E-Book, Deutsch, Band 13, 416 Seiten
Reihe: Elemental Assassin
Estep Spinnenblitz
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-99487-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Elemental Assassin 13
E-Book, Deutsch, Band 13, 416 Seiten
Reihe: Elemental Assassin
ISBN: 978-3-492-99487-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jennifer Estep ist SPIEGEL- und internationale Bestsellerautorin und immer auf der Suche nach ihrer nächsten Fantasy-Romanidee. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden und Familie, macht Yoga und liest Fantasy- und Liebesromane. Außerdem sieht sie viel zu viel fern und liebt alles, was mit Superhelden zu tun hat. Sie hat bereits mehr als vierzig Bücher sowie zahlreiche Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht. Bei Piper erscheinen ihre Young-Adult-Serien um die »Mythos Academy«, »Mythos Academy Colorado«, »Black Blade«, »Die Splitterkrone« und »Gargoyle Queen« sowie die Urban-Fantasy-Reihen »Elemental Assassin«, »Bigtime« und »Section 47«.
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1
»Ich sehne mich gerade wirklich danach, jemanden zu erstechen.«
Silvio Sanchez, mein persönlicher Assistent, warf mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. »Ich würde davon abraten«, murmelte er. »Das könnte die falsche Botschaft aussenden.«
»Genau«, schaltete sich Phillip Kincaid ein. »Nämlich dass du zu deinem tödlichen Profikiller-Lebensstil zurückgekehrt bist und wieder anfangen wirst, Leute umzubringen, statt sie anzuhören, wie du es tun solltest.«
»Ich glaube nicht, dass ich diesen Lebensstil je hinter mir gelassen habe«, antwortete ich. »Wenn man bedenkt, dass ich jeden hier umbringen und heute Nacht trotzdem schlafen könnte wie ein Baby.«
Phillip kicherte leise, während Silvio nur die Augen verdrehte.
Wir drei saßen an einem langen Konferenztisch, der auf dem Deck der Delta Queen aufgestellt war, dem luxuriösen Flussschiff-Casino, das Phillip gehörte. Normalerweise wären einarmige Banditen, Poker- und Roulette-Tische auf dem Deck aufgebaut worden, in Vorbereitung auf einen Abend voller Glücksspiel. Doch heute diente das Schiff als Treffpunkt für ein Meeting zwischen einigen von Ashlands unzähligen Unterweltbossen.
Vermeintlich ging es bei diesem Treffen um die friedliche Beilegung des schwelenden Konflikts zwischen zwei der führenden Verbrecher der Stadt: Dimitri Barkov und Luiz Ramos. Sie waren sich im Moment nicht ganz einig, wer das Recht hatte, eine Reihe von Waschsalons zu kaufen, um, na ja, das Geld aus ihren Glücksspiel-Unternehmungen zu waschen. Nicht, dass irgendetwas an der Art, wie Dimitri und Luiz sich seit fünf Minuten gegenüberstanden und sich anschrien, friedlich gewesen wäre. Ihre jeweiligen Wachen standen hinter ihnen und warfen sich gegenseitig böse Blicke zu, die Hände zu Fäusten geballt, als hätten sie nichts lieber getan, als mitten auf dem Deck eine Schlägerei anzufangen.
Nun, das wäre unterhaltsam gewesen. Ich grinste. Vielleicht sollte ich sie einfach loslegen lassen. Und der Sieger bekam dann alles. So wäre diese Meinungsverschiedenheit beigelegt.
Silvio stieß mich mit dem Ellbogen an und kniff die grauen Augen zusammen, als wüsste er genau, was ich gerade dachte.
»Pass auf«, murmelte er. »Du sollst dir eigentlich die Fakten anhören, damit du eine faire, neutrale Entscheidung treffen kannst, schon vergessen?«
»Ich könnte fair und neutral sein, indem ich sie beide ersteche.«
Silvio warf mir einen missbilligenden Blick zu.
Ich seufzte. »Immer verdirbst du mir den Spaß.«
»Das ist mein Job«, antwortete der Vampir.
Ich ließ eines der Steinsilber-Messer aus meinen Ärmeln in meine Hand gleiten und zeigte es meinen Freunden unter dem Tisch, sodass die anderen Verbrecherbosse und ihre Männer es nicht sehen konnten.
»Komm schon«, flüsterte ich. »Lass mich wenigstens einen von ihnen erstechen. Dann hält der andere sicher auch die Klappe.«
Phillip kicherte wieder, Silvio hingegen stieß nur ein leises, trauriges Seufzen aus. Er schätzte meinen Führungsstil nicht besonders. Keine Ahnung, warum.
Meine Freunde richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf Dimitri und Luiz, die sich immer noch anschrien und mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht des anderen herumwedelten. Doch statt ihnen zuzuhören, sah ich die dritte Unterweltgestalt an, die zu diesem Treffen erschienen war: Lorelei Parker.
Anders als Dimitri und Luiz, die beide schicke Business-Anzüge trugen, präsentierte sich Lorelei in schwarzen Stiefeln mit Stiletto-Absatz, dunklen Jeans und einer schwarzen Lederjacke, genau wie ich. Ihr schwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten und ihre blauen Augen hatte sie auf ihr Handy gerichtet, weil sie damit beschäftigt war, Nachrichten zu schreiben. Durch die schnellen Bewegungen ihrer Finger blitzte ein Runenring aus Steinsilber an ihrer rechten Hand auf: eine dornenumrankte Rose, von der Blut tropfte, das Ganze eingerahmt von dicken Diamanten.
Lorelei war die faszinierendste der drei Unterweltbosse. Die Schmugglerin war überall dafür bekannt, dass sie alles für jeden – und jederzeit – organisieren konnte. Waffen, Juwelen und kostspielige Antiquitäten waren nur ein paar der Dinge, mit denen sie ihr Geld verdiente.
Hinter ihr stand nur ein einziger Bodyguard: Jack Corbin, ihre rechte Hand. Auch er war in Stiefel, Jeans und Lederjacke gekleidet, doch seine kalten, blauen Augen glitten ständig über das Deck und alles, was sich darauf befand.
Corbin sah, dass ich ihn beobachtete, und nickte mir kurz zu, bevor er näher an seine Chefin herantrat, bereit, sie vor jedem auf dem Schiff zu beschützen, inklusive mir. Ich erwiderte das Nicken. Mein verstorbener Mentor, Fletcher Lane, hatte eine dicke Akte über Corbin in seinem Büro, also wusste ich, dass er viel gefährlicher war, als er wirkte.
Andererseits galt das auch für mich.
Lorelei war hier, weil die fraglichen Waschsalons im Moment noch ihr gehörten und sie bereit war, sie zu verkaufen – an den Meistbietenden, natürlich. Ich wusste nicht, ob sie wegen des Verkaufs selbst an Dimitri und Luiz herangetreten war oder ob die beiden sich bei ihr gemeldet hatten. Und ich hatte bisher auch keine Chance bekommen, Fragen zu stellen, weil sich die beiden Männer die gesamten sechs Minuten meines Aufenthaltes auf der Delta Queen nur angeschrien hatten. Auf jeden Fall konnten sich die beiden Bosse nicht einigen, wer was bekommen sollte, und die Sache war inzwischen so eskaliert, dass Dimitri und Luiz kurz davor standen, sich den Krieg zu erklären. Das hätte wilde Schießereien, Messerstechereien, das Einschlagen von Kniescheiben und jede Menge andere schmutzige Verbrechen bedeutet.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Als Spinne hatte ich im Zuge meiner Arbeit selbst jede Menge Dreck hinterlassen. In gewisser Weise war das sogar mein Markenzeichen.
Doch vor ein paar Wochen hatte ich Madeline Magda Monroe getötet, eine Säuremagierin, die sich selbst zur neuen Königin der Unterwelt von Ashland erklärt hatte, um damit in die Fußstapfen ihrer Mutter Mab zu treten.
Und genau wie ich es vor ein paar Monaten mit ihrer Mutter gemacht hatte, hatte ich Madeline mit meiner Eis- und Steinmagie getötet. Da jetzt keine Monroe mehr übrig war, um die Kontrolle über die Unterwelt zu übernehmen, hatten die anderen Bosse mich quasi zu ihrem Oberhaupt erklärt. Zumindest bis sie anfangen würden, Pläne zu schmieden, um mich auszuschalten, damit einer von ihnen den Thron besteigen konnte, nach dem sie sich alle so verzehrten.
Fast wünschte ich mir, einem von ihnen würde es gelingen, mich von meinem Elend zu erlösen.
Entgegen der allgemeinen Auffassung war es kein Zuckerschlecken, die Unterwelt von Ashland zu beherrschen. Es war überhaupt kein Genuss. Es bereitete mir einfach nur jede Menge Kopfschmerzen – wie die, die im Moment in meinen Schläfen pochten. Ich hatte gedacht, ich wäre schon bisher ein begehrtes Zielobjekt gewesen, doch inzwischen belästigten mich die Bosse noch mehr als zuvor. Und sie wollten tatsächlich mit mir reden. Ununterbrochen. Über Geschäftsabschlüsse und Verträge und darüber, wer es seinen Gangmitgliedern erlaubte, ihre Rune im Territorium einer anderen Gang an die Hauswände zu sprühen. Als würde mich das tatsächlich interessieren. Doch ich war jetzt der Big Boss, also war es anscheinend mein Job, ihnen zuzuhören. Zumindest behauptete das Silvio.
Ich hätte am liebsten so lange Leute erstochen, bis es endlich alle kapierten, mich in Ruhe ließen und ihre Probleme selbst lösten.
Lorelei war diejenige, die um dieses Treffen gebeten hatte. Obwohl, eigentlich war sie an Phillip herangetreten. Es sah so aus, als wollte Lorelei meine neue Autorität nicht offen anerkennen oder riskieren, dass ich mich in ihre Angelegenheiten mischte. Das oder sie hasste mich aus irgendeinem Grund einfach. Spielte eigentlich keine große Rolle, weil ich sie ebenso wenig schätzte wie sie mich.
Doch Phillip war mein Freund und er hatte mir von diesem Meeting erzählt. Also saß ich, als Gin Blanco, die Spinne, neue Königin der Unterwelt von Ashland, jetzt hier und war bereit, zum ersten Mal einen großen Konflikt zu lösen. Jepp. Ich.
Trotzdem wäre ich vollkommen damit zufrieden gewesen, dieses Meeting sausen und zuzulassen, dass Dimitri und Luiz ihre Differenzen selbst auskämpften, bis einer von ihnen den anderen umbrachte. Doch Silvio hatte korrekterweise darauf hingewiesen, dass sie, wenn ich den Disput heute löste, nicht morgen in meinem Restaurant, dem Pork Pit, auftauchen würden. Da ich nicht wollte, dass Kriminelle meine Gäste verschreckten, hatte ich entschieden, eine gute Königin zu sein und dem Meeting tatsächlich beizuwohnen.
Als ich mit Silvio an Bord gekommen war, hatten alle an dem Konferenztisch gesessen. Doch kaum hatten sie mich entdeckt, waren Dimitri und Luiz aufgesprungen und hatten angefangen, sich gegenseitig Beschuldigungen ins Gesicht zu brüllen, als würde ich denjenigen unterstützen, der am lautesten und längsten schreien konnte.
Inzwischen verfluchte Dimitri Luiz auf Russisch, während Luiz auf Spanisch vom Leder zog. Nachdem es nicht so aussah, als wollten sie in nächster Zeit damit aufhören, nicht einmal, um Luft zu holen, blendete ich das Geschrei so gut wie möglich aus und schaute über die Messingreling.
Der Aneirin floss am weißen Flussschiff vorbei, durch die schnelle Strömung schwankte die Delta Queen ganz leicht. Auf der Oberfläche des blaugrauen Wassers glänzte die Novembersonne und ließ sie glitzern wie einen Diamanten, während eine leichte Brise den Geruch von Fisch herantrug. Ich rümpfte die Nase. An den Bäumen auf der anderen Seite des Flusses hingen noch vereinzelt rote und orangefarbene...