Also hör mal«, entrüstete sich Petra. »Darüber sprechen wir noch.«

Petra zog mich am Arm weiter, und ich küsste Toni hastig auf die Wange. Wir spielten immer noch das Pärchen, das wir nie waren, und spürten selbst ein Dreivierteljahr nach der Sache im Schwanenpark die prüfenden Blicke von manchen Augenpaaren im Präsidium.

Petra und ich standen in einer Kabine der Damentoilette, und ich löste die Schnüre des Mieders auf ihrem Rücken.

Sie tat einen wohligen Seufzer. »Schon viel besser, danke.«

»Wann willst du es offiziell machen? Lange wirst du die Schwangerschaft nicht mehr geheim halten können«, sagte ich, deutete auf die deutliche Bauchwölbung und fädelte die Schnur aus den Ösen.

Sie zog das Mieder aus und verstaute es in ihrer großen Tasche. »Im Januar machen wir es bekannt, dann bin ich im sechsten Monat. Du weißt, was das bedeutet. Die Kripoaspirantin und der Leiter der Kriminaltechnik bekommen ein Kind und sind ein Paar. Das wird wie ein Lauffeuer durchs Präsidium gehen, und dann bin ich erledigt.«

»Petra, sie werden dich nicht rauswerfen. Du machst eine Pause, bekommst das Kind, kommst zurück und schließt die Ausbildung ab.« Ich half ihr, die Bluse wieder richtig zuzuknöpfen.

»Du stellst dir das so einfach vor. Aber bis es so weit ist, werden sie mich zu langweiligem Innendienst verdonnern, um die werdende Mutter zu schützen. In dem Experiment ›Frauen für die Kripo ausbilden‹ war Fortpflanzung nicht vorgesehen.« Sie machte ein bekümmertes Gesicht. »Ich werde euch alle wahnsinnig vermissen. Ich mag die Arbeit hier wirklich gern.«

»Du kommst wieder,...


Berg, Mathias
Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem 14. Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln und in der Vulkaneifel.

Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem 14. Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln und in der Vulkaneifel.



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