E-Book, Deutsch, 322 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
Colfer Artemis Fowl - Der Geheimcode
11001. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8437-0185-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der dritte Roman
E-Book, Deutsch, 322 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0185-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eoin Colfer lebt mit seiner Familie in Dublin. Er war Lehrer und hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet, ehe er als Schriftsteller für junge Leser erfolgreich wurde. Neben seiner inzwischen 8-bändigen Artemis-Fowl-Serie, die in 34 Ländern erscheint, hat er zahlreiche weitere Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Außerdem ist er als Autor von Hardboiled-Krimis für Erwachsene erfolgreich.
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Kapitel 1
Der Würfel
Knightsbridge, London
Artemis Fowl war beinahe zufrieden. Sein Vater sollte bald aus dem Universitätskrankenhaus in Helsinki entassen werden. Er selbst freute sich auf ein leckeres – wenn auch recht spätes – Mittagessen im En Fin, einem Londoner Fischrestaurant, und der Geschäftsmann, mit dem er verabredet war, musste jeden Moment eintreffen. Alles lief nach Plan.
Butler, sein Leibwächter, war nicht ganz so entspannt. Aber das war er eigentlich nie. Man wurde nicht zu einem der tödlichsten Männer der Welt, indem man in seiner Wachsamkeit nachließ.
Der riesige Eurasier glitt zwischen den Tischen des Lokals umher, versteckte die übliche Sicherheitsausstattung und räumte Fluchtwege frei.
»Haben Sie die Ohrstöpsel eingesetzt?«, fragte er seinen Arbeitgeber.
Artemis stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ja, Butler, obwohl ich kaum glaube, dass wir hier in Gefahr sind. Schließlich wird das ein vollkommen legales Geschäftsessen am helllichten Tag, Himmel noch mal.«
Bei den Ohrstöpseln handelte es sich genau genommen um Schallfilterschwämme, die aus einem Helm der Zentralen Untergrund-Polizei ausgebaut worden waren. Butler hatte die Helme samt einem ganzen Schatz weiterer Elfentechnologie vor über einem Jahr erbeutet, als einer von Artemis’ verbrecherischen Plänen ihn mit einer Bergungseinheit der Unterirdischen konfrontiert hatte. Die Schwämme wurden in den Laboren der ZUP gezüchtet und besaßen hauchdünne, poröse Membranen, die sich automatisch verschlossen, wenn die Dezibelstärke über den verträglichen Bereich hinausging.
»Schon möglich, Artemis, aber Killer schlagen nun mal gerne dann zu, wenn man nicht damit rechnet.«
»Mag sein«, erwiderte Artemis und betrachtete eingehend den Vorspeisenteil der Karte, »aber wer sollte ein Motiv haben, uns umzubringen?«
Butler warf einer Frau an einem der wenigen besetzten Tische einen drohenden Blick zu, nur für den Fall, dass sie etwas im Schilde führte. Die Frau musste mindestens achtzig sein. »Vielleicht sind sie gar nicht hinter uns her. Vergessen Sie nicht, Jon Spiro ist ein mächtiger Mann. Er hat eine Menge Firmen in den Ruin getrieben. Wir könnten zwischen die Fronten geraten.«
Artemis nickte. Wie immer hatte Butler Recht – und nur aus diesem Grund waren sie beide noch am Leben. Jon Spiro, der Amerikaner, den er erwartete, war genau die Sorte Mann, die die Kugeln von Killern auf sich zog. Ein erfolgreicher Milliardär aus der IT-Branche mit dunkler Vergangenheit und angeblichen Verbindungen zur Mafia. Gerüchten zufolge verdankte seine Firma Fission Chips ihren Erfolg allein gestohlenen Forschungsunterlagen. Natürlich konnte das nie nachgewiesen werden, obwohl die Chicagoer Staatsanwaltschaft es fleißig versucht hatte, und zwar mehr als einmal.
Eine Kellnerin kam herüber und lächelte Artemis strahlend an. »Hallo, junger Mann. Soll ich dir die Kinderkarte bringen?«
An Artemis’ Schläfe begann eine Ader zu pochen. »Nein, Mademoiselle, Sie brauchen mir nicht die Kinderkarte zu bringen, da die Kinderkarte selbst zweifelsohne besser schmeckt als das, was sich dort verzeichnet findet. Ich möchte à la carte speisen. Oder servieren Sie Minderjährigen keinen Fisch?«
Das Lächeln der Kellnerin wurde sichtlich kühler. Diese Wirkung hatte Artemis’ Ausdrucksweise auf die meisten Menschen.
Butler verdrehte die Augen. Und Artemis fragte sich, wer einen Grund hätte, ihn umzubringen? Nun, die meisten Kellner und Schneider Europas zum Beispiel.
»Sehr wohl, Sir«, stammelte die bedauernswerte Kellnerin. »Was immer Sie wünschen.«
»Was ich wünsche, ist eine Kombination von Hai und Schwertfisch, in der Pfanne sautiert, auf einem Bett aus Gemüse und neuen Kartoffeln.«
»Und zu trinken?«
»Quellwasser. Irisches, wenn Sie haben. Und bitte ohne Eis, da Ihr Eis, wie ich annehme, aus einfachem Leitungswasser gemacht ist, was der Absicht, Quellwasser zu trinken, wohl in sich widerspricht.«
Die Kellnerin hastete in die Küche, froh, dem bleichen Jungen von Tisch sechs zu entkommen. Sie hatte mal einen Vampirfilm gesehen, und das untote Wesen hatte genau denselben hypnotischen Blick gehabt. Vielleicht drückte der Kleine sich deshalb so erwachsen aus, weil er in Wirklichkeit fünfhundert Jahre alt war.
Artemis lächelte in Vorfreude auf sein Essen, ohne die Bestürzung zu bemerken, die er hervorgerufen hatte.
»Bei den Schulbällen werden Sie ein echter Hit sein«, bemerkte Butler.
»Wie bitte?«
»Sie haben das arme Mädchen fast zum Weinen gebracht. Es würde Ihnen nicht wehtun, gelegentlich ein wenig freundlicher zu sein.«
»Ich glaube kaum, dass ich zu irgendwelchen Schulbällen gehen werde, Butler.«
»Das Tanzen ist nicht der Punkt. Es geht um die Kommunikation.«
»Kommunikation?«, spottete der junge Master Fowl. »Ich glaube kaum, dass es einen Teenager gibt, dessen Vokabular mit meinem mithalten kann.«
Gerade als Butler ihm den Unterschied zwischen Sprechen und Kommunizieren erklären wollte, öffnete sich die Tür des Restaurants. Ein kleiner, braun gebrannter Mann trat ein, flankiert von einem regelrechten Riesen. Jon Spiro und sein Leibwächter.
Butler beugte sich zu seinem Schützling hinunter. »Seien Sie vorsichtig, Artemis«, flüsterte er. »Ich habe schon so einiges über den Großen gehört.«
Spiro schlängelte sich mit ausgestreckten Armen zwischen den Tischen hindurch. Er war ein Amerikaner mittleren Alters, dünn wie ein Speer und kaum größer als Artemis. In den Achtzigern hatte er auf Frachtschiffe gesetzt, in den Neunzigern war er mit Aktien steinreich geworden. Jetzt war Kommunikationstechnologie an der Reihe. Er trug einen weißen Leinenanzug, sein Markenzeichen, und an den Fingern und Handgelenken hing genug Schmuck, um das Taj Mahal zu vergolden.
Artemis erhob sich, um seinen Geschäftspartner zu begrüßen. »Willkommen, Mr Spiro.«
»He, kleiner Artemis Fowl, wie geht’s, wie steht’s?«
Artemis schüttelte die dargebotene Hand. Der Schmuck rasselte wie der Schwanz einer Klapperschlange. »Danke, bestens. Freut mich, dass Sie kommen konnten.«
Spiro zog sich einen Stuhl heran. »Wenn Artemis Fowl mir ein Angebot machen will, würde ich sogar über Glasscherben gehen, um mich mit ihm zu treffen.«
Die beiden Leibwächter musterten sich unverhohlen. Abgesehen von der Körpermasse waren sie so verschieden, wie man nur sein konnte. Butler war der Inbegriff zurückhaltender Effizienz. Schwarzer Anzug, kahl geschorener Kopf, so unauffällig, wie es bei einer Größe von fast zwei Metern möglich war. Der Neuankömmling hatte wasserstoffblondes Haar, ein T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln und silberne Piratenringe in beiden Ohren. Dies war kein Mann, der vergessen oder übersehen werden wollte.
»Arno Blunt«, sagte Butler. »Ich habe von Ihnen gehört.«
Blunt baute sich neben Jon Spiro auf. »Butler. Einer von den Butlers«, betonte er mit neuseeländischem Akzent. »Es heißt, ihr wärt die Besten. Sagt man jedenfalls. Hoffen wir, dass wir den Ruf nicht auf die Probe stellen müssen.«
Spiro lachte. Es klang wie eine Schachtel voller Grillen. »Arno, bitte. Wir sind hier unter Freunden. Heute ist kein Tag für Drohungen.«
Butler war sich da nicht so sicher. Der Soldatensinn unter seiner Schädeldecke summte wie ein Hornissennest. Gefahr lag in der Luft.
»Nun, mein Freund, kommen wir zum Geschäft«, sagte Spiro und fixierte Artemis aus eng zusammenstehenden dunklen Augen. »Mir ist während des gesamten Flugs das Wasser im Munde zusammengelaufen. Was hast du für mich?«
Artemis runzelte die Stirn. Er hatte gehofft, die Arbeit könnte bis nach dem Essen warten. »Möchten Sie nicht zuerst die Speisekarte sehen?«
»Nein. Ich nehme kaum noch etwas zu mir. Außer Tabletten und Flüssigkeiten. Magenprobleme.«
»Gut«, sagte Artemis und legte einen Aktenkoffer aus Aluminium auf den Tisch, »dann also zum Geschäftlichen.«
Er öffnete den Deckel. In dem Koffer lag, schützend eingehüllt in blauen Schaumstoff, ein roter Würfel von der Größe eines Minidisk-Players.
Spiro polierte sich die Brillengläser mit der Spitze seiner Krawatte. »Was soll das sein, mein Junge?«
Artemis stellte den schimmernden Würfel auf den Tisch. »Die Zukunft, Mr Spiro. Ihrer Zeit voraus.«
Jon Spiro beugte sich vor, um das Ding genauer zu betrachten. »Sieht aus wie ein Briefbeschwerer.«
Arno Blunt feixte spöttisch und warf Butler einen herausfordernden Blick zu.
»Nun gut, eine kleine Vorführung.« Artemis griff nach dem Metallkasten. Er drückte auf einen Knopf, und das Gerät begann leise zu summen. Eine Blende glitt zur Seite, und ein Bildschirm und ein Paar Lautsprecher kamen zum Vorschein.
»Niedlich«, grummelte Spiro. »Ich bin sechstausend Kilometer geflogen wegen eines Minifernsehers?«
Artemis nickte. »Ein Minifernseher. Richtig. Aber auch ein sprachgesteuerter Computer, ein Handy und ein Multifunktionsscanner. Dieser kleine Kasten kann jede Art von Information auf absolut jeder Plattform lesen, ob elektronisch oder organisch. Er kann Videos, Laserdisks und DVDs abspielen, im Internet surfen, E-Mails abrufen und sich in jeden Computer einloggen. Er kann sogar Ihre Brust durchleuchten und Ihren Puls messen. Seine Batterie hat eine Lebensdauer von zwei Jahren, und natürlich funktioniert er vollkommen kabellos.«
Artemis hielt inne, um das Gesagte sacken zu lassen.
Spiros Augen hinter den Brillengläsern wirkten riesig. »Willst du damit sagen, dieser Kasten …«
»Wird jede andere Technologie überflüssig...