Conradi | Kosmopolitische Zivilgesellschaft | Buch | 978-3-593-39509-8 | sack.de

Buch, Deutsch, 318 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 400 g

Conradi

Kosmopolitische Zivilgesellschaft

Inklusion durch gelingendes Handeln
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-39509-8
Verlag: Campus

Inklusion durch gelingendes Handeln

Buch, Deutsch, 318 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 400 g

ISBN: 978-3-593-39509-8
Verlag: Campus


'Gelingendes Handeln' wirkt gesellschaftlicher Diskriminierung entgegen und veranlasst so einen bemerkenswerten Wandel. Elisabeth Conradi stellt Konzeptionen und Erscheinungsformen gelingender sozialer Praxis vor und geht auf die Schlüsselrolle der Zivilgesellschaft für die Veränderungsprozesse ein. Die gelingende zivilgesellschaftliche Praxis ist kosmopolitisch: Der dadurch ermöglichte Wandel führt zur innergesellschaftlichen Inklusion und zur Entwicklung einer 'Weltgesellschaft', in der Achtung und Anerkennung zwischen den Menschen zunehmen.

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Inhalt

Vorwort 11

Einleitung 15
Gesellschaftlicher Kosmopolitismus 16
Inklusion als Thema politischer Theoriebildung 18
Transformation durch zivilgesellschaftliches Handeln 21
Vorgehensweise 22

I. Gesellschaftliche Diskriminierung: Der Körper im öffentlichen Raum 27
1. Der Körper als Fluchtpunkt von Zuschreibungen 28
Was bedeutet ›Diskriminierung‹? 29
Absichtslose Zurückweisung 31
Die Krankheit des Sozialen: Phobie und Pathologie 36
Der Körper im Prozess ›gesellschaftlicher Diskriminierung‹ 40
Eine somatische Triade 44

2. Diskriminierung als 'ideologisches Phänomen' 48
Über das Verhältnis des Handelns zu den Vorstellungen 50
Wie determinierend ist Ideologie? 54
Bleibt die Körperfixierung unberücksichtigt? 59
Ein ›kulturalistischer‹ Begriff in der Kritik 63

3. Vom Wiedererkennen der unbekannten Person 69
Die Zuweisung und Bewertung von Eigenschaften 69
Bewertung in Relation 72
Klassifizierende Gruppenzuordnungen 74
Serialisierung 77
Umgang mit Phänomenen, die eigene Vorannahmen stören 79
Korrekturpraxis 82

II. Zivilgesellschaft und Politik 87
1. Regierung, Gesellschaft und die ›Freien Vereinigungen‹ 88
Segregation beim Schulbesuch in den USA 90
Das 'Öffentlich-Politische' und die Gesellschaft 94
Die ›freien Vereinigungen‹ und die Courage der citizens 97
Freiheit und Freiwilligkeit 100

2. Die Zivilgesellschaft und das gelingende Handeln 103
Gemeinsames Engagement: selbst organisiert und freiwillig 105
Das Gemeinwesen gestalten und Umgangsweisen kultivieren 106
Kritik an einer ›politischen‹ Definition 109
Zivilgesellschaftliches Handeln 111
Gelingendes Handeln durch Gewaltverzicht 114
Die transformierende Kraft zivilgesellschaftlichen Handelns 116

3. Vier Modelle zivilgesellschaftlicher Wirkungsweisen 120
Zivilgesellschaft als Manufaktur der Werte 122
Zivilgesellschaft als Megaphon sozialer Problemlagen 125
Zivilgesellschaft als tragendes Gewebe 128
Zivilgesellschaft als Sand im Getriebe 130
Die Wirkungsweise zivilgesellschaftlichen Handelns 133

III. Das Konzept des Wandels durch gelingendes Handeln 139
1. ›Kosmopolitismus‹ und das ›gelingende Handeln‹ 140
Entscheidung, Vollzug und Gewöhnung: eupraxia 142
Zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts 146
Die Kunst des Zusammenschlusses 148
Von der gelingenden Handlungsweise zur allgemeinen Praxis 150
Transformation durch gelingende Praxis 154

2. Die Bedeutung des Körpers beim ›Wandel durch Handeln‹ 157
Politisches Handeln in der Gesellschaft 158
Pluralität und die Enthüllung der Person im Handeln 161
Körper und Wandel 165
Transformation durch körperliches Handeln 169
Wandel durch gelingendes Handeln 174

IV. Auf welche Weise transformiert das Handeln? 179
1. Learning by doing 180
Best practices 181
Benchmarking 184
Komparatistische Verfahren 187
Gegenwärtige und zukünftige Handlungsweisen 189
Mainstreaming 191
Induktion, Extrapolation, Kasuistik 194
Gütekriterien 196
Identitätspolitik oder advokatorische Politik? 199
Eine hervorragende Handlungsweise als Vorbild 202

2. Sprache und Transformation 206
Deliberative Demokratie und das Argumentieren 207
Ignoranz als Hindernis offener Kommunikation 210
Die Begrüßung als Kommunikationsform 213
Die Kultur der Debatte 215
Gewöhnung an das Ungewohnte durch das Wohnen 218
Die funktionale und soziale Dimension des Wohnens 219
Gemeinsames Wohnen als Ausgangspunkt des Wandels 222
Zivilcourage 226

V. Drei Formen transformierender Praxis 231
1. ›Reflektieren‹ 232
Erfahrungen teilen und schmerzhaftes Erleben transformieren 233
Bewusstseinsbildung 237
Intersektionalität 242
Privilegien ermitteln und sorgloses Ausleben erschüttern 244
Das sorglose Ausleben hegemonialer Körperlichkeit 246
Das ›Reflektieren‹ in zivilgesellschaftlichen Gruppen 248

2. ›Erinnern‹ 251
Sich an erlebtes Leid ›erinnern‹ 252
Werden Klischees und Ressentiments gesellschaftlich vererbt? 255
Rekonstruierendes Quellenstudium 258
Korrigierendes ›Erinnern‹ und gesellschaftliche Verankerung 263
Gedenken an die Shoah 265

3. ›Übersetzen‹ 268
›Übersetzen‹ und Zuhören 269
Hull House und die Settlement-Bewegung 270
Vermitteln, Vertreten oder Bevormunden? 274
Erleben, Artikulieren und ›Übersetzen‹ 277
Transformation durch Praxis 280

Synthese 283
Transformation, gesellschaftlicher Kosmopolitismus und gelingende zivilgesellschaftliche Praxis – ein programmatisches Dreiergespann 283
Bestimmungsmerkmale zivilgesellschaftlichen Engagements 284
›Kosmopolitismus‹ und das ›gelingende Handeln‹ 288
Transformation: sprachlich, körpersprachlich und körperlich 289
›Reflektieren‹, ›Erinnern‹ und ›Übersetzen‹ 293
Inklusion durch gelingendes Handeln 295

Literatur 297


Einleitung

Der 'Marsch auf Washington' gilt als einer der Höhepunkte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Mehr als 200.000 überwiegend afroamerikanische Männer und Frauen demonstrierten am 28. August 1963 friedlich für ihre Freiheit (freedom), für die tatsächliche Durchsetzung ihres Wahlrechts und die Gleichberechtigung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen sowie gegen die damals in den Südstaaten der USA gesetzlich verankerte Segregation von Menschen entlang der Kategorien 'white' und 'colored', beispielsweise in den öffentlichen Schulen und im Personennahverkehr.
Als einer der Redner dieser Großdemonstration hielt Martin Luther King eine berühmt gewordene Ansprache, in der er rhetorisch das Bild einer Welt ohne Rassismus entwarf. Er äußerte dabei die Hoffnung 'that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character'. Das amerikanische civil rights movement war überaus erfolgreich, und dennoch ist die von Martin Luther King formulierte Vision bisher im Hinblick auf seine Kinder nicht in Erfüllung gegangen. Was muss noch geschehen und woran lässt sich bereits anknüpfen, damit diese Vision für seine Enkeltochter zur Realität wird?
In mehrfacher Hinsicht ist die durch Diskriminierung und Segregation geprägte Situation in den USA der 1950er Jahre in dieser Studie ein Bezugspunkt: Auf die Zivilcourage von Rosa Parks, die durch die Weigerung, ihren Sitzplatz im Bus freizugeben, einen Anstoß zur Aufhebung der Segregation im Personennahverkehr gab, wird ebenso eingegangen wie auf die Überlegungen Hannah Arendts zur Segregation in den Schulen und zur Rolle von Staat und Gesellschaft bei deren Aufrechterhaltung. Eingehend werden auch die Vorschläge des Soziologen Charles Johnson zur Verbesserung der race relations erörtert.
Gleichwohl handelt dieses Buch nicht von den nordamerikanischen Verhältnissen des letzten Jahrhunderts, sondern von der europäischen Gegenwart. Denn die von Martin Luther King geäußerte Hoffnung, Menschen würden eines Tages nicht mehr nach ihrem körperlichen Erscheinungsbild beurteilt werden, bleibt für Viele in Deutschland derzeit noch ein unerfüllter Wunsch. Wer sich im Rollstuhl fortbewegt, sein Schwulsein nicht versteckt, erkennbar eine Kippa trägt oder im Hinblick auf die Hautfarbe als ›fremd‹ betrachtet wird, kann sich im öffentlichen Raum nicht durchgehend sicher fühlen und muss mit gesellschaftlicher Diskriminierung rechnen. Diese zeigt sich in Form von im Vorübergehen fallen gelassenen oder direkt geäußerten Bemerkungen. Sie zeigt sich bei der Wohnungssuche, bei der Verwehrung des Zutritts zu einer Diskothek oder beim gescheiterten Versuch, Aufnahme in einen Kleingartenverein zu finden. Kinder müssen auf ihrem Schulweg Anfeindungen ertragen, Erwachsenen wird mehr oder weniger dezent deutlich gemacht, dass sie an bestimmten Orten unerwünscht sind oder zumindest als Fremdkörper wahrgenommen werden.
Solche Formen der Diskriminierung in der europäischen Gegenwart bilden den Ausgangspunkt dieses Buches. Es handelt von den Möglichkeiten, diese zu verringern, also von den Chancen einer gesellschaftlichen Transformation mit dem Orientierungspunkt zunehmender Inklusion, und regt an, über Europa hinauszudenken. Denn Diskriminierung ist ein weltweites und insbesondere ein inner-weltgesellschaftliches Problem, das eine entsprechende konzeptuelle Fassung verdient. Dies soll im Rahmen eines gesellschaftlichen Kosmopolitismus geschehen.

Gesellschaftlicher Kosmopolitismus

Zu welchen normativen Überlegungen führt die Tatsache, dass Menschen die Erde gemeinsam bewohnen? So lautet die kosmopolitische Frage, und Antworten darauf liegen in der politischen Theorie der Gegenwart in zahlreichen Varianten vor. In zeitgenössischen Konzepten finden sich unterschiedliche historische Grundgedanken. Viele Ansätze eint die Vorstellung einer Horizonterweiterung des Individuums über die engen Grenzen der nationalen Gemeinschaft hinaus. Weiter lassen sich drei in der Stoa bedeutsame Ideen des Kosmopolitismus unterscheiden: eine vom Kyniker Diogenes behauptete Identität als Weltbürger, die von Seneca hervorgehobene zweifache Zugehörigkeit des Menschen zu seiner lokalen Herkunftsgemeinschaft und zur gesamten Menschheit sowie die von Plutarch akzentuierte Forderung, wir sollten alle menschlichen Wesen als unsere Mitmenschen und Nachbarn ansehen. Zeitgenössische Konzepte greifen aber auch aufklärerische Entwicklungsvisionen auf: Sie knüpfen an einen auf Veränderung ausgerichteten Kosmopolitismus an, der Möglichkeiten einer zukünftigen Entwicklung beschreibt.
Der in diesem Buch pointierte gesellschaftliche Kosmopolitismus unterscheidet sich maßgeblich von anderen Spielarten: Es geht nicht um ein Plädoyer für die Föderation lokaler politischer Institutionen als einem politischen Ziel der Internationalen Beziehungen. Es geht aber auch nicht um die Vision einer Transformation politischer Zugehörigkeit, in der global citizens sich in der Welt zuhause fühlen. Beide Optionen, ein institutionell-ordnungspolitisch und ein individuell-ethisch verstandener Kosmopolitismus, werden in der aktuellen Diskussion einander gegenübergestellt und deren Verhältnis zueinander erwogen.
Bei der Beantwortung der bereits angeführten kosmopolitischen Frage, zu welchen normativen Überlegungen die Tatsache veranlasst, dass Menschen die Erde gemeinsam bewohnen, berücksichtigt das vorliegende Buch jedoch nicht nur Individuen oder Staaten als Akteure, sondern nimmt insbesondere die Gesellschaft und das gesellschaftliche Zusammen-Handeln in den Blick.
Der gesellschaftliche Kosmopolitismus zeichnet sich dadurch aus, dass er durch bestimmte Formen der Praxis entsteht. Das jedenfalls lässt sich von Marcus Tullius Cicero lernen, der diverse Handlungsweisen benennt, die den Zusammenhalt der Weltgesamtheit fördern können. Cicero beschreibt Ausprägungen sozialer Praxis, die er als gelingend ansieht und von denen er annimmt, sie könnten die Verbindungen unter den Menschen unterstützen, sich also in dieser Hinsicht positiv auswirken. Die Frage, was aus der tatsächlich vorhandenen Praxis – im Hinblick auf die gesellschaftliche Transformation – gelernt werden kann, ist dabei wesentlich.


Elisabeth Conradi ist Professorin für Philosophie und Gesellschaftstheorie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart.



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