E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Eckmann Der Kreidestrich
4. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-4270-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Niederelbe-Krimi
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7448-4270-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
PETER ECKMANN, geboren 1947, lebt im Niederelbe-Dreieck in der Nähe von Cuxhaven, Ingenieur der Verfahrenstechnik, schreibt unter dem Pseudonym Allan Greyfox Wildwest- und Detektivromane. Seit Ende 2015 gibt es den ersten Thriller. Er spielt in Manhattan, wenige Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Der Held ist Michael Callaghan, der Enkel des Revolverhelden der Wildwest-Serie. Dieses Buch ist der zweite Thriller, der in der Heimat des Autors spielt. Es blickt zurück in die Abgründe des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar.
Autoren/Hrsg.
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Sankt Pauli
Der Freier kleidet sich an, die Prostituierte steht derweil vorm Waschbecken und wäscht sich den Schoß. Das Zimmer ist klein und ordentlich. Wenn sie schon diese erniedrigende Tätigkeit ausüben muss, dann soll wenigstens ihr kleines Reich ordentlich und gemütlich sein. „Zwanzig Mark, so wie beim letzten Mal?“, sie hört Geldscheine rascheln.
„Das ist okay, vielen Dank.“
Ich lege noch einen Zehner drauf, für deine Mühe!“, er grinst sie anzüglich an.
Sie hasst diese Bemerkungen, kann er nicht einfach ohne einen dummen Spruch verschwinden? Aber der Schein extra ist gut, den wird sie in ihr Versteck legen.
Die junge Frau heißt Gabriele Husemann, sie wird von ihren Freunden und Kolleginnen Gabi genannt. Sie ist schlank, viele kleine Sommersprossen sind um ein hübsches Näschen verteilt. Ihre rote Mähne ist kaum zu bändigen und reicht ihr bis auf die Schultern. Der Mann, er ist etwa vierzig, war schon ein paar Mal bei ihr, jetzt hat er ihr Zimmer verlassen, sie hört die Schritte auf der Treppe. Sie nimmt den Zehner, den er ihr spendiert hat, schiebt das Nachtschränkchen von der Wand und steckt ihn zu den anderen Scheinen in den Umschlag, den sie mit einer Heftzwecke an der Rückwand befestigt hat. Hoffentlich findet Gerd das Geld nicht, dann würde sie sich sicher Schläge einhandeln. Das Geld des Freiers steckt sie in ein Zigarrenkistchen, das im Nachtschränkchen steht. Am Abend wird Gerd, er heißt mit vollem Namen Gerhard Oppermann, kommen und das Geld kassieren.
Der Freier eben war heute bereits der dritte. Ihre »Arbeitszeit« beginnt am Nachmittag und dauert bis in die Nacht, denn dann ist am meisten los. Seit ein paar Tagen läuft das Geschäft wieder gut, der Regen hat aufgehört, dass macht sich sofort bemerkbar. Sie ist außerdem hübscher als ihre Kolleginnen und von allen die Jüngste, das kommt bei den Freiern gut an.
Sie hockt auf dem Bett und hakt die schwarzen Nylons wieder am Strumpfhaltergürtel fest. Wie ist sie nur hier reingeraten? Diese Frage stellt sie sich jeden Tag aufs Neue. Vor zwei Jahren hat sie noch im Krämer- und Kolonialwarenladen ihrer Mutter an der Deichstraße in Neuhaus, einem kleinen Ort an der Oste, gearbeitet. Es ist dort ruhig, fast zu ruhig. Die wenigen Kunden genügen kaum, um den kleinen Laden wirtschaftlich zu betreiben. Der Krämerladen – »Kolonialwaren« - steht protzig über dem kleinen Schaufenster, ist sehr klein, gerade einmal drei Personen finden vor der in die Jahre gekommenen Theke Platz. Dafür ist der Laden dicht am Hafen, ab und zu verirrt sich ein Schiffer zu ihnen.
Eines Tages kam so ein Skipper, er hatte ein kleines Motorschiff im Hafen festgemacht, um in dem Laden von Emma Husemann Proviant aufzufüllen. Er hieß Jules Bertoli, sah verdammt gut aus und sah dem jungen Mädchen direkt in ihre grünen Augen.
…….
„Bonjour, schöne Frau!“ Der Mann mit dem interessanten französischen Dialekt mustert die junge Verkäuferin ungeniert und lässt seine Blicke über die hübsche Figur streichen.
„Soll ich vielleicht meine Mutter holen? Sie ist hinten im Lager.“
„Danke, nicht nötig, du bist mir viel lieber.“ Er lächelt der jungen Frau zu und legt ihr eine Liste für Lebensmittel auf den Ladentisch. Sie nimmt den Zettel und beeilt sich, die gewünschten Waren zusammenzusuchen. Sie findet einen leeren Karton und stellt alles hinein. Zum Schluss schleppt sie den Kasten Bier heran. „So bitte, wenn Sie das überprüfen mögen, ich zähle es nur kurz zusammen. Was wir nicht haben, sind die Brötchen, die bekommen Sie aber beim Bäcker, er ist nur ein paar Häuser weiter.“
Er sieht sie unverwandt an. „Vielen Dank, das hast du sehr gut gemacht.“
„Siebzehn Mark und sechsundfünfzig Pfennig“, blitzschnell hat sie die Beträge im Kopf addiert.
Er zückt eine Geldbörse und legte ihr zwanzig Mark hin. „Stimmt so, vielen Dank.“
Sie nimmt die zwei Scheine und wird rot.
Er bemerkt es und sieht ihr schmunzelnd ins Gesicht.
„Wie niedlich!“
Sie hasst das, sie wird bei jeder Gelegenheit rot, das ist ihr sehr peinlich. Der Kunde sieht sie an. „Sag mal, meine Süße, ist es dir hier nicht zu einsam?“
Während die junge Frau über eine passende Antwort nachdenkt, sieht er sich im Laden um. Eine Wand ist mit Regalen bis an die Decke gefüllt, davor steht eine Leiter.
„Hm, so richtig nach dickem Geschäft sieht es hier nicht aus.“
„Ja, äh…“, sie wird unter seinem forschenden Blick immer unsicherer. Ihre Mutter schimpft fast täglich über den schlechten Umsatz. Sie hat es sie schon merken lassen, dass es ihr lieber wäre, wenn sie sich eine andere Arbeit suchen würde. Sie läge ihr immer auf der Tasche, deutet sie mitunter an. Irgendwo hat die Mutter recht, ihre Tochter ist zweiundzwanzig Jahre alt und hat eine Lehre als Verkäuferin hinter sich. Bei einem entfernten Freund ihrer Mutter in Geversdorf absolvierte sie die zweijährige Lehre. Der Bekannte hätte sie gerne behalten, sie wollte aber nicht länger bleiben, er wurde immer wieder zudringlich und sie konnte ihn sich an manchen Tagen kaum vom Leib halten. Ihrer Mutter hatte sie von den Übergriffen nichts gesagt, sie hätte ihr wahrscheinlich nicht geglaubt.
„Arbeite doch bei mir!“ reißt sie der Kunde aus ihren Gedanken.
„Bei Ihnen?“
„Ja, warum nicht? Ich eröffne in den nächsten Tagen eine Gaststätte in Hamburg und kann noch eine hübsche Bedienung gebrauchen.“ Er reicht ihr seine Hand. „Übrigens, ich heiße Jules Bertoli.“
Seine Hand ist gepflegt, sie bemerkt einen schweren, goldenen Ring. „Wie sieht es aus, hast du Interesse?“
„Schon…“, sie zögert. „Wie viel würde ich denn bei Ihnen verdienen?“
„Das klingt doch schon sehr interessiert! Du erhältst einhundert Mark in der Woche, die Trinkgelder kannst du behalten, das ist unterschiedlich viel. Bei manchen Serviererinnen können noch zwanzig Mark am Abend dazu kommen.“
Zwanzig Mark! Nur Trinkgeld! Das ist ja Wahnsinn, denkt sie. Hier bei ihrer Mutter bekommt sie kein richtiges Gehalt. Nur bei Gelegenheit etwas auf die Hand, damit sie sich mal ein paar Schuhe oder etwas Kleidung kaufen kann. „Bin ich denn überhaupt für ihre Arbeit geeignet?“
„Du kannst gut im Kopf rechnen und siehst gut aus, das ist mehr als genug.“
„Gut, ich werde mich mit meiner Mutter beraten.“
„Sehr schön. Melde dich bei mir, wenn du es versuchen möchtest. Du kannst auch jederzeit wieder hierher zurückkehren, das ist kein Problem. Ich gebe dir meine Karte, darüber kannst du mich erreichen.“
Er legt ihr eine Visitenkarte hin, schwarz mit silbernem Aufdruck. »Jules Bertoli, Geschäftsführer Salambo, Große Freiheit 11«, ist dort gedruckt.
Der galante Franzose lässt das junge Mädchen nachdenklich zurück. Spät am Abend spricht sie mit ihrer Mutter darüber. „Was hältst du davon, wenn ich in Hamburg arbeiten würde?“
„In Hamburg? Wie kommst du denn darauf?“
Gabriele Husemann berichtet ihr von dem charmanten Besuch. „Ich kann dort einhundert Mark in der Woche verdienen, plus Trinkgeld!“
Ihre Mutter staunt. „Das ist allerdings sehr viel Geld, das kann ich dir hier niemals bieten.“ Sie macht eine Pause.
„Das ist so viel, dass du mir davon sogar etwas abgeben könntest. Ich bin froh, wenn du anderswo dein Auskommen finden würdest, mein kleiner Laden wirft nicht genug für uns beide ab.“
Das junge Mädchen nickt, sie hat sich gedacht, dass ihre Mutter so reagieren würde. „Ja, davon kann ich sicher was abzweigen.“ Sie reicht ihrer Mutter die Visitenkarte von dem freundlichen Besucher.
Die wirft einen Blick darauf. „Große Freiheit? Das ist doch an der Reeperbahn!“ Sie dreht die Karte hin und her. „Was genau sollst du denn dort machen?“
„Ich soll bedienen, hat mir der Mann erklärt. Er eröffnet demnächst ein neues Lokal, und er braucht Mädchen, die dort Getränke servieren.“
Ihre Mutter sieht skeptisch auf die Karte und gibt sie ihrer Tochter zurück. „Na gut, du bist alt genug, du musst wissen, was du tust. Versprich mir bitte, dass du immer auf dich achtgeben wirst.“
Vier Wochen später sitzt Gabriele Husemann im Zug nach Hamburg. Sie hat nur wenige Tage nach dem Gespräch mit ihrer Mutter mit dem Salambo telefoniert. Den netten Herrn Bertoli hatte sie nicht am Telefon, sondern jemanden, der sich als der zuständige Personalchef ausgab.
„So, Herr Bertoli hat Sie direkt angesprochen? Neuhaus? Wo ist das denn? Gut, das ist auch egal. Wenn der Chef Ihnen das zugesagt hat, dann wird es seine Richtigkeit haben.“
Er hatte ihr noch beschrieben, wie sie zu der Großen Freiheit kommen kann. „Das ist einfach,...




