Berndt Alois Irlmaier
Auflage der EPUB Ausgabe
ISBN: 978-3-945574-29-4
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Mann sagt, was er sieht
E-Book, Deutsch, 372 Seiten
ISBN: 978-3-945574-29-4
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Stephan Berndt, 1961 in Hamburg geboren, forscht und publiziert seit 15 Jahren zum Thema Prophezeiungen und Zukunft. Seine umfangreichen Recherchen, seriösen und eingehenden Analysen haben ihn bekannt gemacht. Seine Bücher 'Prophezeiungen, alte Nachricht in neuer Zeit' und 'Prophezeiungen zur Zukunft Europas und reale Ereignisse' sind echte Bestseller.
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Vorwort zur Auflage 2014
Es war unter anderem der bayerische Ministerpräsident Dr. Hans Ehard höchstpersönlich, der sich am 15. Februar 1950 über den Fall des Hellsehers Alois Irlmaier berichten ließ. Das geht aus einer Akte des Bayerischen Hauptstaatsarchivs hervor. Dem Ministerpräsidenten war eine sogenannte „Gerüchtemeldung“ überbracht worden, die außer ihm auch noch der bayerische Innenminister, einige Staatssekretäre und der US Land Commissioner for Bavaria, Mr. Hugunin, erhielten. Mr. Hugunin war sozusagen der us-amerikanische Oberaufpasser für das frisch entnazifizierte Bayern.
Anlass für die Gerüchtemeldung und das Interesse dieser „Großkopferten“ war ein kleines unscheinbares Heftchen mit Alois Irlmaiers weltpolitischen Voraussagen, das gerade einmal zwei Wochen zuvor in den Verkauf gekommen war – und eingeschlagen hatte wie eine Bombe! Das Heftchen „Blick in die Zukunft“ machte Irlmaiers weltpolitische Voraussagen erstmals außerhalb der südostbayerischen Lokalpresse bekannt – und seine Voraussagen kreisten schwerpunktmäßig um einen urplötzlichen Angriff Russlands auf Westdeutschland. Schon das war etwas beunruhigend, schließlich wurde gerade in diesen Tagen Russland immer mehr als neue Bedrohung erkannt, aber das war noch kein Grund zur Panik. Was das Heftchen erst zur eigentlichen Bombe machte, war der Umstand, dass dessen Verleger und Autor mit einer trickreichen Formulierung den Eindruck erweckt hatte, Alois Irlmaier hätte den Ausbruch des „dritten Weltkrieges“ für dasselbe Jahr vorausgesagt. ... Später schrieb der Verleger zwar, Irlmaier habe gar nicht gesagt, dass die Russen im Jahr 1950 angreifen – aber da war die Katze bereits aus dem Sack. Und das war ja auch Sinn und Zweck der ganzen Aktion. Die Heftchen mit Irlmaiers Prophezeiungen sollten sich verkaufen wie warme Semmeln. ... Und das taten sie dann auch.
In besagter Gerüchtemeldung hieß es unter anderem:
In Bruck, Landkreis Roding [Bayerischer Wald], wurde das Büchlein „Blick in die Zukunft“ abgesetzt. Es wird behauptet, Irlmaier habe erklärt, in Bruck würde kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Ortschaft würde verschwinden.
Die Voraussagen Irlmaiers sind zweifellos geeignet, Beunruhigung unter der Bevölkerung hervorzurufen. So wurde in den heutigen Abendstunden in Falkenstein, Landkreis Roding, das Gerücht verbreitet, dass in der kommenden Nacht gegen 24.00 Uhr russische Truppen in Bayern einmarschieren [Dieses Gerücht stammt mit Sicherheit nicht von Irlmaier. Anm. B.]. In Regensburg sollen sich verschiedene Personen bereits zur Flucht vorbereiten. Einzelstehende Frauen in Falkenstein, deren Männer sich noch in [Kriegs-] Gefangenschaft befinden, befassen sich ebenfalls mit Fluchtgedanken.
Am 4. März 1950 ging eine weitere Gerüchtemeldung an obigen Personenkreis:
... Im Bereich [...] Neunburg vorm Wald [Nachbargemeinde Rodings] herrscht zur Zeit unter der Bevölkerung eine Beunruhigung, hervorgerufen durch die bekannten Voraussagen des Alois Irlmaier, Freilassing. Die Bevölkerung kauft große Mengen haltbarer Lebensmittel, vor allem Fleischkonserven, auf. Vor den Geschäften stehen Käufer reihenweise an. Zu Ausschreitungen ist es bis jetzt nicht gekommen. 1
Zweieinhalb Monate später, am 17. Mai 1950, – so eine andere Akte, diesmal aus dem Staatsarchiv München – richtete die Regierung von Oberbayern eine Anfrage an das für Irlmaier zuständige Landratsamt Laufen , und schrieb:
Es ergibt sich die Frage, ob nicht Anlass zum Einschreiten besteht, um eine weitere Beunruhigung der Bevölkerung zu vermeiden. Sie werden ersucht, sich zu dieser Frage zu äußern. Auf Art. 54 Polizeistrafgesetzbuch wird hingewiesen
Der Artikel bzw. Paragraph 54 war der sogenannte „Gaukler-Paragraph“, mit dem man seinerzeit den Hellsehern noch das Hellsehen verbieten konnte.
Der Verfasser dieses Schreibens allerdings kannte den Fall Irlmaier nicht gut genug, denn offenbar wusste er nicht, dass Irlmaier wegen des § 54 bereits im Jahre 1946 angeklagt und 1947 freigesprochen worden war. Und nicht nur das – der Freispruch von 1947 und die Umstände des Prozesses trugen auch maßgeblich dazu bei, dass Alois Irlmaier nicht nur in Bayern eine gewisse Berühmtheit erlangte ...
Der Aktenlage nach hat dann das Landratsamt Laufen den Fall an die Polizei an Irlmaiers Wohnort Freilassing weitergereicht, und der dortige Polizeichef schickte dann – nach erneuter Observierung des Hellsehers – am 30. Mai einen Bericht zurück, in dem er – der Polizeichef – Irlmaiers Sehergabe aus eigener Erfahrung bestätigte und folglich auch davon abriet, Irlmaier erneut auf die Anklagebank zu bringen:
Ein Einschreiten gegen Irlmaier nach Art. 54 PStGB ist nach vorhandenem Beweismaterial nicht gegeben. Eine Hauptverhandlung würde mit Bestimmtheit kein anderes Ergebnis zeitigen als das vom Herbst 1947.
Kein anderes Ergebnis? ... Von wegen! ... Irrtum! Riesen Irrtum! ... Eine erneute Anklage und ein erneuter Freispruch hätten aus der bisher mittelgroßen Sensation Alois Irlmaier eine Mega-Sensation gemacht! Ein zweiter Freispruch wäre aus Sicht der Behörden eine absolute Katastrophe gewesen und hätte womöglich einige Karrieren im bayerischen Innenministerium abrupt beendet.
Dort gab es offenbar aber auch ein paar hellere Köpfe, die diese Gefahr früh genug erkannt hatten und deshalb zweigleisig vorgingen. Denn das eigentliche Problem war ja gar nicht der Hellseher Irlmaier. Was machte es schon, wenn dieser ein paar Bauersfrauen „Schauergeschichten“ erzählte? Seis’ drum. Egal. Das eigentliche Problem waren Presse und Verlage, die darüber berichteten. Dort musste man nachhaken. Und tatsächlich erschien dann am 21. Mai 1950, wenige Tage nach der Anfrage an das Landratsamt Laufen, in der Hamburger Illustrierten STERN ein großer Bericht über den Hellseher, in dem dieser nach Strich und Faden als unglaubwürdig und verlogen hingestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben wurde.
Die „Reportage“ des STERNs bildete den Höhepunkt einer seit Wochen laufenden Irlmaier-Berichterstattung, die das offenkundige – und absatzfördernde Interesse breiter Leserkreise bediente.
Und nach dem Verriss im STERN? Was brachte die Presse nach Mai 1950 noch über diesen merkwürdigen Mann aus Freilassing? ... Nichts. Absolut nichts! Und zwar bis zu dessen Tode im Jahre 1959! Die ganzen folgenden neun Jahre herrschte Funkstille in Sachen Alois Irlmaier. Zwischen Oktober 1949 und Mai 1950 findet man in der hauptsächlich bayerischen Presse monatlich noch zwischen 4 und 17 Artikel über Alois Irlmaier und seine Voraussagen – und ab Juni 1950 nichts mehr.
Ich selbst habe nur noch am 20. September 1950 einen klitzekleinen, briefmarkengroßen Artikel in der Freilassinger Volkszeitung gefunden. Sonst nichts mehr. Fast nichts mehr. Denn im Spätsommer 1950 geriet noch Konrad Kübler , der stellvertretende Präsident des Bayerischen Landtages, wegen Alois Irlmaier in die Schusslinie, und ein paar Querschläger der Affäre schafften es erneut in die Presse. Aber das ist eine andere Geschichte. Und die hat auch nichts mehr mit Irlmaiers konkreten Voraussagen zu tun.
Selbstverständlich hat eine Regierung das Recht, ja die Pflicht, die Bevölkerung vor ungerechtfertigter Beunruhigung zu schützen. Und egal nun, ob die Irlmaier-Berichterstattung von der deutschen Politik oder dem US-Militär an die kurze Leine gelegt wurde – das Heftchen mit Irlmaiers Voraussagen wurde trotzdem weiter verkauft und erfreute sich jahrelang reißenden Absatzes, nur eben in letztlich deutlich geringerer Stückzahl, verglichen mit der Auflagestärke von Tageszeitungen.
Irlmaiers Voraussagen wurden also außerhalb Bayerns schnell wieder vergessen, und auch innerhalb Bayerns ist er inzwischen nur noch in jenen Regionen Teil der kollektiven Erinnerung, wo er in persönlichen Begegnungen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Die Zeit verging. Die Erinnerung verblasste. Es kam die Wiedervereinigung. Und Irlmaiers Warnung vor dem Angriff der Russen erschien mehr und mehr wie der Widerhall einer längst vergessenen Zeit. Fast wie ein Märchen.
Seltsam war nur, dass sich die Massenmedien trotz dieser Märchenhaftigkeit weiterhin an eine Art unausgesprochene Regel hielten, wonach nichts Konkretes über die weltpolitischen Voraussagen Irlmaiers berichtet wird. Ich selbst habe derlei als Prophezeiungsforscher in zahlreichen Interviews auch erlebt – als ich später sah, hörte oder las, was von meinen Aussagen letztendlich publiziert wurde. Und natürlich wurde auch ich als unglaubwürdig hingestellt, sei es auf plumpe Art, dass man mich als „wilden Mann“ vorstellte oder gar mit „Frankenstein“ verglich (FOCUS, 28. Dezember 1998). Ein aktuelles und sehr typisches Beispiel für die Nichterwähnung konkreter Voraussagen ist eine Irlmaier-Dokumentation, die das bayerische Fernsehen im März 2014 ausgestrahlt hat: „Unsichtbares Land – auf den Spuren von Alois Irlmaier“ . Diese an und für sich erstaunlich einfühlsame Dokumentation wurde zwischen 2004 und 2006 produziert. Ich selbst hatte in dieser Zeit zwei Treffen mit den Münchener Filmproduzenten. Dabei kam natürlich auch die ganze Kriegsprophezeiungsthematik zur Sprache. Im letztendlichen Film dann – ob nun so produziert oder später vom BR gekürzt – gab es jedoch nur einen einzigen kurzen Hinweis auf Irlmaiers Kriegsprophezeiungen, der zudem schon im nächsten Satz...




