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Buch, Deutsch, 86 Seiten, GB, Format (B × H): 145 mm x 200 mm
Reihe: Lyrik
Gedichte. Mit einem Nachwort von Imre Török.
Buch, Deutsch, 86 Seiten, GB, Format (B × H): 145 mm x 200 mm
Reihe: Lyrik
ISBN: 978-3-86356-157-4
Verlag: Pop, Traian
Gedichte der Liebe, des Verlangens stehen in ihrer Zusammenstellung aus den letzten Jahren ebenfalls an zentraler Stelle, zum Beispiel: „über die Liebe“, „eine kleine Liebesgeschichte“, „Geh – nicht!“, „für dich und die Liebe“.
Meist benutzt Arzu Demir dabei das türkische Wort „a?k“, das die Bedeutung von tiefer, inniger Liebe und Verliebtheit hat. Auch hier dürfen Lesende einen weiten Bogen mitempfinden, also zugleich jede Art von Liebe und Verlangen. Wenn das Gedicht von einer Frau in Asien (Türkei) und einem Mann aus Europa erzählt, so schwingt dabei, wie in vielen Gedichten, eine Sehnsucht nach Verbundenheit, nach neuen kulturellen und seelischen Brücken zwischen Orient und Okzident mit.
Ihr „ich“ ist in den Gedichten sehr oft ein „wir“, eine tiefe Verbundenheit mit Verlangen und Verzweiflung Unzähliger.
Eine Suche, eine Sehnsucht, nach Licht – mein Licht (isigim), in dem Gedicht „für dich und die Liebe –, die nach unserem Ausweg aus der Leere unserer Zeit verlangt. Mit einer spielerischen Naivität – im ursprünglichen, positiven Sinne etwa des Malers Paul Klee – suchen die Gedichte nach Liebe und Licht, nach dem Urbild inmitten der Abbilder, suchen nach der Urform oder gar nach einer Urformel der Liebe im Nichts.
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Sehnsucht nach Licht
Nachwort von Imre Török
Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung waren Arzu Demir aus der Türkei und ich 2013 auf einer Lesereise in Deutschland, unsere gemeinsame Veranstaltung hieß „Die Schönheit des Gewissens – Worte gegen Rechts“. Sie las damals Gedichte aus ihrem ersten Gedichtband in deutscher Sprache, „Wenn Satan sich zum Rosenzweig beugt“.
Nun sind ihre neuen Gedichte, wieder im Pop Verlag, der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich.
Viele der in diesem Buch vorliegenden Gedichte kenne ich bereits länger. Die Lyrikerin hat mir über die Jahre oft über ihre Dichtung erzählt, gelegentlich sogar mitten im Entstehungsprozess eines Gedichts, wenn wir zusammen saßen, dort und hier, deutsche Gedichte einander vorlesend, ich im Original, sie auf Türkisch. Oder wir lasen Thomas Mann, Hermann Hesse, Franz Kafka, auch Gérard de Nerval, Jean Paul Sartre, und so viele andere Wortkünstler gemeinsam.
Immer wieder kamen wir auf ihre eigene Dichtung zu sprechen. Doch vollends sprachlich genießen kann auch ich die Gedichte erst anhand der gelungenen Übersetzung von Monika Carbe und Wolfgang Riemann, die nicht nur mit dieser Arbeit uns Lesern Herausragendes aus der türkischsprachigen Literatur nahe bringen.
Auf eingängige Interpretation einzelner Gedichte will und kann ich mich hier nicht einlassen, sondern will vielmehr über „Dichtkunst und Leben“ einige Zusammenhänge aufzeigen. Die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeit, die Abbilder des Urbilds, überlässt schließlich auch die Lyrikerin ihren Lesern. Damit die etwas verinnerlichen mögen „in des Schicksals Quell des Unzulänglichen“, oder für sich weiter träumen, „die Wahrheit der Träume“, und zusammen mit der Verfasserin realisieren, „ein Fluss bin ich“, auch wenn „das Wort / ach, das Wort / tausendfach gebrochen“.
Vor über zehn Jahren hat Arzu Demir begonnen Bücher zu publizieren.
Ihre früheren Aufzeichnungen sind jenen traurigen und schrecklichen Ereignissen in ihrer Jugend zum Opfer gefallen, welche die Geschichte der östlichen Türkei bis in die späten 1980er Jahre geprägt haben.
ich muss mich davon lösen
Hefte zu füllen
und sie später zu verbrennen
Zustände, die in der heutigen Zeit wieder vorherrschend sind.
Arzu Demir ist in Agri am Fuße des Ararat aufgewachsen, ein weitestgehend von Kurden bewohnte Region. Dort studierte sie und zog später in die Hauptstadt Ankara um.
Sie schreibt und veröffentlicht als Kurdin in türkischer Sprache, einen Nationalismus ihrer Herkunft pflegt sie bewusst nicht, Verbindendes sollen ihre Gedichte in erster Linie zur Sprache bringen.
Klammert sie demnach Politisches in ihrer Poesie aus?
Keineswegs. Doch grundsätzlich mag sie die Sprache der Politik nicht. Zu großartig und vielfältig ist ihre innere Welt, ihre Weltanschauung lässt sich nicht auf eine Nation, auf einseitig Nationalistisches oder gar auf engstirnig Religiöses reduzieren. Sie kennt die Weltreligionen, zitiert sie, ohne eine zu bevorzugen. Oft hat sie mich zum Staunen gebracht mit ihrer Kenntnis von Details aus verschiedenen Religionen.
Das Politische in ihren Gedichten und in ihrem literarischen Schreiben (sie ist auch Verfasserin von Romanen) kommt in den Höhen der Poesie zum Tragen. Manchmal nur ein Wort in einem bestimmten Kontext. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe, wenn jemand das Leben und Dichten in der Heimat dem Exil vorzieht.
Das Gedicht „Seufzer“ zum Beispiel weist mit nur einem Wort (Zilan) auf grauenhafte historische Ereignisse hin. Vermutlich wissen die wenigsten Leser – auch in der heutigen Türkei – welches furchtbare Leid hier angesprochen wird.
In der Schlucht des Zilan-Flusses im Osten der Türkei sind 1930 Abertausende Kurden massakriert worden. Die Angaben schwanken zwischen 15 000 und 47 000 ermordeten Zivilisten.
Fast die gesamte Familie von Arzu Demir ist bei dem Massaker ausgelöscht worden. Sie ist Nachfahrin zufällig Überlebender.
ich bin schon so oft gestorben
daher kenne ich das Kind
in jedem Menschen
Ihre Gedichte sind meist ein Teilen und Mitteilen des Leids Unschuldiger.
Als Mitglied des PEN in der Türkei setzt sie sich seit jeher für uneingeschränkte Menschenwürde und Gleichberechtigung ein. Zusammen mit der im Exil lebenden türkischen Menschenrechtsaktivistin Pinar Selek las sie 2010 auf der Frankfurter Buchmesse.
Als Kobané 2014 kurz davor stand, von mörderischen IS-Banden erobert zu werden, organisierte sie zusammen mit türkischen und kurdischen Schriftstellerinnen und Dichtern eine Reise an die „Pforte der Hölle“. Ich war als ausländischer Berichterstatter und Autor dabei, wir standen in Sehweite des Krieges, hörten die Gefechte, hörten die Klagen der Frauen bei Beerdigungen.
Es ist kein Medien- oder Buchwissen, was über Gewalt, Grausamkeit, Krieg, Entmenschlichung in den neuen Gedichten von Arzu Demir zu lesen steht.
die Söhne wissen nicht
wie oft ihre Väter getötet haben
Gedichte der Liebe, des Verlangens stehen in ihrer Zusammenstellung aus den letzten Jahren ebenfalls an zentraler Stelle, zum Beispiel: „über die Liebe“, „eine kleine Liebesgeschichte“, „Geh – nicht!“, „für dich und die Liebe“.
Meist benutzt Arzu Demir dabei das türkische Wort „a?k“, das die Bedeutung von tiefer, inniger Liebe und Verliebtheit hat. Auch hier dürfen Lesende einen weiten Bogen mitempfinden, also zugleich jede Art von Liebe und Verlangen. Wenn das Gedicht von einer Frau in Asien (Türkei) und einem Mann aus Europa erzählt, so schwingt dabei, wie in vielen Gedichten, eine Sehnsucht nach Verbundenheit, nach neuen kulturellen und seelischen Brücken zwischen Orient und Okzident mit.
Ihr „ich“ ist in den Gedichten sehr oft ein „wir“, eine tiefe Verbundenheit mit Verlangen und Verzweiflung Unzähliger.
Eine Suche, eine Sehnsucht, nach Licht – mein Licht (isigim), in dem Gedicht „für dich und die Liebe –, die nach unserem Ausweg aus der Leere unserer Zeit verlangt. Mit einer spielerischen Naivität – im ursprünglichen, positiven Sinne etwa des Malers Paul Klee – suchen die Gedichte nach Liebe und Licht, nach dem Urbild inmitten der Abbilder, suchen nach der Urform oder gar nach einer Urformel der Liebe im Nichts.
Der Leere, dem Nichts begegnen wir öfters in den Gedichten. Auch hierbei thematisiert die Dichterin nicht lediglich ihr eigenes Weltempfinden. Eine universelle Leere in unserem Leben ist es, die sie mit Licht und Mitleiden füllen möchte. Wir erleiden unsere Ohnmacht, bis hin zum völligen Schweigen. Doch die Botschaft ist, dass unser Schweigen zum Himmel tönt, und wir nicht aufgeben werden.
Ihre Gedichte sprechen nicht nur über ein bestimmtes Land, sondern fordern auf zu grundlegenden Veränderungen in unserer Heimat Erde.
In dem Gedicht „Seele“ heißt es:
es ist nun an der Zeit
dass die Leere in dir ausgefüllt wird
ohne auf die scharfen Zähne zu achten
hier kann man nicht einmal
atmen ein und aus