Endler Cotton Reloaded - 18
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5134-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Sohn des Senators
E-Book, Deutsch, Band 18, 112 Seiten
Reihe: Cotton Reloaded
ISBN: 978-3-8387-5134-4
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Digitale Romanserie. Folge 18. Das Fernsehen ist live dabei, als das FBI eine abgelegene Farm umzingelt. Das Anwesen ist Sitz der obskuren Religionsgemeinschaft 'Reich des kommenden Lichts'. Ihr Anführer droht mit einem Massaker an unschuldigen Kindern, sollte seine Forderung nicht erfüllt werden: ein Atomschlag der USA gegen Nordkorea. Senator McFadden wendet sich an das G-Team, sein Sohn Bobby befindet sich auf dem Gelände. Jeremiah Cotton und Philippa Decker sollen an der Erstürmung teilnehmen und Bobby befreien. Doch schon als die Agents den Einsatzort erreichen,läuft nichts mehr nach Plan. Das SWAT-Team hat bereits ohne sie begonnen. Und plötzlich ist auch Decker verschwunden... COTTON RELOADED ist das Remake der erfolgreichen Kultserie und erscheint monatlich in abgeschlossenen Folgen als E-Book und Audio-Download. Nächste Folge: 'Unter Verdacht' von Alexander Lohmann.
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2
Cotton fluchte leise, weil die Hitze der dünnen Kaffeebecher in seinen Fingern schmerzte.
Der Lift hielt. Cotton betrat das Headquarter des G-Teams, dessen Kühle im krassen Gegensatz zum brütend heißen New Yorker Sommer stand.
Cotton grüßte die Kollegen an ihren Arbeitsstationen, doch kaum jemand nahm Notiz von ihm.
Auf einer der großen Videowände war im Split-Screen-Modus die Liveübertragung eines Einsatzes zu sehen. Cotton sah Einsatzfahrzeuge und SWAT-Teams mit dem FBI-Logo auf den dunkelblauen Schutzanzügen. Offenbar bereitete man sich auf die Erstürmung eines Farmgeländes vor, das von einer hohen Mauer umschlossen wurde und im grellen Licht der Morgensonne unbewohnt wirkte.
Agent Philippa Decker, Cottons Partnerin, saß an ihrem Schreibtisch. Eine blonde Haarsträhne hatte sich aus ihrer streng zurückgebundenen Frisur gestohlen und fiel ihr ins Gesicht. Sie strich sich die Strähne hinters Ohr.
»Guten Morgen«, grüßte Cotton.
Decker hob den Blick. »Sie sehen müde aus«, stellte sie fest.
»Die Überwachung hat länger gedauert. Hat denn niemand Sie informiert?«, fragte Cotton. Als er Deckers irritierte Miene sah, fügte er hinzu: »Agent Barklay wurde aufgehalten. Ich habe eine zusätzliche Schicht übernommen.«
Decker schaute auf den Monitor und checkte ihre E-Mails. »Ja, ich sehe schon. Tut mir leid, ich hatte noch keine Gelegenheit, mich auf den neuesten Stand zu bringen.«
Philippa Decker gab einen Fehler zu? In Gedanken strich Cotton diesen Tag rot im Kalender an. Allzu viele solcher Tage gab es nicht.
Cotton reichte ihr einen Kaffeebecher, stellte sich neben ihren Schreibtisch und blickte auf die Monitorwand. Auf dem größten Teil des Split-Screens wurden Luftaufnahmen übertragen, auf denen die verstreuten Holzgebäude auf dem Farmgelände zu sehen waren. Außerdem gab es zwei Hallen mit Wellblechdächern. Dazwischen waren verdorrte Beete zu sehen. Das gesamte Gelände wurde von einer Mauer umschlossen, auf der Stacheldraht in der Sonne funkelte. Kein Mensch war zu sehen; nur drei Pferde trotteten in einer Koppel umher. Die Kamera schwenkte über die brachliegenden Felder, die das Gelände umgaben, über die Absperrungen des SWAT-Teams und über die Straße, die zur Farm führte und an der zahlreiche Einsatzfahrzeuge standen. Cotton erkannte den Kommandostand der mobilen Einsatzbasis, einen Zwanzigtonner des FBI, eine Spezialanfertigung für SWAT-Teams und koordinierte Außeneinsätze mit größerer Mannschaft. Der Himmel über der Farm strahlte in wolkenlosem Blau.
»Was ist da los, Philippa?«, fragte Cotton.
Decker nippte am Kaffee. »Auf welchem Planeten leben Sie?«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Die Berichterstattung geistert durch sämtliche Medien.« Decker deutete auf die rechte untere Ecke der Monitorwand. Dort flimmerte die Live-Coverage von CNN. Das Bild, aus großer Entfernung aufgenommen, wackelte leicht, da die Kamera offenbar auf äußersten Zoom gestellt war. Im roten Live-Ticker huschten die viel zu kleinen Buchstaben vorbei. Zu winzig, um sie aus dieser Distanz entziffern zu können.
»Ich sagte doch, dass ich ’ne Doppelschicht hatte.«
»Schon okay«, sagte Decker. »War auch nicht böse gemeint.«
»Was ist das für eine Farm?«
»Das Reich des kommenden Lichts«, antwortete Decker.
»Die Farm dieser merkwürdigen Sekte?«
Decker nickte. »Eine obskure Religionsgemeinschaft, über deren Absichten und Hintergründe wenig bekannt ist. Mal wieder ein selbsternannter Heilsbringer, der damit droht, ein Massaker unter unschuldigen Kindern anzurichten, falls man seinen Forderungen nicht nachgibt.«
»Und was will er?«
Decker zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. CNN berichtet, dass er einen atomaren Schlag gegen Nordkorea fordert. Woher die ihre Informationen haben, ist mir ein Rätsel.«
Cotton traute seinen Ohren nicht. »Ein atomarer Angriff auf Nordkorea?«
Decker nickte. »Kaum zu glauben, nicht wahr? Jedenfalls laufen schon seit längerer Zeit Ermittlungen des FBI gegen diesen Verein. Man vermutet ein gewaltiges Arsenal auf dem Gelände, darunter auch chemische Waffen. Zu welchem Zweck, weiß man nicht.«
»Deshalb dieser Großeinsatz?«
»Genau«, antwortete Decker.
»Und woher weiß man von den Waffen und von den Plänen dieser Irren?«, wollte Cotton wissen.
»Offenbar hat ein ehemaliges Sektenmitglied geplaudert. Daraufhin hat man höheren Ortes beschlossen, der Sache ein Ende zu machen. Aber die Lage ist undurchsichtig. Außerdem sind Kinder auf dem Gelände.«
»Und dieser Guru droht mit dem Tod der Kinder seiner Anhänger? Kann man das ernst nehmen?«
»Ich fürchte ja.«
»Wie hieß der Verein gleich? Lichtgeber?«
»Lichtbringer. Das ist die Bezeichnung für den geisteskranken Prediger an der Spitze. Die Lage ist verworren. Es fehlt an genauen Informationen über die Anzahl der Sektenmitglieder. Im Augenblick setzen sie auf Verhandlung.«
»Und dieser Lichtbringer fordert aus heiterem Himmel einen atomaren Schlag der USA gegen Nordkorea?«
»Sieht ganz so aus. Unsere Spezialisten können sich auch keinen Reim darauf machen. Ob diese Information verifiziert werden kann, wird gerade mit CNN geklärt. Derzeit setzt man die Sekte lediglich fest und wartet ab.«
»Wann wird das Gelände gestürmt?«
Decker zuckte mit den Schultern. »Das wissen wir nicht. In diesem Fall kommt der Befehl direkt aus Washington. Der Präsident persönlich ist im Einsatzraum.«
»Du meine Güte«, murmelte Cotton. »Das wird ein Blutbad.«
»Sie sollten Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kollegen haben, Cotton. Schließlich sind sie Profis.«
»Aber es geht hier um Kinder!«
»Ja. Das macht es in der Tat kompliziert. Wenn dieser Lichtbringer die Kinder als Schutzschilde missbraucht, könnte es hässlich werden. Keine einfache Aufgabe für den Einsatzleiter.«
»Wann läuft das Ultimatum ab?«
Decker zeigte auf die meterbreite Digitaluhr mit den blutroten Ziffern neben der Monitorwand.
Erst jetzt fiel Cotton auf, dass die Uhr nicht die normale Zeit anzeigte.
»Minus 03:17«, las er laut. »Wird noch verhandelt?«
»Seit Stunden nicht mehr«, antwortete Decker. »Der Lichtbringer sperrt sich gegen sämtliche Versuche, den Kontakt wieder herzustellen. Es ist beinahe so, als warte er auf ein Wunder.«
»Mist«, murmelte Cotton.
Deckers Telefon klingelte. Der Klingelton signalisierte einen Anruf von einem anderen Arbeitsplatz im HQ.
»Decker«, meldete sie sich und lauschte ein paar Sekunden. »Ja, Sir. Sofort.« Sie legte auf. »Mr High möchte uns sprechen.«
»Ein neuer Fall?«
»Das hat er mir nicht verraten. Schließlich ist er der Chef. Wären Sie so freundlich, mich zu begleiten?« Sie stand auf.
Cotton stürzte den Kaffee hinunter und stellte den leeren Becher auf ihrem Schreibtisch ab. »Sie sind der Chef.«
*
»Nehmen Sie Platz, Agents«, bat Mr High und verschob einen Stapel Papiere auf seinem ansonsten aufgeräumten Schreibtisch.
Decker und Cotton setzten sich schweigend.
High unterschrieb ein Dokument und reichte Decker eine Ausfertigung. »Das sind die Befehle und Ihre Legitimation für den bevorstehenden Einsatz.«
Cotton riss sich zusammen, um sich nicht den Hals zu verrenken, aber seine Partnerin gönnte ihm keinen direkten Blick auf das Schreiben.
»Mit Verlaub, Sir …«, begann sie, wurde von High jedoch mit einer Handbewegung unterbrochen.
»Noch einen Moment Geduld, bitte.«
Ein leises Pling kündigte die Aktivierung der Videokonferenz an. Aus dem Himmelblau des Bildschirmschoners wurde ein geschäftsmäßiges Grau. Eine Einblendung erfolgte:
ENCRYPT DELTA – VARIOUS MODUS – SAFE – START
Auf dem Monitor aktivierte sich die Kamera, angezeigt durch eine winzige rote Leuchtdiode.
»Können Sie mich sehen?«, fragte eine Männerstimme.
»Nein, Senator«, antwortete High. »Bestätigen Sie bitte mit Mausklick den Various Modus.«
»In Ordnung.«
Endlich erschien der Teilnehmer der Konferenz. Im Blickfeld der Kamera saß ein Mann an einem Schreibtisch. Cotton schätzte ihn auf ungefähr sechzig. Graues, kurzes Haar, hohe Stirn, ein schmales, von Falten durchzogenes Gesicht und breite Schultern unter dem dunklen Anzug.
Mit diesem Mann war nicht gut Kirschen essen; das sagte Cotton sein Bauchgefühl. Der Senator kam ihm bekannt vor, aber der Name wollte ihm partout nicht einfallen.
»Schön, dich zu sehen, John«, klang die Stimme aus dem Lautsprecher.
»Guten Morgen, Rob. Darf ich dir die Special Agents Decker und Cotton vorstellen?«, erwiderte High.
»Das sind deine besten Leute?«, fragte der Senator. Der Zweifel war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören.
»Sie sind ein hervorragendes Team, Rob. Du kannst meinem Urteilsvermögen trauen.«
»Dasselbe Urteilsvermögen, das dich an Loch sechzehn dazu gebracht hat, ein Eisen neun zu wählen.«
»Wir sollten zur Sache kommen, Rob.«
»Du hast recht«, entgegnete der Senator.
Cottons Blick schweifte von dem Mann ab. Er suchte auf dem gestochen scharfen Bild, das der HD-Monitor lieferte, nach Hinweisen, wo der Senator sich aufhielt. Hinter dem Stuhl stand ein Regal mit alten Büchern. Der im dunklen Holz gehaltene Schreibtisch zeigte eine blanke Platte. Keine Unterlagen, keine Stifte, nichts.
»Special Agent Decker hat bereits den Einsatzbefehl, Rob«, sagte Mr High. »Es wäre nett, wenn du sie und Agent Cotton ins Bild setzen könntest.«
»Selbstverständlich.« Für einen Moment klang die Stimme des Senators beinahe...




