E-Book, Deutsch, 292 Seiten
Engel Ad Libitum
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7407-9472-9
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die halbwegs gute Reihe
E-Book, Deutsch, 292 Seiten
ISBN: 978-3-7407-9472-9
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Daniel Engel ist ein sehr bescheidener Mensch. Er hat laut eigenen Aussagen die Welt bereits mit seiner Geburt revolutioniert und wird es nun vermutlich als Schriftsteller erneut tun. Hauptberuflich ist er kein Schriftsteller, sondern Wissenschaftler. Durch sein Studium und seinen Bildungsweg, der in der Realschule begann, hat er einiges vom Leben gelernt und möchte diese aberwitzige Entität und die Reise, die sie uns bietet, auf seine Art erklären.
Autoren/Hrsg.
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Prolog: Lachen Zitronen?
Es war ein kalter, dunkler und außerordentlich eigenartiger Abend. Es lag etwas in der Luft, eine Mischung aus Parfüm, Currywurst und Vorahnung. Es regnete und die Umgebung enthielt ungefähr 73% Luftfeuchtigkeit. Die Straßenlaternen und das Neonleuchtschild des Clubs Flamingo wurden in den dreckigen Pfützen am Straßenrand reflektiert, in dem sich manch eine Ratte sogar zum Raucher entwickelt hätte. Die Regentropfen waren nicht sehr dick aber machten doch ein merkwürdiges, schweres und trotz alledem sehr regentropferisches Geräusch. Hätte man dieses Geräusch aufgenommen und einem Blinden vorgespielt, dann hätte er wohl nicht sagen können, ob es nun Regentropfen seien, die er da hörte oder ob es nicht vielleicht eine ganz leise in der Frequenz veränderte Bassdrum eines ziemlich alten Schlagzeuges sein könnte, das noch ein Naturfell anstelle einer Plastikbespannung hätte.
Genau dieser Regen prasselte auch auf das Taxi, das die Straße illuminierte und der Atmosphäre die trübe, melancholische und auf eine ziemlich starke an den Noir-Stil erinnernde Art entzog. Das Taxi glitt durch die Pfützen wie ein Hundeschlitten durch Schnee, als wäre es aus einem bestimmten Zweck gebaut worden. Nämlich ein Taxi zu sein, das genau an diesem besagten Abend diese Pfützen so galant und mit Anmut überschreite, wie es kein anderes Taxi hätte tun können. An der dritten Laterne vor dem Club bremste es ab, schaltete daraufhin in den zweiten Gang und kam allmählich zum Stillstand. In der Straße war nun nichts mehr zu hören außer dem Geräusch des Motors und dem Regen.
>> Das macht dann 24,83€. << sagte der Taxifahrer in einem Akzent, der einen wirklich vermuten ließ woher dieser kommen könnte. Er war ein Jamaikaner mit einem Wollhut, einem recht langen und schäbigen Mantel (was wohl sein Lieblingsmantel sein musste), einem T-Shirt mit der Aufschrift „Auf diesem T-Shirt steht nichts", einer Hose mit unzähligen Flecken und Schuhe, die sich vermutlich über all die Jahre seinen Füßen und seinem Fahrstil perfekt angepasst haben. Auf den hinteren Sitzen des Taxis saß ein Mann, der nun anfing seine Brieftasche aus seiner Hose herauszuprügeln. Es war ein wahrer Gewaltakt und es kam ihm so vor, als würde irgendetwas nicht wollen, dass er sie in den nächsten fünf bis sechs Sekunden herausbekommen sollte. Der Taxifahrer war ziemlich geduldig und lächelte weiterhin, als der Mann nach den fünf bis sechs Sekunden endlich seine Brieftasche aus der Hose herausbekam, einen 20er nahm und daraufhin wie verrückt nach den 4,83€ suchte. Sein Finger raste nach rechts, dann nach links, horizontal, vertikal und diagonal-gekreuzt über und durch die Brieftasche. Nach einem Kampf, die ein verrückter Autor eines fiktionalen Geschichtsbuches wohl als die „Schlacht von Taxenburg in der späten Neuzeit“ beschrieben hätte, fand er 4,58€. Er blickte verschwitzt und nervös zum Taxifahrer auf und sagte:
>> Tut mir Leid, aber mir fehlen 25 Cent. <<
>> Schon okay, die 25 Cent bringen bestimmt niemand um, nicht wahr? <<
Der Mann verließ das Taxi und wünschte dem Fahrer noch einen schönen Abend. Er schlug die Tür des Autos entspannt zu. Da fiel ihm plötzlich ein, dass er irgendwo in den vergangenen Monaten etwas davon gelesen hatte, dass Zweidrittel aller Automobilbesitzer zu viel Kraft in den Vorgang des „Türeschließens beim Auto" stecken würden und somit ein verfälschtes Geräusch gegenüber der Allgemeinheit entsteht. Laut den Wissenschaftlern, die diesen Artikel veröffentlichten, sollte das Geräusch, das man abruft, wenn man an eine Autotür denkt, nicht „Puff“ sondern eher ein sanftes „Pfschk“ sein.
Mit diesem Gedanken beschäftigte sich der Mann noch eine Weile, starrte in die Pfützen, zählte dabei die gerauchten Zigarettenstummel und ging dann teils zögernd, teils determiniert auf den Eingang des Clubs zu. Ein dicker, großer Mann (man mochte ihn fast schon als „Schrank" bezeichnen) stand am Eingang des Clubs und zählte murmelnd vor sich her.
>> Guten Abend, was machen Sie denn da? << fragte der Mann.
>> Ich zähle. << sagte der Schrank antrainiert freundlich.
>> Aha, und was zählen Sie, wenn man fragen darf? <<
>> Wie oft ich kaue. << erwiderte der Schrank.
>> Ach so… und bei welcher Zahl sind Sie gerade? <<
>> Hm nach dreimaligem Verzählen bei 258 Bissen. <<
>> Ihr Job scheint sehr wichtig und interessant für die Gesellschaft zu sein. << entgegnete der Mann.
>> Das können Sie aber laut sagen! Ohne mich würde hier Gesocks reinkommen, das weder zählen, lesen, schreiben noch gut-aussehen kann. <<
>> Moment mal! Sie bringen gut-aussehen mit zählen, lesen und schreiben in eine Kategorie? << fragte der Mann empört.
>> Natürlich! Im Regelbuch für Türsteher und… << plötzlich dachte der Mann für einen kurzen Moment an „Schränke" und hörte dann sofort wieder dem Türsteher zu, der ganz säuberlich die Regeln aufzählte. Er trug sie so vor, als würde er es aus dem Regelbuch selbst vorlesen, und das im Stil eines Kochbuches.
>> …Paragraph 3: Jeder Türsteher braucht Augenbrauen, denn Leute ohne Augenbrauen sind nicht als Autoritätsperson geeignet. Sie sollten lieber in einem Friseursalon oder als Feuerwehrmann arbeiten, weil man dort sagen kann, dass es ein Arbeitsunfall gewesen sei. << Der Mann wunderte sich, dass so ein (er wollte es dämpfen) Schwachsinn an dritter Stelle in so einem Regelwerk auftauchte. Jedoch zitierte der Schrank konzentriert mit einer merkwürdigen und subtilen Art von Stolz und Fröhlichkeit weiter.
>> Paragraph 4: Jeder Türsteher muss einen Ausweis tragen, der zeigt, dass dieser Türsteher ein Türsteher von Beruf ist. Egal in welcher Form dieser Ausweis vorhanden ist. Geeignet sind: Papier, Stoff, Pappe, Plastik, Haut oder Haustiere…<<
Der Mann ging in diesem Moment blitzartig dazwischen.
>> Haustiere? << fragte er mit Argwohn.
Der Schrank beendete diesen Paragraphen noch und erzählte dann von einem Mann, der gar nicht Türsteher sein wollte, aber musste, da er ein Rechtsanwaltsstudium absolviert hat, aber keinen anderen Beruf auffinden konnte. Daher nahm er sich eines Abends das Regelbuch für Türsteher und entdeckte, dass der Ausweis nicht auf Haustiere gelte. Er ging also in das nächste Zoogeschäft, kaufte sich einen Goldfisch und tätowierte diesem mit einer heißen Nadel und Tinte eine Kopie seines Ausweises auf die Seite. Anschließend wartete er ein paar Wochen und hatte nun einen Goldfisch erschaffen, der auch als Türsteherausweis galt. An dem Tag, an dem die Polizei für Türsteher ihn verhaften wollte, zeigte er ihnen seinen Goldfisch-Ausweis und klagte gegen diese Polizisten und das obsolete Regelbuch für Türsteher.
>> Aufgrund dieser Anzeige steht da jetzt eben Haustiere drin. << erwiderte der Schrank. >> Soll ich weitermachen, oder haben Sie einen außerordentlich tiefen und wertvollen Einblick in die Aufgaben, Pflichten und Regeln eines Türstehers bekommen? << erkundigte er sich.
>> Nein. Nein, das war äußerst…öhm nun ja, informativ. <<
>> Kein Problem, dafür sind Türsteher ja da. << meinte der Schrank sehr fröhlich.
>> Ihr seid da, um jederzeit die Regeln erklären zu können? << fragte der Mann.
>> Für was würden wir sonst ein Jahr lang das Regelbuch auswendig lernen? << lachte der Schrank.
>> Und was ist mit dem Rausschmeißen und Aufpassen? <<
>> Hahaha. Das machen wir nach Instinkt und Laune. <<
Der Mann schüttelte halb nickend, halb verneinend den Kopf, wünschte dem Schrank ebenfalls einen schönen Abend und ging in den Club.
Er trat ein und begegnete erst einmal einem schrecklich dekorierten Vorraum. Links war ein Tresen aus Holz, welcher in dem grässlichsten Pink angestrichen war, das der Mann jemals gesehen hatte. Es stach in den Augen und wirkte irgendwie sehr abschreckend, was daran lag, dass der Club Flamingo früher ein Hotel war. Der Besitzer dieses Hotels wollte jedoch keine Hunde haben, also dachte er sehr lange über eine Lösung für sein Problem nach. Er grübelte eine ganze Weile und erfand schließlich eine Farbe, die so hässlich war, dass sogar Hunde sie deutlich sehen konnten und davor Angst bekamen. Nach seiner Erfindung ließ er den Tresen und den Schreibtisch an der Rezeption so streichen, dass Hunde sich nicht weiter als bis zu diesem Raum wagten. Als der Hotelbesitzer jedoch erkannte, was er vollbracht hatte, schrieb er einem renommierten Wissenschaftsmagazin. Daraufhin wurde ihm zwei Monate später der Nobelpreis für Chemie auf seine...




