E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Elvert / Puschner Die europäische Integration
2. bibliographisch aktualisierte Auflage 2013
ISBN: 978-3-534-73474-0
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-534-73474-0
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Die Europäische Union ist ein in der Geschichte einzigartiger politischer Versuch und - bei allen Schwierigkeiten - ein zukunftsweisendes Modell friedlicher Koexistenz. Was aber sind die Wurzeln dieses Staatengebildes, was die geistigen Grundlagen? Jürgen Elvert zeichnet in einem breiten, kulturhistorischen Einleitungskapitel die Idee und Vorstellung von Europa von der Antike bis ins 20. Jahrhundert nach, um dann in drei Kapiteln den Gang der europäischen Integration von der ?Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl? (EGKS) von 1952 bis zum vorerst gescheiterten Verfassungsvertrag 2005 detailliert darzustellen. Es ist eine Analyse unserer politischen Wirklichkeit auf aktuellstem Stand, die für das Nachdenken über die Zukunft Europas unerlässlich ist.
Jürgen Elvert ist Professor für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und für Didaktik der Geschichte an der Universität Köln und einer der besten deutschen Spezialisten zur Geschichte der europäischen Integration.
Autoren/Hrsg.
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II. Die Gründungsphase (1952–1973)
19.9.1946 Rede Churchills in Zürich 21.9.1946 Hertensteiner Programm der europäischen Föderalisten 4.3.1947 Abkommen von Dünkirchen März 1947 Truman-Doktrin 5.6.1947 Marshall-Plan 11.4.1948 Gründung der OEEC 11.6.1948 Verabschiedung der Vandenberg-Resolution 5.5.1949 Gründung des Europarats 9.5.1950 Veröffentlichung des Schuman-Plans September 1950 Gründung der Europäischen Zahlungsunion Oktober 1950 Veröffentlichung des Pleven-Plans 18.4.1951 Unterzeichnung des EGKS-Vertrags 26.5.1952 Unterzeichnung des EVG-Vertrags Juli 1952 Gründung der Hohen Behörde September 1953 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten tritt in Kraft 23.10.1954 Unterzeichnung der Pariser Verträge Juni 1955 Messina-Konferenz Oktober 1956 Unterzeichnung der Luxemburger Verträge 25.3.1957 Unterzeichnung der Römischen Verträge 1958/1959 Gründung der EFTA 29.5.1958 Charles de Gaulle wird französischer Staatspräsident 1.10.1961 Gründung der OECD November 1961 Fouchet Plan I Januar 1962 Fouchet Plan II Januar 1962 Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Januar 1963 Ablehnung des britischen Beitrittsgesuchs durch de Gaulle Januar 1966 Luxemburger Kompromiss 1967 Zweites Beitrittsgesuch Großbritanniens Juni 1969 Hans von der Groeben legt sein „Programm für Europa“ vor Juli 1969 Zollunion und Gemeinsamer Markt Dezember 1969 Regierungskonferenz in Den Haag Die Problemkonstellationen der Nachkriegszeit
Das breite Spektrum europäischer Neuordnungskonzepte der Kriegsjahre Der sich spätestens seit 1943 abzeichnende Niedergang der nationalsozialistischen Herrschaft über Europa ließ die Planungen über die Neugestaltung der „Alten Welt“ nach einem Sieg der Alliierten konkreter werden. So wurden in konservativen, sozialistischen, kirchlichen und intellektuellen Kreisen Konzepte für eine europäische Neuordnung erarbeitet. Zumeist plädierten sie für ein föderal organisiertes Gesamteuropa. Darüber hinaus ging es um Aspekte wie die Wiederherstellung einer europäischen Zivilisation oder um Fragen europaweiter sozialer Gerechtigkeit. Auch für das „deutsche Problem“ galt es, eine Lösung zu finden, die die Staaten des Kontinents vor künftigen deutschen Hegemonialansprüchen schützen würde. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg wollte man diese Sicherheit nicht über ein Tribunal der Siegermächte erreichen, sinnvoller erschien es stattdessen, Deutschland als Ganzes unter die „Vormundschaft“ der internationalen Gemeinschaft zu stellen, um die Deutschen so von vornherein in die internationale Gemeinschaft einzubinden. Deutsche Widerstandskreise griffen solche Überlegungen mit Interesse auf, da man hier die Gefährdung der politischen Stabilität des Kontinents durch die auf Mitteleuropa fixierten deutschen Ordnungsmodelle der Zwischenkriegszeit erkannt hatte und deshalb gleichfalls nach gesamteuropäischen Ansätzen suchte. Derart idealistische Gedankenspiele waren nur schwer mit den Neuordnungsvorstellungen der alliierten politischen Entscheidungsträger zu vereinbaren. Besonders zurückhaltend begegnete Roosevelt solchen auf die „Alte Welt“ bezogenen Neuordnungsideen, da sie nicht in das Konzept der von ihm angestrebten weltweiten Friedensordnung passten. Da zudem ein föderaler Ausbau der europäischen Staatenwelt den Einfluss der USA mindern konnte, zeigte auch der US-Kongress kaum Interesse an solchen Überlegungen. Stalin hingegen lehnte europäische Ordnungsmodelle zumindest so lange nicht grundsätzlich ab, wie die Mitwirkung der UdSSR und der USA in den europäischen Lenkungsgremien sichergestellt blieb. Regionale Föderationen in Mitteleuropa waren dagegen aus seiner Sicht inakzeptabel. Allein Winston Churchill stand dem Gedanken einer integrativen europäischen Nachkriegsordnung schon in Kriegszeiten aufgeschlossen gegenüber. Die Einrichtung eines Europarats mit eigenem obersten Gerichtshof und einer eigenen Streitmacht schien ihm in diesem Zusammenhang wünschenswert. Um die Vereinbarkeit solcher Überlegungen mit dem Konzept der „one world policy“ sicherzustellen, sollte dieser Rat zusammen mit einem asiatischen und einem amerikanischen Rat Unterorganisationen der künftigen Vereinten Nationen bilden. Problemkreis 1: Europa als „Dritte Kraft“ zwischen Ost und West
Das „Dritte-Kraft-Konzept“ Vor diesem Hintergrund formierten sich in Europa, zunächst im sozial- und sozialistisch-demokratischen, dann aber auch im bürgerlichen Lager Kräfte, die die Rolle des Kontinents als einer „Dritten Kraft“ im Spannungsfeld zwischen den demokratisch-kapitalistischen USA und der undemokratisch-sozialistischen UdSSR bestimmen wollten. Schon 1945 hatte Léon Blum für die Schaffung eines anglo-französischen Bündnisses plädiert, das als „Herz der westlichen Familie“ dienen und zugleich die Sowjetunion besänftigen sollte. Der der Labour-Partei nahe stehende britische Publizist G. D. H. Cole forderte einige Monate später ausdrücklich die gemeinsame Planung des westeuropäischen Wiederaufbaus, um so ein Gegengewicht zum US-amerikanischen Kapitaldruck herzustellen. Und noch 1947, als die politische Entwicklung in Europa die konzeptionellen Schwächen des „Dritte-Kraft-Konzepts“ längst offen gelegt hatte, träumte der Politikwissenschaftler Richard Löwenthal von einer Verbindung des „sozialistischen“ britischen Weltreichs mit den Staaten Westeuropas zu einem „gewaltigen neutralen Puffer“ zwischen den USA und der UdSSR. In der ersten Nachkriegsphase erfreuten sich solche Konzepte besonderer Beliebtheit. Das spiegelte sich nicht nur in Wahlerfolgen zahlreicher linker Parteien, auch konservative und christdemokratische Parteien gaben sich betont „progressistische“, teilweise sogar offen antikapitalistische Programme. Der Wahlerfolg von Labour am 25. Juli 1945 war in diesem Zusammenhang symptomatisch. Schon im Wahlkampf hatten sich führende Labour-Politiker für die Schaffung der „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“ ausgesprochen und die Idee der kollektiven Sicherheit in den Mittelpunkt gerückt. Nach dem Wahlsieg sprach sich die Regierung Attlee als einzige europäische Macht der „Großen Drei“ gegen traditionelle Großmachtpolitik aus. Sie wurde damit zum Kern einer Sammlungsbewegung europäischer Demokraten und Demokratien, die gemeinsam nach einem europäischen Weg suchten, ohne die Interessen der USA und der UdSSR zu verletzen, sondern vielmehr zwischen beiden vermitteln wollte. Die bürgerlichen Plädoyers für das „Dritte-Kraft-Konzept“ zogen von vornherein auch ökonomische und wirtschaftspolitische Aspekte mit in die Überlegungen ein. So warb in Großbritannien der „Economist“ für eine engere Assoziation der westeuropäischen Staaten. Den Ausgangspunkt dafür sollte eine Freihandelszone bilden, später würden gemeinsame Ausschüsse für Verteidigung, Zollpolitik und Wiederaufbau als Kern einer Föderation hinzukommen. In Frankreich ging „Le Monde“ etwa zeitgleich von...