E-Book, Deutsch, Band 2, 406 Seiten
Reihe: Fever
Bicos Fever - Eiskalter Kuss, Band 2
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95885-633-2
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 2, 406 Seiten
Reihe: Fever
ISBN: 978-3-95885-633-2
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Olga Bicos wurde in Havanna geboren, studierte Jura in Berkley und arbeitete als Firmenanwältin in einem Medienunternehmen in Los Angeles, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei zuwandte. Abenteuerlustig und weit gereist, lebt sie heute mit ihrer Familie in Kalifornien. Für ihre gefährlich-charmanten Helden wurde Olga Bicos für den begehrten K.I.S.S. Award der Romantic Times nominiert. Von Olga Bicos erscheinen bei venusbooks die Hot-Romance-Highlights »Fever - Gefährliche Liebe«, »Fever - Eiskalter Kuss« und »Passion - Süßes Verlangen« sowie der historische Liebesroman »Die Liebe des Lords«.
Autoren/Hrsg.
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Crash
1
Alec Porter glaubte an die Existenz einer zweiten Chance. Daran, dass es für einen Mann möglich war, ganz von vorn anzufangen, Fehler zu machen – große Fehler sogar – und trotzdem als Held dastehen zu können. Verdammt, gib Hollywood eine Stunde, dann wird selbst aus Graf Dracula ein Blutkonservenverkäufer.
Er saß festgeschnallt in dem Marchetti-Testflugzeug – die Maschine schoss abwärts wie eine Kugel, die sich widerstandslos der Erdanziehungskraft fügte – und kokettierte damit, dass eine zweite Chance im Moment eine großartige Sache wäre.
Während der Steuerknüppel wie verrückt in seinen Händen rotierte, riss er den Gashebel nach oben. »Vermassel es nicht, Porter! Nicht heute.« Es war über ein Jahr her, dass er dem Tod das letzte Mal ins Auge gesehen hatte. Gemessen an seinem Puls schien er ziemlich aus der Übung zu sein.
Alec rammte den Steuerknüppel in Richtung seines Schoßes, während er versuchte, den Erdboden davon abzuhalten, sich wie wild vor seinen Augen zu drehen. Doch die Marchetti kämpfte hartnäckig gegen jede seiner Bewegungen an und schraubte sich abwärts wie ein Korkenzieher. Richte die Flügel wieder aus, Junge. Lass dich nicht unterkriegen. Der Computer, der auf dem Boden der Maschine festgezurrt war und den er so eingerichtet hatte, dass er das ausgeklügelte Kontrollsystem eines Jets simulierte, flatterte. Ich komme nie im Leben an den Abbruchschalter ran. Er hatte die neue Software auf Herz und Nieren überprüft und sein selbst entwickeltes System unzähligen Testläufen unterzogen. Plötzlich leuchteten überall am Kontrollbord rote Lämpchen auf wie bei einer Parade des 4. Juli. Der Albtraum jedes Testpiloten, der nichts anderes mehr bedeutete, als dass er drauf und dran war, den Löffel abzugeben. Ich muss diesen Abbruchschalter erreichen.
Die Sirene begann zu heulen. Zu spät ... zu spät! Alec legte den Kippschalter um, ohne von der Lightshow vor sich Notiz zu nehmen. Jetzt geht es hart auf hart ... Und ich ziehe das Karnickel aus dem Hut. Er hatte es auch zuvor schon getan, musste sich einfach nur konzentrieren.
Oh ja, eine zweite Chance hätte etwas für sich. Und er wusste genau, wie er sie nutzen würde. Wenn er Glück hatte, würde er es schaffen. Er würde Sydney finden ... und ihr die Wahrheit sagen.
Sydneys Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Alec schob das Bild beiseite und gab sich Mühe, die Flugzeugflügel parallel auszurichten. Konzentrier dich. Bei einem Manöver wie diesem konnte einem die Schwerkraft den Sauerstoff abschnüren und damit alles in die Hose gehen lassen. Bring dieses Ding irgendwie auf die Erde, dann kannst du dir Gedanken über Sydney machen.
Doch das Bild tauchte wieder vor ihm auf, ließ die Erde und den Himmel um ihn herum verschwinden und brachte die Stimme in ihm, die ihm gerade Sei vorsichtig! ins Ohr gebrüllt hatte, zum Verstummen. Nur Sydney blieb übrig, süß und verführerisch – und erinnerte ihn an all seine Sünden.
Er hatte immer gedacht, Syd wäre anders. Irgendwie nicht verletzbar.
Ich bin nicht mehr dieser Mistkerl, Syd. Vertrau mir.
Lächelnd erinnerte er sich daran, wie er sie in jenem Hotel in Buenos Aires beschwatzt hatte, bis sie mit ihm in sein überhitztes Zimmer gegangen war und er sie in sein Bett manövriert hatte. Nur eine kleine Kostprobe! Am nächsten Morgen hatte Syd ihm sofort nach dem Aufwachen eine filmreife Szene gemacht, weil sie es getan hatten. Sie war so wütend gewesen, dass sie einfach auf Nimmerwiedersehen verschwand. Nun, Monate später, hatte Alec sich aufgemacht und war um den halben Erdball gereist, um sie zu finden. Los. Überzeug sie. Ich bin nicht mehr dieser Mistkerl. Genau das war seine Suche nach der zweiten Chance.
Das Blut rauschte in seinen Ohren. Trotzdem tat er alles, um sich zu konzentrieren, und sah, wie die Erde gefährlich näher rückte. Jetzt oder nie ... Schalt die Maschine ab – nimm das gegenüberliegende Seitenruder. Doch als er aus dem Cockpit blickte, hatte er noch immer das Gefühl, in ein Kaleidoskop zu schauen; deshalb fragte er sich, wie, um alles in der Welt, er jemals das richtige Ruder wählen sollte. In dem Augenblick, als Buenos Aires vor seinem inneren Auge auftauchte, wurde Alec Porter klar, dass er gerade dieses Bevor-du-stirbst-läuft-dein-Leben-wie-ein-Film-vor-dir-ab-Erlebnis hatte.
Aus. Er war am Ende.
Bevor es schwarz um ihn wurde, rammte sich der Steuerknüppel in Alecs Magen. »Verdammt«, murmelte er, »das gibt wahrscheinlich Narben.«
Petroula Reck hatte ihre Mutter schon immer als dumm empfunden, die im Alter von fünfundfünfzig bereits vier Schönheitsoperationen hinter sich hatte – eine für jeden Ehemann. Sie hatte eine Menge Geld bei einer psychologischen Telefonberatung gelassen und glaubte an Aliens. Außerdem hatte sie ihre Töchter Aphrodite, Carmela und Petroula genannt.
Carla Reck gefielen die Namen wegen ihrer ursprünglichen Bedeutung: Aphrodite für Schönheit, Carmela für Liebreiz und Petroula, was so viel wie »Fels« bedeutet, für Stärke. Dad war mit ihrer Wahl so weit einverstanden gewesen. Warum auch nicht? Es gab schließlich keinen Russell Reck jr., der in seine Fußstapfen hätte treten können. Also sah er sich nicht genötigt, Einwände dagegen zu erheben oder sich vorzustellen, was für ein Gefühl es für seine Tochter wäre, vor einer kichernden Klasse »Petroula« stammeln zu müssen.
Stirnrunzelnd krallte sie ihre Hände um die Unterlagen aus der Rechtsabteilung, während sie durch die heiligen Hallen des Kunstzentrums für Kinder wandelte. Das war damals – und heute war heute. Daddy ist inzwischen ein völlig anderer Mann. Verzeih es ihm, und vergiss es dann einfach.
Carla hatte gewollt, dass ihre Töchter sich als etwas Besonderes fühlten. Sie hatte gedacht, ihre Namen würden zur Bildung ihres Charakters beitragen – und sie hatte Recht gehabt, zumindest in Petroulas Fall.
Rocky, wie sie inzwischen genannt wurde, trug am liebsten enge Kostüme oder kurze Röcke. Ihr blondes Haar reichte ihr bis zur Taille, und sie hatte Beine bis zum Hals. Es gab eine Menge Menschen, die sie fasziniert anstarrten, wenn sie vorüberging ... Männer und Frauen. Genau das war der Punkt. Blanker Neid.
Einige Leute sahen ihr nach, als sie auf ihren Prada-Absätzen den Gang entlangklapperte und sich fragte, mit welchem öden Verliererjob ihre Stiefmutter als Nächstes daherkommen würde. Wow, wow. Doch Rocky hatte keine Wahl. Auf Daddys Anweisung hin war sie hier aufgetaucht, um bei Sydney gut Wetter zu machen: Sydney, ihre Stiefmutter, die direkt der Hölle entsprungen zu sein schien, was ihr allerdings nicht im Geringsten bewusst war.
Und genau wegen dieser Mata-Hari-Taktik seiner wesentlich jüngeren Ex-Frau saß ihr Vater inzwischen im Gefängnis. An einem Abend, der dramaturgisch gesehen aus einem Grisham-Roman hätte stammen können, hatte Sydney ihre Pflichten als Angetraute in den Wind geschossen, sich die Privatpapiere ihres Vaters unter den Nagel gerissen und dem FBI einen dezenten Hinweis gegeben. Ihre Lügen im Zeugenstand hatten ihr gemeinsames Leben mit ihrem Vater in eine Arena der Kautionsverhandlungen und der Durchsuchungsbefehle verwandelt und dafür gesorgt, dass Rocky ihren Vater künftig nur noch über ein Telefon durch eine Plexiglasscheibe sprechen konnte.
»Machst du Witze? Du kannst doch nicht im Ernst wollen, dass ich für Sydneys hauseigenen Rechtsberater arbeite. Sie hat dich hier reingebracht, hat praktisch die Tür zugeschlagen und den Schlüssel weggeworfen ...«
»Wenn mir etwas zustößt ... wenn ich hier nicht rauskomme, Baby, wer kümmert sich dann um dich?«
»Um mich? Ich bin dreiundzwanzig Jahre ...«
»Rocky, Liebes! Du hast gerade mit dem Jurastudium begonnen. Wenn ich meine Strafe tatsächlich absitzen muss, ist alles weg. Jeder Cent.«
»Sie hat es ...«
»Genau aus diesem Grund wird sie dir helfen. Welche Fehler Sydney auch immer haben mag, im Grunde ist sie kein schlechter Mensch. Sie hat euch Mädchen immer geliebt. Aber was deine Mutter betrifft, Rocky, wissen wir beide ...«
Aphrodite, Carmela, Petroula. Was für eine Närrin!
Um ihrem Vater einen Gefallen zu tun, hatte Rocky angefangen, im Kunstzentrum für Kinder zu arbeiten, das ihre Stiefmutter und deren Liebhaber, Jackson Bosse – ein cleverer junger Typ, der für seine breiten Schultern ebenso bekannt war wie für sein dickes Bankkonto – ins Leben gerufen hatten. Zu der Zeit, als von Jack die Suchmaschine für das Internet entwickelt wurde, hatte beim Namen Yahoo! noch alle Welt an einen Schoko-Shake gedacht. Es war allein Daddy gewesen, um dessentwillen Rocky zugestimmt hatte, Sydney bei den Baugenehmigungen und Bauleitungsgesetzen für ihre kindgerechte Galerie zu helfen.
Sie hat euch Mädchen immer geliebt, egal, wie du das siehst.
Ja, klar. Deshalb hatte Rocky sich auch darauf eingelassen, Sydneys Handlanger zu spielen. Und Sydney wiederum beobachtete sie mit Argusaugen und wartete nur darauf, dass sie einen Fehler machte.
Unmittelbar vor ihr stand eine Gruppe Schulkinder, die regelrecht an den Lippen ihres Museumsführers hingen. Rocky lächelte, als sie kurz die Hand zum Gruß hob. Erstklässler, dachte sie. Wie Madison, Aphrodites Jüngste.
Die Kinder standen um ein Gemälde in Erdfarben herum, auf dem die Zwillingsgötter aus dem Popul Vuh, dem Buch des Rates der Quiché-Mayas, dargestellt waren. Das Bild...




