E-Book, Deutsch, Band 35
Reihe: Cabra-Leder-Reihe
Brontë Emily Brontë, Sturmhöhe
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-33200-6
Verlag: Anaconda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vollständige Ausgabe des englischen Klassikers
E-Book, Deutsch, Band 35
Reihe: Cabra-Leder-Reihe
ISBN: 978-3-641-33200-6
Verlag: Anaconda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
- Das Meisterwerk jetzt im Dark-Academia-Outfit
- »Ein Buch wie ein Naturereignis!« NDR
- Nur einen Roman hinterließ Emily Brontë, aber der ist dafür weltberühmt und vielfach verfilmt
- »Trotz aller romantischen Züge besitzt Emily Brontës Roman eine enorme realistische Kraft und psychologische Modernität.« NDR, 2015
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1. Kapitel
1801. Soeben bin ich von einem Besuch bei meinem Verpächter zurückgekehrt. Dieser einsame Gutsnachbar wird mich noch manche Aufregung kosten. Aber die Landschaft ist schön! In ganz England hätte ich mich in keiner Gegend niederlassen können, die so vollkommen abseits vom gesellschaftlichen Treiben liegt. Ein echter Himmel für Menschenfeinde – und Mr Heathcliff und ich sind das richtige Paar, um diese Einöde miteinander zu teilen. Ein Prachtmensch! Er ahnte kaum, wie ich mich für ihn erwärmte, als seine schwarzen Augen bei meinem Heranreiten argwöhnisch unter den Brauen verschwanden und als sich beim Hören meines Namens seine Hände mit abweisender Gebärde tiefer in seinem Wams vergruben.
»Mister Heathcliff?«
Ein Nicken war die Antwort.
»Mr Lockwood, Ihr neuer Pächter. Ich gestatte mir, sogleich nach meiner Ankunft bei Ihnen vorzusprechen. Es hat Ihnen hoffentlich keine Unannehmlichkeiten bereitet, dass ich mich so hartnäckig um Thrushcross Grange beworben habe. Gestern hörte ich, Sie wollten –«
»Thrushcross Grange ist mein Eigentum, Sir«, unterbrach er mich zusammenzuckend. »Ich wüsste es schon zu verhindern, wenn jemand mir Unannehmlichkeiten bereiten wollte. Treten Sie ein.«
Dieses »Treten Sie ein« sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und es hieß in Wahrheit: »Gehen Sie zum Teufel!«. Sogar das Gattertor, auf das er sich lehnte, machte zu seinen Worten nicht die mindeste einladende Bewegung. Ich glaube, gerade dieser Umstand überzeugte mich davon, dieser Einladung folgen zu müssen: Ein Mann, der noch so viel reservierter auftrat als ich selbst, versprach interessant zu sein.
Als er sah, wie mein Pferd mit der Brust gegen den Zaun zu drücken begann, streckte er endlich die Hand aus und löste die Kette des Tors. Verdrossen ging er vor mir her und rief beim Betreten des Hofs: »Joseph, nimm das Pferd von Mr Lockwood und bring Wein herauf.«
Bei dieser umfassenden Anordnung dachte ich: Da haben wir wohl das gesamte Gesinde beisammen! Kein Wunder, wenn Gras zwischen den Steinen wächst und nur das Vieh für das Stutzen der Hecken sorgt.
Joseph war ein ältlicher, nun, eher ein alter oder sogar sehr alter Mann, doch sehnig und kräftig. »Gott steh uns bei!«, brummte er, während er mir vom Pferd half. Dabei sah er mir so trübe und missvergnügt ins Gesicht, dass ich großzügig schloss, er könne wohl sein Essen nur mit dem Beistand Gottes verdauen und sein frommer Seufzer beziehe sich nicht auf meine unerwartete Ankunft.
Wuthering Heights nennt sich Mr Heathcliffs Besitztum – »Umwitterte Höhen«. Der mundartliche Ausdruck »Wuthering« bezeichnet sehr klangvoll das Luftgefühl, das sich hier bei stürmischem Wetter entwickelt. Reine, kräftigende Luft gibt es hier oben immerzu. Mit welcher Gewalt der Nordwind um die Ecke bläst, lässt sich an den paar armseligen schiefen Föhren am Rand des Hauses erkennen. Auch die Reihe kahler Dornbüsche sieht aus, als bitte sie mit ihren nach einer einzigen Richtung gestreckten Armen die Sonne um ein Almosen. Doch der Baumeister hat mit aller Voraussicht das Haus solide errichtet. Die Fenster liegen tief in der Mauer, die Ecken sind geschützt durch vorspringende, breite Steine.
Bevor ich die Schwelle überschritt, bewunderte ich noch rasch die vielen grotesken Schnitzereien an der Vorderseite, besonders über der Eingangstür, wo mir in einem Gewimmel von Figuren, zerbröckelnden Greifen und lustig-nackten Putten die Jahreszahl 1500 und der Name Hareton Earnshaw auffiel. Gern hätte ich von dem wortkargen Eigentümer eine kurze Geschichte seines Anwesens erfahren. Aber seine Haltung an der Tür forderte meinen unverzüglichen Eintritt oder endgültigen Abzug und ich wollte seine Ungeduld nicht reizen, noch bevor ich das Heiligste besichtigt hatte.
Ohne Diele, ohne Flur führte eine Stufe unmittelbar in den Wohnraum der Familie, von ihr wunderbar »Das Haus« genannt. Ein solches enthält gewöhnlich auch Empfangszimmer und Küche; aber in Wuthering Heights musste sich die Küche in einen anderen Teil des Gebäudes zurückgezogen haben: Zumindest hörte ich tief aus dem Innern das Geklapper von Küchengeräten und ein Gewirr von Stimmen. An der mächtigen Feuerstätte des Wohnraums sah ich kein Anzeichen, dass man hier auch briet und buk, an der Wand glänzte keine kupferne Pfanne, kein zinnenes Sieb. Licht und Glut spiegelten sich mit starken Schimmern nur in den Reihen gewaltiger Zinnschüsseln, die sich abwechselnd mit silbernen Kannen und Krügen auf der eichenen Anrichte Schicht über Schicht bis zum Dach auftürmten. Unter diesem Dach war nie eine Zimmerdecke eingezogen worden; man sah sein nacktes Gerippe, von einer Stelle abgesehen, wo es sich hinter einem hölzernen Regal verbarg, das mit Haferkuchen und mit Riesenmengen von Hammel-, Rindskeulen und Schinken beladen war. Über dem Kamin hingen alte Räuberflinten sowie ein paar Reiterpistolen. Die drei grell bemalten Blechbüchsen auf dem Sims sollten wohl eine Art Schmuck sein. Der Fußboden war glatter weißer Stein. Hinter den einfachen, grün gestrichenen Lehnstühlen lauerten noch schattenhaft einige dunkle Sessel. Unter der Anrichte ruhte eine mächtige Hündin, ein leberfarbener Pointer, rings um sie quiekten ihre Jungen; in anderen Verstecken des Raums spukten weitere Hunde umher.
Zimmer und Einrichtung hätten zu einem einfachen Landwirt des Nordens gepasst, zu einem Mann mit grobem Gesicht, für dessen derbe Glieder Kniehose und Gamaschen die richtige Tracht sind. Solche Leute, in ihrem Lehnstuhl sitzend, den Krug mit schäumendem Ale vor sich auf dem runden Tisch, sind im Umkreis von fünf, sechs Meilen rings um diese Anhöhen überall anzutreffen, insbesondere wenn man sie im rechten Moment nach dem Mittagessen aufsucht. Mr Heathcliff jedoch steht in merkwürdigem Gegensatz zu seiner Behausung und Lebensart. Er sieht mit seiner dunklen Haut wie ein Zigeuner aus, aber Anzug und Umgangsform sind die eines Gentleman, nämlich in dem Sinn, wie mancher Landjunker ein Gentleman ist: etwas unordentlich, dennoch in der Erscheinung angenehm, weil vortrefflich gewachsen, dabei immer etwas mürrisch. Vielleicht vermuten manche bei ihm einen gewissen ungebildeten Hochmut. Bei mir aber schlägt eine verwandte Saite an, daher glaube ich so etwas nicht. Ich weiß instinktiv, dass seine Reserviertheit in einer Abneigung davor begründet liegt, die eigenen Gefühle zur Schau zu stellen und wechselseitig Liebenswürdigkeiten kundzutun. Er liebt und hasst genauso, aber im Verborgenen, und vielleicht hielte er es für eine Anmaßung, wollte man ihn wiederlieben und wiederhassen.
Aber ich gehe wohl zu weit, indem ich ihm allzu sehr meine persönlichen Eigenschaften unterlege. Mr Heathcliff kann ganz andere Gründe haben, wenn er vor demjenigen, der seine Bekanntschaft sucht, seine Hand versteckt. Besser sollte ich hoffen, dass mein Charakter eine Absonderlichkeit ist: Meine gute Mutter pflegte zu sagen, ich würde niemals ein gemütliches Zuhause besitzen. In der Tat habe ich mich erst im letzten Sommer als eines solchen nicht würdig erwiesen. Als ich bei herrlichem Wetter einen Monat an der See verbrachte, lernte ich eine ganz wundervolle Frau kennen, eine wahre Göttin in meinen Augen – solange sie mich nicht beachtete. Ich tat nie meine Liebe kund, wenigstens nicht in Worten. Doch meine Blicke sagten jedem beliebigen Menschen, dass ich grenzenlos verliebt war. Allmählich verstand sie mich und antwortete mir mit den süßesten Blicken, die man sich vorstellen kann. Und was tat ich? Mit Scham muss ich gestehen, dass ich mich kalt in mich selbst zurückzog wie eine Schnecke; dass ich bei jedem neuen Blick frostiger und fremder wurde. Schließlich zweifelte die arme Unschuld an der Gültigkeit ihrer eigenen Gefühle, und ganz niedergeschlagen von ihrem scheinbaren Irrtum, drängte sie ihre Mama zur Abreise. Durch solche unnatürliche Anlage habe ich mir den Ruf bewusster Herzlosigkeit erworben. Wie unverdient dieser Ruf ist, weiß ich allein.
Ich nahm an der anderen Seite des Kamins Platz, gegenüber dem Stuhl, auf den mein Wirt zuging. Um einen Moment des Schweigens auszufüllen, versuchte ich, die Hündin zu streicheln. Sie hatte ihre Brut verlassen, schlich sich wie ein Wolf von hinten an meine Beine heran und bleckte die weißen Zähne. Meine Liebkosung rief ein langes, dumpfes Knurren hervor.
»Lassen Sie den Hund lieber in Ruhe«, bemerkte Mr Heathcliff in sozusagen gleichfalls knurrendem Ton und er unterband weitere Liebesbezeigungen des Tiers mit einem Fußtritt. »Sie ist nicht gewohnt, dass man sie wie einen Schoßhund behandelt. Ist kein Haustier.«
Dann schritt er nach einer Seitentür hin und rief erneut: »Joseph!«
Undeutlich in der Tiefe des Kellers brummte Joseph, ohne heraufzukommen. Daher stieg sein Herr zu ihm hinab und ließ mich allein mit der scharfen Hündin und einem Paar struppiger Hütehunde, die grimmig an der allgemeinen Bewachung meiner leisesten Bewegungen teilnahmen. Ich hatte keine Lust, mit ihren Reißzähnen Bekanntschaft zu machen und saß still. Allerdings bildete ich mir leider ein, stumme Beleidigungen würden sie kaum verstehen, und zwinkerte und schnitt dem Trio Fratzen und irgendeine Grimasse brachte die Hundedame in solche Wut, dass sie auf meine Beine lossprang. Ich schleuderte sie zurück und rückte hastig den Tisch zwischen sie und mich. Das zog mir die ganze Meute auf den Hals. Ein halbes Dutzend vierpfotiger Unholde von verschiedenstem Wuchs und Alter sprang aus ihren verborgenen Lagern hervor. Sie griffen zunächst meine Fersen und Rockschöße...