Beyer | Pfadabhängigkeit | Buch | 978-3-593-38182-4 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 56, 296 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 216 mm, Gewicht: 370 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

Beyer

Pfadabhängigkeit

Über institutionelle Kontinuität, anfällige Stabilität und fundamentalen Wandel
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-593-38182-4
Verlag: Campus Verlag GmbH

Über institutionelle Kontinuität, anfällige Stabilität und fundamentalen Wandel

Buch, Deutsch, Band 56, 296 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 216 mm, Gewicht: 370 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

ISBN: 978-3-593-38182-4
Verlag: Campus Verlag GmbH


Das Pfadabhängigkeitstheorem hat sich zu einem wichtigen Erklärungskonzept der sozialwissenschaftlichen Forschung entwickelt. Jürgen Beyer führt die theoretische Debatte fort, indem er auf die Vielzahl möglicher Mechanismen hinweist, die einerseits institutionelle Kontinuität sichern können, andererseits jedoch auch die Abkehr von alten auf neue Pfade erlauben. Am Beispiel des Institutionenwandels im deutschen Corporate-Governance- System und des ökonomischen Wandels postsozialistischer Länder relativiert Beyer das Theorem.

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Inhalt

Vorwort

Kapitel 1
Einleitung: Pfadabhängigkeit ist nicht gleich Pfadabhängigkeit!

1.1 Der Verlauf der Pfadabhängigkeitsdiskussion
1.2 Die Anfälligkeit von Pfadabhängigkeiten für grundlegenden Wandel

1.3 Anfällige Stabilitäten und Interventionschancen

Kapitel 2
Auf der Suche nach den Grundlagen institutioneller Kontinuität:

Das Beispiel Unternehmenskontrolle

2.1 Unternehmensverfl echtung und Macht: Zur Plausibilität
der Managerherrschaftsthese

Gibt es eine Neufundierung der Managerherrschaft?

Wie verbreitet sind Ring- und Überkreuzverfl echtungen?
Haben ring- und überkreuzverfl ochtene Unternehmen eine schlechtere Performance?
Fazit

2.2 Komplementarität und Kontinuität: Zum Wandel der
Wertschöpfungsverteilung in großen Unternehmen

Institutionelle Komplementaritäten in der deutschen Wirtschaft

Der Wandel der deutschen Unternehmensführung in den neunziger Jahren

Datensammlung

Datenanalyse

Fazit

2.3 Tradition und Aufbruch: Der Anfang vom Ende der Deutschland AG

Verfl echtungen, komparative Vorteile und Unternehmensstrategien

Deutsche Bank

Allianz

Das Verfl echtungszentrum der deutschen Wirtschaft

Fazit
2.4 Leitvorstellungen und Marktkontrolle:

Die Deutschland AG in Aufl ösung

Institutioneller Wandel aus organisationssoziologischer Perspektive

Erosion der Unternehmensverfl echtung

Die Unterstützer der Unternehmensentfl echtung
Fazit

2.5 Grundlagen einer beendeten Kontinuität

Kapitel 3
Den Ursachen von institutionellen Differenzen auf der Spur:

Das Beispiel der postsozialistischen Transformation

3.1 Demokratie, Marktwirtschaft und die Vielfalt der Transformations ergebnisse
Varietät der Transformationen: Politisches System
Varietät der Transformationen: Ökonomisches System
Aspekte der Vielfalt: Aktienmarktkapitalisierung

Aspekte der Vielfalt: Arbeitgeber und Gewerkschaften

Aspekte der Vielfalt: Korruption
3.2 Entwicklungspfade, Transformationsmodi und die Privatisierung von Unternehmen

David Starks Konzept pfadabhängiger Privatisierung

Die Pfadabhängigkeitsthese im erweiterten Testfeld

Die Relevanz anhaltender politischer Dynamik
Fazit
3.3 EU-Förderung, Integrationsanreiz und das Divergenzparadoxon des Beitrittswettbewerbs

Konvergenz als Integrationsbedingung

Beispielfall Außenhandel: Der Divergenztrend im intraregionalen Handel
Beispielfall Privatisierung: Ein Wettbewerb der "eigenständigen" Strategien
Fazit
3.4 Gradualismus, Schocktherapie und die Relevanz der Sequenz von Reformen

Hypothesenbildung

Operationalisierung

Hypothesentest
Plausibilitätstests
Fazit

3.5 Ursachen der institutionellen Vielfalt

Kapitel 4
Institutionelle Umbrüche trotz Pfadabhängigkeit!
Ein abschließender Vergleich
4.1 Hohe Hürden: Der paradigmatische Fall der Qwerty-Tastatur

4.2 Hervorgehobene Akteure und alternative Optionen:

Der Vergleichsfall der deutschen Unternehmenskontrolle

4.3 Entscheidungseliten und westliche Leitvorstellung:

Der Vergleichsfall der postsozialistischen Transformation

4.4 Fazit

Literatur

Abbildungen und Tabellen


Mit einiger Berechtigung kann heute ein 'impliziter Konservatismus' der Sozialwissenschaften beklagt werden (Wiesenthal 1999, 2003). Dieser Konservatismus beruht keineswegs darauf, dass politisch konservativ Denkende in den Sozialwissenschaften übermäßig großen Einfl uss hätten. Es ist kein ideologisch motivierter Konservatismus, sondern er ergibt sich aus den Limitationen sozialwissenschaftlichen Kausalerklärens. Nichtlineare Verursachungszusammenhänge, spontane Koinzidenzen, statistische Seltenheiten oder Singularitäten entziehen sich weitgehend der sozialwissenschaftlichen Prognostik (Boudon 1986; Mayntz 1996). Eventuelle Innovationspotenziale werden daher allenfalls anhand vergangener Ereignisse extrapoliert, die kontingenten Möglichkeiten können hierbei aber nicht systematisch in Rechnung gestellt werden. Dies hat auf die Bewertung des 'Neuen' Rückwirkungen, denn die Beschränkungen und Risiken, die sich aus den Widersprüchen mit dem bestehenden Kontext ergeben, geraten leicht in den Blick, während die in einem neuen Kontext sich entwickelnden Möglichkeiten systematisch ausgeblendet bleiben beziehungsweise deutlich unterschätzt werden (Wiesenthal 1999: 128). Die eher skeptische Grundhaltung der sozialwissenschaftlichen Forschung gegenüber Globalisierungsprozessen oder die anfänglichen Reformzweifel bezüglich der postsozialistischen Transformation (Elster 1990; Offe 1991) entsprechen dieser größeren Sensitivität für das Risikopotenzial von neuen Entwicklungen. Mit einem Prognosedefi zit der sozialwissenschaftlichen Forschung könnte man sich eventuell zufrieden geben, die systematische Nichterfassung des Unvorhersehbaren hat aber auch Rückwirkungen auf die Beschreibung des Aktuellen und Vergangenen. Die Gefahr ist gegeben, dass vieles als zu kohärent und in sich stabil wahrgenommen wird, weil fundamentale Veränderungen schon vorab nicht als Regel, sondern als reine Ausnahmefälle konzipiert werden, die von Koinzidenzen und nicht erwartbaren schockartigen Verursachungen abhängen. Der Vorwurf des impliziten Konservatismus kann somit nicht nur für all jene sozialwissenschaftlichen Theoreme und Theorien erhoben werden, in denen die Möglichkeiten des Wandels unterschätzt und Stabilitäten überschätzt werden, sondern auch dann, wenn fundamentale Veränderungen fälschlich als Folge von außergewöhnlichen Zufallsprozessen gedeutet werden. Jene Erklärungskonzepte, die vorwiegend die Begründung von dauerhaften institutionellen Differenzen zum Ziel haben, sind hier insbesondere zu nennen, da bereits zu weit gefasste Geltungsgrenzen hinreichen, um sie über das Ziel 'hinausschießen ' zu lassen. Die Gefahr des impliziten Konservatismus ist daher bei dem im Folgenden im Zentrum der Überlegungen stehenden Konzept der Pfadabhängigkeit besonders groß. Die Pfadabhängigkeit hat sich inzwischen zu einem der meist verwendeten Erklärungskonzepte in der sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Forschung entwickelt (Guinnane et al. 2003; Hirsch/Gillespie 2001; Mahoney 2000; Pierson 2000a). Es betont die Historizität von Institutionen, wobei angenommen wird, dass in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen und eingebürgerte Denkweisen und Routinen in die Gegenwart hinein wirken (Mayntz 2002: 27– 30). Pfadabhängigkeiten engen die potenziellen Handlungsalternativen ein und beeinfl ussen so die zukünftige Entwicklungsrichtung in maßgeblicher Weise. Die Historizität wird ebenso als wesentliche Grundlage der im Ländervergleich feststellbaren, institutionellen Vielfalt angesehen. Sie bedingt darüber hinaus, dass – neben der in vielen sozialwissenschaftlichen Klassikern hervorgehobenen gesellschaftlichen Vorteilhaftigkeit von Institutionen, etwa im Sinne eines handlungsermöglichenden Instinktersatzes (Gehlen 1956), einer organisierten Rollenverteilung im Interesse des kollektiven Zusammenlebens (Parsons 1983) oder der zeitsparenden und risikoreduzierenden Habitualisierung von Handlungsgewohnheiten (Berger/Luckmann 1980) – vor allem auch Ineffi zienzen, Dysfunktionalitäten, Friktionen und Widersprüche der Institutionalisierung bedeutsam werden, die sich aus dem Einfl uss der Vergangenheit auf die Zukunft ergeben. Die Dauerhaftigkeit und Kontinuität von Institutionen, die vielfach als Garant für deren Wirkung angesehen wird, nimmt im Konzept der Pfadabhängigkeit problematische Züge an. Dies vor allem deshalb, weil die Stabilitätsneigung pfadabhängiger Prozesse in aller Regel als ausgesprochen hoch eingestuft wird. Im Zusammenhang mit Pfadabhängigkeiten ist häufi g vom institutionellen lock-in die Rede, was die Assoziation nahelegt, dass Pfadabweichungen oder Pfadwechsel als reine Ausnahmefälle oder gar als unmögliche Ereignisse zu betrachten sind.


Jürgen Beyer, PD Dr., ist Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln.



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