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E-Book, Deutsch, 172 Seiten

Feichtinger Ankünfte 3

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

ISBN: 978-3-99110-998-3
Verlag: myMorawa von Dataform Media GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz



Wurzelstrünke, entwurzelte Urwaldriesen drehten sich in gewaltigen Strudeln in den tosenden Fluten und brachten die Brigantine in Gefahr, zermalmt zu werden. 'Que Rio Mar' - ein Fluss wie ein Meer - hatte Don Francisco ausgerufen, als er mit der 'Victoria' und seiner halben Hundertschaft im Februar 1542 den Amazonas erreichte. In der Erzählung vom Beginn der ersten Durchquerung des Kontinents werden die Taten historischer Männer mit den Schicksalen fiktiver Personen verknüpft. Welche Überraschung erlebte der Gringo, als er die zwei Schrumpfköpfe, die er von einem schmierigen Indio erworben hatte, seinem Amigo präsentierte. Sie stammten von Hehlern, die zwei Huaqueros (Grabräubern) übel mitgespielt hatten ... Am Abhang der Cordillera Blanca steht am Rand einer schmale, staubigen Piste ein schlichtes Holzkreuz. Auf seinem verwitterten Querbalken sind die Initialen dreier Unglücklicher eingeritzt, deren Schicksale in seltsamer Weise verwoben waren und die an diesem Ort endeten. Man kann das Leben als ein Spiel auffassen - auch wenn es die beiden Männer und die Frau in einer Dreiecksbeziehung wohl nicht so sehen. So wie es eine Win-Win-Situation gibt, können Umstände existieren, unter denen alle Teilnehmer an einem 'Spiel' verlieren.
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QUE RIO MAR Der Mann am Bug der Brigantine schlug die Augen auf. Andrés Durán blickte in die Dunkelheit. Sein Bein schmerzte und er hatte die halbe Nacht nicht geschlafen. Die ‘Victoria’ war zum größten Strom der Erde gekommen. Das Schiff lag vertäut am Flussufer. Obwohl ein vager Schein im Osten den nahen Tag ankündigte, war vom ruhig vorbei strömenden Wasser nichts zu sehen. Außer gelegentlichem Plätschern des Flusses war es still. Am Tag zuvor war das noch ganz anders gewesen. Tosende Fluten hatten dem Zweimaster arg zugesetzt. Der Fluss, den sie bisher befahren hatten, mündete in einen größeren, und der Zusammenfluss der beiden ließ die Besatzung vorkommen wie in einem Kessel voll siedendem Wasser. Wurzelstrünke, Äste riesiger Urwaldbäume, ganze Baumstämme drehten sich in gewaltigen Strudeln und brachten das Schiff in Gefahr, zermalmt zu werden. Begleitet wurde das Ganze von einem ohrenbetäubenden Rauschen der aufgebrachten Wassermassen. Andrés hatte das Toben des Elementes am eigenen Leib erfahren müssen. Als er, gemeinsam mit ein paar anderen Männern, in einem Kanu bestrebt war, einen treibenden Baumstamm mit Stangen vom Schiffsrumpf abzuwehren – es bestand die Gefahr, dass er die Planken der Victoria eingeschlagen hätte – war ihr Boot gekentert. Hätte ihn nicht der baskische Juan aus den Fluten gezogen, so wäre dies wohl böse ausgegangen. So war Andrés mit einer schmerzhaften Quetschung seines Schenkels, die er sich zwischen dem Holz des Stammes und der Bootswand zugezogen hatte, davongekommen. Am Bug der Brigantine hatte sich der Verletzte einen kleinen Vorteil gesichert, da er hier die Nacht alleine ungestört verbringen konnte. Die Victoria war nicht groß, sodass die Besatzung zusammengepfercht an Deck schlafen musste. Die Ausdünstung der vielen Körper, das Geschnarche, das Stöhnen der Kranken – all das machte den Aufenthalt am Schiff bei tropischer Schwüle nicht angenehm. Durán liebte den Übergang von Nacht zum Tag. Die Natur, die mit fortschreitender Nacht schließlich zur Ruhe gekommen war, erwachte wieder langsam. Vogelstimmen setzten ein und kündigten den bevorstehenden Tagesanbruch an. Hier, nahe am Äquator, verblieb nur wenig Zeit, das Farbenspiel am Himmel zu beobachten. Die Färbung des Firmaments wechselte von nachtschwarz und dunkelblau über violett zu braun-gelb, gefolgt von einem kurzen Hauch von zartem Grün. Die Konturen der Äste der Uferbäume begannen sich vor dem heller werdenden Hintergrund abzuzeichnen. Die Dunstschicht am Fluss schwand, die Konturen wurden schärfer. Die vom Ufer abgewandte Seite gab den Blick auf eine weite Wasserfläche frei. Der träge dahinfließende Fluss schimmerte kristallen. ‘Wie schwarzes Silber’, kam es Durán in den Sinn. Die Wolkenformationen am Horizont erinnerten ihn an einen Schiffskonvoi oder auch an einen Heerzug mit Rössern und Reitern. Aus der Masse der ruhenden Leiber hatte sich eine in eine Kutte gehüllte Gestalt gelöst und neben ihm am Schiffsbug niedergekniet. Andrés erkannte den Dominikanermönch Gaspar de Carvajal, der sein Morgengebet verrichtete. Er mochte den frommen Mann. Vermutlich war er der einzige am ganzen Schiff, der nicht wegen Gold und Reichtum an Bord war. Der Geistliche bekleidete in Lima eine hohe Stellung in der neu etablierten Kirchenhierarchie. Er hatte sie aufgegeben, um der Besatzung geistlichen Zuspruch zu erteilen. Und natürlich auch, um die Indios dem einzig wahren Glauben zuzuführen. „Cómo estás1, Señor Durán?“ erkundigte sich der Dominikaner nach Andrés Zustand. Dieser zuckte mit den Achseln. Er mochte es nicht, im Blickpunkt zu stehen. „War das ein Tag gestern, von dem ich hoffe keinen zweiten solchen erleben zu müssen“, setzte der Priester fort. „In meinem Gebet habe ich dem Herrn gedankt, dass er uns, insbesondere auch dich, vor dem Untergang bewahrt hat. ‘Que rio mar’, hat es unser Capitano so treffend formuliert, als unser Schiff in den gewaltigen Strom eingefahren ist – ‘Ein Fluss wie ein Meer’ …“ Mit diesen Worten wies der Mönch zum Heck der Victoria, auf dem eine auf- und abschreitende Gestalt erschienen war: Francisco de Orellana, Kapitän der Victoria und Kommandant der Truppe. Doch Andrés folgte Pater Gaspars Worten lediglich mit halbem Ohr. Er schaute nach Osten, wo sich der Himmel rosarot gefärbt hatte und eben die Sonne lotrecht aus den Fluten stieg. Erst war nur ein kleines Stück sichtbar, dann aber rasch zu einem vollen, glutroten Ball anwachsend. Geblendet schloss Andrés die Augen. Er öffnete sie, als er achtern einige Stimmen vernahm. Dort war der Schiffsmeister und Pilot Juan de Alcántara mit einigen Männern damit beschäftigt, die Victoria flott zu machen. Dazu wurden die Seile von den Uferbäumen gelöst, an denen die Brigantine vertäut worden war. Der unbekannte Flussverlauf, Untiefen und Treibholz hatten eine Nachtfahrt als nicht ratsam erscheinen lassen. Mehrere Besatzungsmitglieder waren damit beschäftigt, das Schiff mit langen Stangen vom Ufer weg zu staken. Die Victoria nahm langsam Fahrt auf. Der Schiffsmeister selbst hatte das Ruder übernommen. Er steuerte den Zweimaster Richtung Flussmitte, wo die Strömung stärker war. Die beiden Segel bauschten sich im Morgenwind und die Victoria glitt flussabwärts durch die träge fließenden, grau-braunen Fluten. * Begleitet von Carvajal erschien jetzt der Kommandant am Bug des Schiffes. Obwohl keine Auseinandersetzung mit Indios oder sonst wem zu befürchten war, trug Francisco de Orellana Brustpanzer und Helm. Möglicherweise um seine Autorität zu unterstreichen, obwohl dies keineswegs nötig war. Der Capitano, wie er genannt wurde, wurde von seiner Mannschaft geachtet, wegen seiner Führungsqualitäten und Entscheidungsstärke geschätzt. Orellanas markantes, männlich schönes Antlitz zeigte eine freundliche Miene, als er auf Andrés Durán zutrat um sich nach dessen Befinden zu erkundigen. Dieser versuchte sich pflichtgemäß zu erheben. „Bleibt sitzen, Amigo. Wenn man so liebevoll umsorgt wird wie ihr von Señora Ana, macht die Genesung wohl gute Fortschritte“, versuchte der Kapitän den Verletzten aufzumuntern. Obwohl sich Orellana und Ortega seit ihrer Jugend gut kannten – beide stammten aus Trujillo beziehungsweise der Umgebung der Stadt in der Extremadura – waren sie nichts weniger als gleichgestellt. Während Orellana niedrigem Adel angehörte war Andrés Vater Zimmermann und auch er selbst hatte dieses Handwerk erlernt. Seit ein paar Jahren übte er den Beruf eines Verwalters auf Orellanas Landgut nahe der neu gegründeten Stadt Guayaquil aus. Auch hier an Bord herrschte enormer Rangunterschied zwischen beiden. Durán war Arkebusier2 und bei Bedarf auch Schiffszimmermann, Orellana hingegen gebot über mehr als ein halbes Hundert Männer und zwei Frauen, die paar als Träger und andere Hilfsdienste mitgeführten Indios gar nicht gerechnet. So war es klar, dass Andrés Don Orellana mit ‘Sie’ ansprach, während dieser das ‘Du’ gebrauchte. „Was ist eigentlich unser nächstes Ziel, Señor capitano“, erkundigte sich Andrés, geschickt von seinem Befinden ablenkend. „Es liegt wohl ostwärts, Durán, den gewaltigen Strom hinunter. Unser indianischer Dolmetsch Delicola will erfahren haben, dass einige Tagesreisen flussabwärts ein Reich liegen soll, das von einem Herrscher namens Aparia regiert wird. Dort können wir unsere Lebensmittel ergänzen, hoffentlich auch reiche Beute machen und gleichzeitig die Heiden dort bekehren.“ Die letzten Worte galten dem Dominikaner, der zustimmend nickte. „König Carlos hat uns den Auftrag erteilt, das Christentum in der Neuen Welt zu verbreiten, um so die armen Seelen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren. Mit Gottes Hilfe und der Unterstützung Don Franciscos wird uns dies auch gelingen. Am zielführendsten für unser Unterfangen wäre es natürlich, das Land am Strom für die spanische Krone in Besitz zu nehmen …“ Jetzt war es am Kapitän, bestätigend zu nicken. Nach einer kurzen Pause, während die drei aufs Wasser blickten, nahm Andrés das Gespräch wieder auf. „Kaum zu glauben, wie ruhig der Fluss heute hier einher strömt – ganz im Gegensatz zu gestern.“ „War der Fluss, den wir mit der Victoria anfangs befahren haben, schon breit, so ist dieser nun wahrhaft gigantisch. Ich hätte niemals geglaubt, dass ein derart gewaltiger Strom auf Erden existiert. Wir sollten ihn ‘Rio Orellana’ taufen“, schlug Carvajal vor. „Jedenfalls wird der gestrige Santa Eulalia Tag in die Geschichte der Conquista3 eingehen als ‘Dia de confluentes’4 an dem Spanier erstmals einen derartig...


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