E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Cnyrim Slenderman und Smile Dog
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95971-105-0
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Creepypasta und Großstadtlegenden
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-95971-105-0
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Petra Cnyrim, geb. 1975, lebt und arbeitet als Autorin in München. Die urbanen Legenden haben sie schon lange fasziniert und sie hofft inständig, niemals eine giftige Spinne in ihren Zimmerpflanzen zu entdecken.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Kuckucksuhr
In dieser Geschichte variieren je nach Herkunftsland die Gegenstände. Der Hergang an sich wird jedoch fast immer gleich wiedergegeben.
Nach dem Tod meines Großvaters tat mir meine Oma immer sehr leid, wie sie ganz alleine in der Wohnung saß, die die beiden über 50 Jahre lang bewohnt hatten. Sie hatte, wie es schien, zusammen mit meinem Großvater auch ihre Aufgabe im Leben verloren und das merkte man ihr an.
Deshalb entschied ich mich, sie jedes zweite Wochenende zu besuchen. Ich freute mich immer, sie zu sehen, und ließ mich auch zugegebenermaßen immer gerne von ihrer Kochkunst verwöhnen. Und sie war immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie mich wiedersah. Es sei für sie jedes Mal wie Weihnachten, wenn ich auftauche, pflegte sie zu sagen. In dem Moment waren ihre Trauer und ihr Unmut verschwunden und sie war wieder der lustige Mensch, den ich aus früheren Tagen kannte.
An einem der besagten Samstagabende fiel ihr auf, dass sie vergessen hatte, das Bier zu kaufen, das ich so gerne trank. Ich versuchte sie zwar davon zu überzeugen, dass das nun wirklich kein Problem sei, aber da es sie froh machte, mich verwöhnen zu können, gab ich irgendwann nach und ließ sie ziehen. Sie bestand darauf, schnell gegenüber in den kleinen Laden zu gehen, sie wisse ja ganz genau, wo das Bier dort stehe, und sei deshalb auch gleich wieder da.
Kurz nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, passierte etwas Merkwürdiges. Die Kuckucksuhr meines Großvaters fiel von der Wand. Ich ging hin und hob sie auf. Es war nichts beschädigt, wobei die Uhr schon lange nicht mehr funktionierte, denn die Uhr war an dem Tag, an dem mein Opa verstorben war, stehen geblieben. Seitdem war sie für meine Großmutter eine Art Gedenkstätte geworden und sie richtete öfter das eine oder andere Wort an die Uhr.
Als sie wieder an der Wand hing und ich mich auf den Weg zurück zum Sofa machte, hörte ich erneut ein lautes Scheppern. Und da lag sie – schon wieder!
Ich überprüfte den Haken und den Nagel, um die Uhr vor einem erneuten Sturz zu bewahren. Doch es passierte genau dasselbe: Kaum hatte ich mich einige Meter entfernt, fiel die Uhr zu Boden. Das ganze Spiel wiederholte sich an die zehn Mal, bis ich begriff, dass es sich um eine Botschaft handeln musste. Ich rannte aus der Wohnung und durch das Treppenhaus und da sah ich sie liegen, meine Großmutter. Sie lag am Fuß der Treppe, ohnmächtig, mit einer kleinen Platzwunde am Kopf.
Die Sanitäter waren sofort vor Ort und versorgten meine Oma, die schon wieder zu sich gekommen war. Als ich ihr von dem Vorfall mit der Uhr erzählte, lief eine kleine Träne über ihre Wange und sie sagte:
»Ja, mein Ludwig hat schon immer auf mich aufgepasst.«
DIE LEICHE IM GARTOPF
In einem kleinen Städtchen in Italien fand beinahe die gesamte Bevölkerung Arbeit in der einzigen Fabrik, die der Ort zu bieten hatte. Jeder war heilfroh über seine Anstellung und deshalb beschwerte sich auch niemand über die teilweise unzumutbaren Arbeitsbedingungen, die dort herrschten. Man akzeptierte es entweder stillschweigend oder unternahm etwas dagegen, wenn es unbemerkt bleiben konnte. So hatte es sich Maria aus der Spätschicht angewöhnt, nach getaner Arbeit und bevor sie nach Hause ging, nicht die für die Angestellten vorgesehenen Duschen im Waschraum zu benutzen. Die Waschräume waren derart dreckig und ekelerregend, dass sie eines Abends beschlossen hatte, in dem riesigen beheizbaren Wurstkessel ein Bad zu nehmen, sobald alle anderen verschwunden waren.
Und das klappte ganz wunderbar. Sie ließ den Kessel mit Wasser volllaufen, stellte die Temperatur ein und genoss so zweimal in der Woche ein kostenloses heißes Entspannungsbad in dem gereinigten Riesentopf.
Doch an einem Abend nahm das Schicksal seinen Lauf, denn der Deckel, den sie nicht gut genug befestigt hatte, schlug zu und verhakte sich in den Schlössern. Maria schrie und versuchte mit aller Kraft, den Deckel zu öffnen. Aber sie hatte keine Chance, er war fest verriegelt.
Am nächsten Morgen kamen die Arbeiter der Frühschicht und machten eine grausige Entdeckung. In dem Wurstkessel der Fabrik trieb eine Leiche. Das Fleisch war über Nacht so lange gekocht worden, dass es sich von den Knochen gelöst hatte und in Fetzen durch die Brühe trieb. Daneben ein Skelett.
Die Gerichtsmediziner sprachen von einem tragischen Unfall, der wahrscheinlich beim Reinigen des Topfes passiert war. Sie gingen davon aus, dass die Person, die später als eine der langjährigen Angestellten identifiziert wurde, langsam und qualvoll erstickt sein musste. Eine Obduktion der Leiche war jedoch auf Grund ihres Zustandes nicht mehr möglich.
Die unsaubere Frisur
Die Geschichte soll sich vor zwei Jahren in Berlin zugetragen haben. Ein junger Mann, der seit Jahren Dreadlocks trug, wunderte sich darüber, dass seine Haare irgendwann anfingen zu stinken. Er wusch sie daraufhin einige dutzend Male, aber es wurde nicht besser. Auch das Wasser verfärbte sich bei jedem Waschgang weiterhin braun.
Nach ein paar Wochen entschied er sich dazu, seine geliebten Haare wohl oder übel abschneiden zu lassen. Was dann zum Vorschein kam, war ekelerregend: In den Haaren befand sich ein großes Nest voller Fliegeneier und Maden.
DER LEIBHAFTIGE
Diese Erzählung räumt auf sehr direkte Art und Weise mit der uralten Angst vor fremden oder andersartigen Menschen und den damit verbundenen Vorurteilen auf. Mythen und Sagen enthalten übrigens recht oft derlei moralische Botschaften.
In einem kleinen Ort in Polen besuchte ein Junge seine neue Schule. Er war mit seinen Eltern von weit her gekommen, aber keiner der Dorfbewohner wagte es, genauer nachzufragen, denn die Familie des Jungen schien in ihren Augen sehr merkwürdig. Der Junge hatte es somit nicht leicht, sich in der neuen Gemeinschaft in seiner Schule einzuleben. Das lag zum einen an dem Argwohn, mit dem die heimischen Familien die Neuankömmlinge betrachteten, und zum anderen an dem Aussehen des Jungen. Er war kleiner als die anderen Kinder in seinem Alter und auf eine gewisse Art und Weise sah er kümmerlich aus. Dazu kam, dass er nicht richtig sprechen konnte. Sobald er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, kamen nur Wortfetzen und Stottern heraus. Die Kinder bezeichneten ihn als Spinner und Psychopathen, was dazu führte, dass er bald zum Opfer gemeiner Hänseleien wurde.
Nach einem halben Jahr war es so weit gekommen, dass er nur noch unter dem Druck seiner Eltern zur Schule ging und sich in den Unterrichtspausen sofort vor den anderen Kindern versteckte. Die Lehrer waren ratlos. Mit seinen Eltern konnten sie genauso wenig reden wie mit den Eltern der anderen Schulkinder, die ihn ärgerten. Irgendwann aber hatten sich anscheinend alle mit der Situation abgefunden. Die Jahre vergingen und niemand machte sich mehr Gedanken über den Jungen und sein Leiden. Eines Tages jedoch kam er nicht mehr zur Schule. Er war verschwunden. Selbst seine Eltern hatten keine Ahnung, wo ihr Sohn steckte.
Die Wochen verstrichen und man fand den Junge nicht. Die Suche nach ihm wurde irgendwann eingestellt. Doch eines Tages fanden zwei Bauern des Ortes einige ihrer Tiere tot vor. Sie waren aber nicht eines natürlichen Todes gestorben. Jemand hatte ihnen den Mund zugenäht und den Bauch aufgeschnitten. Um die Kadaver herum waren merkwürdige Zeichen in die Erde geritzt, die keiner zu deuten vermochte.
Die Einwohner des Dorfes riefen also einen Wachtrupp aus, der nachts auf die Tiere der ansässigen Landwirte aufpassen sollte. Im Idealfall könnten sie so den Täter auf frischer Tat ertappen. Aber sie mussten bald feststellen, dass der Plan nicht funktionierte. Im Gegenteil, es kam noch schlimmer. Die Schändungen der Tiere hörten auf, aber dafür wurde eine Woche später einer der Jungen der Gemeinde vermisst.
Der Trupp fand ihn am nächsten Tag auf einer Lichtung. Das Gras um ihn herum war platt getreten. Er lag in einer Pfütze aus Blut – seinem eigenen Blut. Auch ihm hatte jemand den Mund zugenäht und den Bauch aufgeschnitten. Daneben wieder die Zeichen im Boden.
Die Dorfgemeinde war in heller Aufruhr und berief sofort eine Versammlung ein. Es war offensichtlich, dass es sich um einen Täter handelte, der immer nach demselben Schema vorging. Auch die Polizei, die inzwischen vor Ort war, bestätigte die Vermutung. Aber es gab keine Spur, und die Zeichen, die in den Boden geritzt waren, konnte niemand deuten.
Das Morden nahm kein Ende. Kurz nach dem ersten grausigen Fund wurden zwei Kinder tot an einem Waldrand aufgefunden, und auch hier fand man dieselben seltsamen Spuren und Zeichen vor.
Die Menschen des Dorfes waren so verunsichert und die Polizei so ratlos, dass einige den Ort verließen, um ihre Kinder zu schützen. Und diejenigen, die blieben, sollten es am Ende bitter bereuen. Nach einiger Zeit wurden beinahe täglich neue Leichen entdeckt. Allen war der Mund zugenäht und der Bauch aufgeschnitten. Dabei wurden die Positionen, in denen die Toten gefunden wurden, immer grotesker. Manchmal saßen die Opfer aufrecht auf Stühlen, manchmal standen sie an Bäume gelehnt, als würden sie gerade nur eine Pause machen.
Bei einer weiteren Versammlung im evangelischen Pfarrhaus des Ortes sprang eine Frau auf und rief:
»Das ist das Werk des Teufels! Die Zeichen sind die Sprache des Leibhaftigen!«
Der Pfarrer redete beschwichtigend auf die völlig hysterische Frau ein und erklärte ihr, dass das wirklich Unsinn sei. Und dass solche Gedanken der ganzen Unerträglichkeit der schrecklichen...




