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E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Elvarsdóttir / Dibbern Lasst uns reden
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-407-86906-7
Verlag: Beltz Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Familienkonferenz. Wo Klein und Groß zusammen wachsen
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-407-86906-7
Verlag: Beltz Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lou Elvarsdóttir ist Diplom-Psychologin und arbeitet mit Familien in Konflikten, Krisen und Wachstumsphasen. Sie studierte bei Prof. Friedemann Schulz von Thun und wählte Jesper Juul als Mentor, weil er das vertrat, was schon ihre Eltern gelebt haben: Erziehung auf Augenhöhe. Ihre drei Kinder prüfen ihr psychologisches Fachwissen immer wieder auf Alltagstauglichkeit.
Weitere Infos & Material
Teil 1
Die Praxis
Was die Familienkonferenz kann
Dieses Buch ist ein Werkzeugkasten für Zeiten, in denen es ein bisschen hakt, Vorbeugung dafür, dass es nicht hakt, und Anleitung für alle, die sich Hilfe wünschen. Wie schon gesagt: Für uns ist die Familienkonferenz das Mittel der Wahl, um die Familie einander nahezubringen.
Beispiel
Eltern: Pia und Simon
Kinder: Bo (3) und Lea (5)
Lea schreit. Ihre Eltern sind am Ende. Lea auch. Gerade hat sie mit dem neuen Nagellack ihrer Mutter ein Bild auf die Badezimmerwand gemalt, obwohl sie natürlich wusste, dass das nicht okay ist. Oder … weil sie es wusste?
Selbst mit sehr vielen und strengen Regeln aufgewachsen, wollen Leas Eltern es besser machen, als sie es selbst erlebt haben. Aber wie, ohne es vorgelebt bekommen zu haben? Manchmal denkt Pia, ihr fehlt eine Art innere Vorlage, wie sie mit den Kindern umgehen kann, ohne dass es gefühlt dauernd Streit und Stress gibt. Sie liest sich durch Elternratgeber, die sich teilweise widersprechen, hält sich an die Ratschläge, stellt sie infrage, erzählt Simon davon, sieht im Internet den anderen Eltern zu, denen alles so leichtfällt. So hatte sie sich das nicht vorgestellt.
Leas Vater auch nicht. Sosehr er Lea und Bo liebt, manchmal ertappt er sich dabei, länger bei der Arbeit bleiben zu wollen, damit er nicht nach Hause gehen und sich in das schreiende Chaos stürzen muss. Dabei wussten sie doch alles, was man über Kinderentwicklung wissen sollte, oder?
Auf einem Kindergarten-Elternabend stellt die Leitung die Familienkonferenz für den Kindergarten vor. In den Gruppen soll dieser Ansatz ausprobiert werden, und damit die Eltern kompetent mit den Erzählungen der Kinder umgehen können, bekommen sie die entsprechenden Informationen dazu.
Während der begeisterten Erklärungen des Kindergarten-Teams denken Leas Eltern beide dasselbe. Nach dem Elternabend sehen sie sich an. »Könnte auch zu Hause einen Versuch wert sein, oder?« Ohne weitere Anleitung, nur mit dem Infomaterial aus dem Kindergarten, probieren sie es aus – und es klappt!
Die beiden kleinen Menschen machen erstaunlich gut mit. Lea erinnert alle Familienmitglieder immer mal an die Absprachen und hält sich sehr viel mehr als vorher auch selbst daran. Sie ist diejenige, die die Dienste aller im Blick behält. Es macht ihr Spaß, unter der Woche Klebezettel mit gemalten Themenvorschlägen an das Familienkonferenzposter zu kleben (manchmal hat sie samstags dann allerdings vergessen, was sie mit dem Zettel sagen wollte, was zu viel Rätselraten, Kichern und Lachen führt).
Auch Pia und Simon stellen fest, dass sie sich untereinander auf einmal besser verstehen. Beide haben das Gefühl, von dem bzw. der anderen viel besser gesehen zu werden. Die einfache Struktur, die leichten, klaren Absprachen, die Aufgabenverteilung und immer wieder auch der Aufgabentausch tun ihnen sehr gut.
Leas Familie ist nicht allein mit ihren Problemen. Die meisten Familien kennen Sprachlosigkeit, Ratlosigkeit, Streit um Kleinigkeiten, die auf einmal ganz groß werden. Sie wünschen sich eine wertschätzende Kommunikation, bei der sie sich gegenseitig verstehen – und scheitern doch immer wieder daran. Wenn ihr dieses Buch in den Händen haltet, habt ihr zumindest ab und zu Fragen oder sucht nach Ideen, wie es besser gehen könnte, als es gerade läuft.
Erst mal wollen wir loswerden: Auch wenn’s gerade nicht besonders gut läuft und es in eurer Familie ein bisschen kriselt, hilft es nicht, nach Schuldigen oder Fehlern zu suchen. Lösungen müssen her. Bisher fehlte vielleicht nur das passende Werkzeug. Und genau das wollen wir mit diesem Buch ändern. Schluss damit, sich in der eigenen Familie ungesehen und ungehört zu fühlen.
Die Familienkonferenz kann:
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echte Gemeinschaft entstehen lassen
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Konflikte entschärfen
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Ruhe in die eigenen Gedanken bringen
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euch zu eigenen Lösungen bringen
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die Kinder zu wirklich hilfreichen Mitarbeitern machen
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den Kindern Lösungsstrategien beibringen
-
Gemeinsamkeit auf Augenhöhe ermöglichen
Echte Gemeinschaft entsteht
Familie ist ein großes Wort. Eines, das Zusammenhalt und Verbundenheit verspricht. Aber ist das wirklich automatisch so? Laut Wikipedia bezeichnet das Wort »Familie« eine »durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, meist aus Eltern oder Erziehungsberechtigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im selben Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert. Die Familie beruht im Wesentlichen auf Verwandtschaftsbeziehungen.«
In Wirklichkeit fühlt man sich nicht automatisch verbunden, nur weil man verwandt ist, und man ist nicht automatisch eine Einheit, nur weil man unter dem selben Dach wohnt. Und wenn man dann auch noch als »Geschwister« zusammengewürfelt wurde, weil Miriams Mutter und Tomkes Vater beschlossen haben, gemeinsam in eine Wohnung zu ziehen …
Sich regelmäßig an einen Tisch zu setzen und wirklich über die eigenen Gedanken und Gefühle zu reden, hilft vielen Familien dabei, zu einer echten Gemeinschaft zu werden, bei der sich alle ineinander einfühlen und aufeinander verlassen können.
Beispiel
Eltern: Maja und Jonny
Kinder: Freddy (3), Jule (5) und Lotti (11)
»Ich gehöre doch eh nicht richtig dazu!« Lotti knallt die Tür hinter sich zu und lässt ihre Mutter mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung zurück. Während Lotti in ihrem Zimmer weint, überlegt Maja, was um Himmels willen sie noch versuchen kann, um den Kontakt zu ihrem Kind wiederzufinden.
Maja und Jonny leben zusammen, seit Lotti vier war. Miteinander haben sie noch Freddy und Jule bekommen. Bisher lief alles gut, und beide Eltern hätten schwören können, dass das Patchwork geglückt ist.
Doch seit Lotti sich der Pubertät nähert, wird es schwierig. Seit dem Wechsel auf die weiterführende Schule äußert Lotti oft im Streit, dass sie sich nicht zugehörig fühlt. Maja und Jonny wissen nicht, wie sie Lotti helfen können, außer immer wieder zu betonen, dass sie alle fünf eine Familie sind. Entsprechend gibt es bei ihnen wenige konkrete, inhaltliche Themen, die geklärt werden müssten, sondern es geht um Lottis Gemeinschaftsgefühl.
Jonny kennt die Familienkonferenz von der Arbeit. Er erzählt Maja davon und schlägt vor, es zu versuchen. Bisher wurden in der Familie alltägliche Themen nebenher besprochen, und organisatorisch hat das gut funktioniert. Nun bekommen die Gespräche durch die Familienkonferenz einen offiziellen Rahmen, ein Poster, auf dem sichtbar alle fünf Familienmitglieder ihren Beitrag leisten, und so eine neue Bedeutung. Jede Woche erlebt Lotti bewusst, dass sie Teil der Familiengemeinschaft ist. Zu fünft besprechen sie alles, was anliegt. Während Freddy dabei teilweise unter dem Tisch sitzt und spielt, fühlt Lotti sich...