Chayefsky | ALTERED STATES | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

Chayefsky ALTERED STATES


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7396-7559-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

ISBN: 978-3-7396-7559-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Edward Jessup, ein junger Psychophysiologe, experimentiert mit verschiedenen Bewusstseinszuständen, besessen von der Sucht nach Wahrheit und Erkenntnis. Er injiziert sich psychedelische Drogen, liegt eingeschlossen in einem Isolationstank und erlebt alle Stadien vormenschlicher Bewusstseinsstufen, bis schließlich schreckliche Veränderungen mit ihm vorgehen: Jessup verwandelt sich auch physisch in ein vormenschliches Wesen. Sein Wissensdurst treibt ihn in immer neue, zunehmend unumkehrbare Verwandlungen hinein. Erst das Entsetzen, als sich sein Körper in reine Energie aufzulösen beginnt, bringt ihn zurück zu menschlichen Bindungen.Paddy Chayefsky, einer der bedeutendsten US-amerikanischen Dramatiker, schrieb mit seinem Debüt-Roman einen atemberaubenden, gleichsam philosophischen Schocker. Im Jahr 1980 verfilmte der britische Regisseur Ken Russell den Roman auf der Grundlage des Drehbuches von Paddy Chayefsky - in den Hauptrollen: William Hurt, Blair Brown und Drew Barrymore.

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  Bethesda, Maryland   1965     Der Isolationstank selbst war nichts weiter als eine mit Aluminium ausgekleidete, sargartige Badewanne aus Sperrholz, 250 mal 250 mal 300 Zentimeter, zur Hälfte mit einer zehnprozentigen Magnesiumsulfat-Lösung gefüllt, die mehr Auftrieb erzeugt als reines Wasser. Die Flüssigkeit war auf 34°C aufgeheizt - die Temperatur, bei der ein schwimmender Körper die Schwerkraft am wenigsten spürt. Jeden Morgen kam ein anderer Freiwilliger vom Luftwaffenstützpunkt Andrews vorbei, zog sich aus und stand da, während ein Medizinstudent von der Johns Hopkins University ihm Blutproben abnahm und Jessup ihn an die Aufzeichnungsgeräte für Herz- und Gehirnströme anschloss. Herz, Puls, Blutdruck und die galvanische Hautreaktion wurden überprüft. Nach dieser Vorbereitung kletterte der Proband in den Tank und legte sich ins Wasser, das ihn in einem Schwebezustand hielt. Jessup und sein Assistent legten den Deckel auf und gingen in den Überwachungsraum. Im Tank schwamm der Freiwillige in völliger Dunkelheit und absoluter Stille, aller Sinnesreize beraubt, allein, isoliert.   Anfangs hatte man angenommen, in solch einem schwarzen, lautlosen Apparat eingesargt zu sein, werde Wahnzustände auslösen, zumindest aber Angst. Das war jedoch im Großen und Ganzen nicht der Fall. In den ganzen zwei Jahren zeigten nur fünf von 62 Versuchspersonen Zeichen von Angst und baten darum, aus dem Experiment entlassen zu werden. Die übrigen berichteten von vergnüglichen bis anregenden Erlebnissen. Anscheinend löste der Entzug äußerer Reize einfach eine ganze Reihe neuer innerer Reize aus. Alle Versuchspersonen, auch die vorzeitig ausgeschiedenen, berichteten von anfänglichen Störungen bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Das Gefühl der Beengtheit verschwand rasch, und schon nach einer halben Stunde konnten die Probanden nicht mehr angeben, ob sie erst seit zehn Minuten oder schon seit zwei Stunden im Tank waren. Die meisten erlebten eine intensive sensorische Erregung, vor allem auf dem Gebiet sexueller Phantasie; einige hatten sogar einen Orgasmus. 49 Versuchspersonen erlebten Halluzinationen, und fast alle sprachen von größerer Klarheit der geistigen Prozesse und sogar von neuen Denkstrukturen; ihr für gewöhnlich lineares und logisches Denken wurde ganzheitlich und konfigurativ. Sie sahen die Dinge als Gestalt, nicht mehr nur als Summe von Einzelheiten. Manche konnten auf Anhieb komplizierte algebraische Probleme lösen, die man sonst nur Schritt für Schritt in den Griff bekommt. Die häufigste Reaktion war ein tiefes Gefühl von Ruhe und neuer Spannkraft, das sich deutlich auch in den enzephalographischen Aufzeichnungen niederschlug. Für die erste Phase war ein ganz bestimmtes rhythmisches Wechselmuster kennzeichnend. Minuten nach der Aktivierungszeit traten in allen Gehirnregionen regelmäßige Alphawellen von 40-50 µV mit einer Frequenz von 11-12 Hz auf. Nach fünfzehn Minuten vergrößerte sich die Alpha-Amplitude auf 30-70 µV, und zwar vor allem in den frontalen und zentralen Regionen. Bei der Halbstundenmarkierung traten rhythmische Wellen von 7-8 Hz auf und dann plötzliche rhythmische Theta-Ketten von 70-100 µV und 6-7 Hz. Erstaunlich war die Ähnlichkeit dieses EEG-Musters mit Gehirnstrom-Messungen bei meditierenden Zen-Priestern.    Schließlich beschloss Jessup am 19. November 1965, einen Selbstversuch mit dem Tank zu wagen. Er hatte seine Versuchsreihe für die NASA abgeschlossen, und jetzt war er dabei, seine Ergebnisse niederzuschreiben. Der Tank wurde zu der Zeit nicht benutzt. Am Vormittag um halb zwölf ging er hinunter in den Versuchsraum, füllte den Tank einen Meter hoch mit Wasser, prüfte die Temperaturanzeige, zog sich aus und schwebte dann rücklings in der schwarzen, engen Stille.    Anfangs lenkten ihn verschiedene körperliche Faktoren ab. Er hatte Angst unterzugehen und bekam etwas Wasser in die Ohren. Zehen und Finger wurden runzlig. Er tappte mit den Füßen herum, erzeugte kleine Wellen und klammerte sich mit seltsamer Beklemmung an den letzten Rest von äußerer Empfindung. Es fiel ihm schwer, eine bequeme Lage zu finden, und nachdem er verschiedenes versucht hatte, blieb er endlich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen liegen. Er war sich der Kerkerenge zwischen den Wandungen des Tanks bewusst, aber am meisten überraschte ihn die vollkommene Schwärze seiner Umgebung. Selbst im dunkelsten Raum erwartet man ja immer, dass die Augen sich anpassen und irgendeinen Schimmer von Licht entdecken, aber hier gab es absolut kein Licht, nichts, auf das seine Augen sich hätten einstellen können. Es war erbarmungslos schwarz und plötzlich totenstill. Dieser jähe Schauer von Stille war erschreckend, tastbar, lebendig.   Er bekam Angst.   Niemand wusste, dass er hier war; was, wenn er den Deckel nicht heben konnte? Das Wasser stand nur einen Meter hoch im Tank, aber auch das erschien ihm gar nicht mehr so sicher. Er hatte das Gefühl, in bodenloser Schwärze zu schweben. Er glaubte zu ersticken. Panik riss sich aus der Tiefe des Selbst los und flutete über seinen weißen, nackten, schwebenden Körper. Dann, ganz plötzlich, war es weg, wie von dem warmen Wasser um ihn her ausgewaschen. Fast bildhaft deutlich sah er seine verflüssigte Angst, grünliche, zähflüssige Angst, die aus seinem Körper ins Wasser sickerte. Und schlagartig wurde ihm bewusst, dass er jetzt in dieser absoluten Schwärze sehen konnte. Es gab sogar eine ganze Menge Licht, fast ein Strahlen. Die Holzmaserung der schwarzen Wände hinter der Aluminiumverkleidung nahm lebendige Formen an. Plötzlich das Bild einer grünen Veronika, eines dieser mit dem Bildnis Christi bemalten Taschentücher, kalkweiß das Gesicht, mit kleinen roten Flecken auf den Wangen, auf der Stirn die Dornenkrone. Im nächsten Augenblick sah er eine unendlich weit surrealistische Landschaft, lange, blendendweiße Strände, und dort - lag sein Körper, in breiten, schwarzen Tuschestrichen skizziert.   Mein Gott, dachte er, ich halluziniere.   Interessant war, dass er trotz dieser halluzinatorischen Erfahrung sein rationales Bewusstsein nicht verlor. Er war Edward Jessup, er lag in einem Isolationstank in Bethesda, Maryland, und halluzinierte. Er fragte sich, was wohl die genauen physiologischen Ursachen einer Halluzination sind. Eine Seite aus einem medizinischen Textbuch erschien unvermittelt vor ihm auf einem Computerbildschirm. Er las: »Visuelle Eindrücke werden durch spontane Erregung von Teilen des Gehirns erzeugt.« Diese Feststellung erschien ihm ausgesprochen bombastisch. Plötzlich war alles rot, die Farbe der Wut. Er fühlte sich schreien: »Was denn für Teile des Gehirns? Wovon zum Teufel redest du eigentlich?«   Dann sah er das Bild eines Neuronenhaufens, schlafende Neuronen in halb dämmrigem Licht, richtig zusammengerollt wie im Schlaf. Die Bedeutung war klar: Das waren Vorratsneuronen, irgendwo in unserem Gehirncomputer eingelagert, irgendwann im Leben aufgeschnappte und dann aus dem rationalen Bewusstsein ausgefilterte Wahrnehmungen, der Stoff der Träume. Sie warteten darauf, aktiviert, entladen zu werden.   Eines war unmittelbar erschlagend deutlich: Von der Strandhalluzination abgesehen, war seine innere Bilderwelt physiologischer Natur. Offenbar trägt man die bestimmenden Denkmuster des normalen Lebens in die Halluzination hinein. Er war Physiologe, also nahmen seine Halluzinationen physiologische Formen an. Er blickte jetzt auf sein eigenes Gehirn, drang in die graue Masse donnernder Neuronen ein, die im Augenblick mit einem seltsamen Widerspruch beschäftigt waren. Wenn sowohl die Halluzinationen als auch das Bewusstsein dieser Halluzinationen Produkte seines eigenen Gehirns waren, wie konnte dann eins das andere distanziert betrachten, vor allem, wo sein Selbstbewusstsein jetzt die Gestalt einer geschwollenen, offenbar erregten Vagina annahm, in die sich eben sein ganzer Körper vor Erwartung zitternd hineinstürzte? Die Vagina verwandelte sich in das lebensnahe, überaus plastische Bild einer gesichtslosen und doch irgendwie schönen jungen Frau, die sich auf dem ewig weißen Strand von vorhin in sexueller Ekstase krümmte, und auch er war dort und wälzte sich mit ihr, drängte sich an sie, in sie hinein mit nie gekannter Hemmungslosigkeit, wild, frei, unbekümmert und heftig.   Ihm fiel auf, dass ihr Gesicht dem Antlitz Christi auf der Veronika glich, nur war es jetzt unter der Dornenkrone von Lust verzerrt. Dann Jessups berstender Orgasmus in einem roten Strahlenblitz und plötzlich war er wieder in dem schwarzen, lautlosen Tank, mühelos schwebend, unbeschwert, voll innerer Ruhe. Es hatte ihn gepackt.    Er stand in dem hüfthohen Wasser auf und drückte den Deckel hoch. Er ließ sich mühelos öffnen. Tropfnass kletterte er aus dem Tank in den schallgedämpften Raum. Seine Kleider und das Handtuch fand er in der Ecke, wo er sie hingelegt hatte. Er trocknete sich ausgiebig ab. Nach einer Weile fühlte er sich bereit, das gedämpfte Licht einzuschalten und wieder zur äußeren Wirklichkeit zurückzukehren.   Er war überaus zufrieden mit sich, fühlte eine nie gekannte Sinnlichkeit.   Er genoss es, sich gründlich zu frottieren.   Als er seine Armbanduhr aus der Jackentasche zog und die Zeit abzulesen versuchte, glaubte er 17.42 Uhr zu erkennen. Das konnte doch nicht sein!   Er schloss die Tür auf und ging, nackt wie er war, auf den hell erleuchteten Korridor und schaute noch einmal auf die Uhr: Es war siebzehn Minuten vor sechs. Er war also über sechs Stunden im Tank gewesen.   Es war...



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