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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Förg Gottesfurcht

Oberland Krimi
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86358-033-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Oberland Krimi

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-86358-033-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Kaum tritt Gerhard Weinzirl seinen Dienst im Oberbayerischen an, wird er mit einer Leiche im winterlichen Eibenwald westlich von Weilheim konfrontiert. Als zwei weitere Tote gefunden werden - der eine am Döttenbichl in Oberammergau, der andere in Peißenberg -, erkennt Gerhard einen Zusammenhang. Alle Opfer hatten an der Schnitzschule von Oberammergau gelernt.
Mordet hier ein gestörter Täter? Welche Rolle spielen die ungelenk geschnitzten Tiere, die alle drei bei sich hatten? Und was soll Gerhard von "Frau Kassandra" halten, die ausgerechnet ihn davon überzeugen will, dass die Opfer in den mystischen Raunächten umgekommen sind und ihr Tod an kultischen Plätzen regelrecht inszeniert wurde. Gerhard bohrt in der Vergangenheit seiner Opfer. Und dabei lässt ihn das Allgäu nicht los: Die Spur zum Mörder führt in die Heimat, und dann ist da ja auch noch Jo, die Gerhards Seelenleben durcheinander wirbelt...

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2 Gerhard lag auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Der Wind umtoste das Haus, überall klapperte es, die Bäume rauschten, mal murmelten sie leise, mal schrien sie an gegen den Wintersturm. Er entspannte sich, er begann in die Matratze hineinzusinken. Diese Wohnung war doch ein Geschenk des Himmels. Okay, es roch wirklich etwas muffig, aber er wohnte mitten im Wald, nur fünf Minuten von Weilheim entfernt. Seine Vermieter würde er hoffentlich bald mal treffen, um sich zu bedanken. Außerdem wollte er die Leute mit den Säulen und einem riesigen Holzhaus und mehreren Nebengebäuden kennen lernen. Sie führten einen Doppelnamen mit einem adligen »von«. Keine Ahnung, wovon die lebten, keine Ahnung, wer überhaupt zur Familie gehörte. Aber ein Familienmitglied stellte sich soeben vor: ein schwarzer Kater, der ihn kurz ansah und dann ohne zu zögern seinen dicken Katerkopf zwischen Decke und seinen Oberschenkel zwängte, ein Stück weit in die Höhle kroch, sich umdrehte, ein wenig kreiselte und dann liegen blieb und zu schnurren begann, monoton, beruhigend und gedämpft unter der Decke. Wie pflegte Katzenmama, katzenverrückte, katzenabhängige Jo zu sagen? »Es gibt drei Sorten von Katzen. Fußwärmer, das sind die angenehmsten, die rollen sich adrett auf deinen Füßen zusammen. Dann gibt es Kragen, die liegen am liebsten so, dass du im Hochsommer das Gefühl hast, ‘nen Angorakragen umzuhaben. Und dann gibt’s Schlüpfer, die müssen unter die Decke.« Der da war ein Schlüpfer. Ach Jo, der würde dir gefallen. Vielleicht würde der Kater sie ja milde stimmen, denn Gerhards Abgang war alles anders als ruhmreich gewesen am letzen Freitag, wo alles so Jo-typisch begonnen hatte. Er starrte zur Decke, als würde dort einer der Krimis laufen, die ihn immer so nervten, weil die Ermittler in sechzig oder neunzig Minuten die Fälle lösen konnten. Dann waren sie alle so starke Charaktere voller bizarrer Marotten. Und sie waren stets so wortwitzig! Allein die »famous last words« bei C.S.I., bevor der Abspann kam. Immer trefflich, immer hochintelligent, immer so lässig. So was fiel ihm nie ein, Baier wohl auch nicht. Aber sie waren eben auch nicht Horacio aus Miami. Gerhard starrte weiter an die Decke, wo ein Film lief. Einer aus seiner jüngsten Erinnerung, und den hätte er lieber verdrängt. Aber der ließ sich nicht verjagen. »Jo, das sind jetzt schon die zehnten! In Worten: zehnten. Und die haben auf mich einen netten Eindruck gemacht, einen richtig netten. Ich fand die sehr sympathisch«, hatte Gerhard gesagt. Damit war es losgegangen. »Ja, aber die Kinder sind zu laut!« »Jo, deine so genannten Kinder sind zwölf und vierzehn, der Junge machte mir einen etwas verdruckten Eindruck, und das Mädchen wirkt nicht so, als ob sie wilde Partys feiern würde. Das sind doch keine kreischenden Babys mehr«, hatte er lachend gemeint. »Ja schon, aber das mit den Partys kann doch noch kommen!« Gerhard hatte den Kopf geschüttelt und sich dem Kühlschrank zugewandt. Mit einem Plopp hatte er sein Weißbier geöffnet, und er war auf einen Stuhl gesunken. Seine hatten Jos Augen gesucht, und er hatte sie kopfschüttelnd angegrinst. »Jetzt schau nicht so. Die waren es eben nicht«, hatte Jo gesagt und ihm die Zunge rausgestreckt. »Ja, die nicht und auch nicht die letzten neun. Und auch nicht Patti …« »Komm, die hat ja nun wirklich ein schreiendes Kleinkind«, hatte Jo ihn sofort unterbrochen. »Okay! Geschenkt. Aber auch nicht Evi ohne Kleinkind.« »Ja, aber die ist ja nie zu Hause«. »Sie hätte zwei genommen, und die hätten dann ja wohl ‘nen Kumpel und ‘nen Garten.« »Gerhard, ich mag Evi wirklich, aber für so was ist sie zu, na ja, zu karrieristisch!« Gerhard hatte mit den Augen gerollt, und er spürte es auch jetzt noch ganz deutlich wie sein Amüsement begonnen hatte in leisen Ärger umzuschlagen. »Und die Kohlrossens? Mensch, so mit Kneipe, was da alles abfällt an Köstlichkeiten«, war sein nächster Vorschlag gewesen. »Ja schon, aber die Straße!« »Jo, Diepolz ist doch nicht der Stachus.« »Ha! Weißt du, wie die da durchrasen? Gerade am Morgen! Nö, unmöglich! Und außerdem sind das Herbstkatzen. Die sind besonders zart und brauchen viel Zuwendung.« Während Gerhard versucht hatte, Jos Mauer der Ablehnung zu durchbrechen, machte so ein kleiner zarter Tiger Männchen vor seinem Weißbierglas und starrte gebannt auf die kleinen Perlchen, die im Glas aufstiegen. Noch mehr Streckung, die Pfote ins Glas getaucht – und rumms: ein schepperndes Glas und eine Sturzflut. So was von zart, das Tierchen, und schnell. Es sauste pfeilgerade unter die Couch. »Scheiße!« Gerhard war aufgesprungen, die Jeans klatschnass. Der kleine Tiger, der inzwischen seinen Schutz wieder verlassen hatte, zwei weitere getigerte Exemplare und ein schwarzweißes Tier mit viel zu großen Ohren, hatten im Türrahmen Position bezogen und verfolgten mit riesigen Kulleraugen, was da los war. »Herrgott, ihr Doofen, ja, euch meine ich. Von euch reden wir. Euer Frauchen gibt nun schon zehnseitige Adoptionsbögen aus, aber niemand im Orbit ist auch nur ansatzweise gut genug, euch zu beherbergen«, hatte Gerhard in ihre Richtung gesagt. Und was hatten die getan? Gegähnt, ihn einfach angegähnt! Bianchi von Grabenstätt, die Mutter der Kompanie, hatte seine Rede aus einem Brotkorb am Tisch verfolgt und entstieg diesem nun elegant wie eine Göttin. Elegant war sie, wenn auch nicht schön, fand Gerhard. Sie war, etwas farbschwach, weiß mit Ringelschwanz und einem Tigerfleck hinterm Ohr. Sie streckte sich, sprang auf Gerhards Schoß, sah ihm tief in die Augen und hackte ihm dann im Runterspringen eine Kralle in den weißbiernassen Oberschenkel. Red nicht so über meine Kinder! Jo verfolgte ihr Tun mit Stolz. »Kluge Katze! Der versteht nicht, wie süß ihr alle seid.« »Ja, sicher sind die süß, alle. Aber du kannst nicht vier kleine Katzen behalten, dann hast du insgesamt sieben. Außerdem werden die größer! Und dann wollte ich eigentlich nicht den ganzen Abend über Katzen reden. Ich wollte eigentlich …« Seine Stirn-Dackelfalten hatten sich vertieft. »Was wolltest du? Was heißt das eigentlich?«, hatte Jo gefragt, in einem Ton, der ihm nur allzu bekannt war. Alarm! »Ich wollte was mit dir besprechen, na ja, besser, ich wollte dir was sagen.« »Herrgott, Gerhard, ja dann spuck es halt schon aus!« Jo hatte gelacht. »Muss ich mich setzen? Hast du ‘ne Affäre mit Patti? Oder mit sonst wem?« Gerhard schaute noch faltiger. Er spürte ein Gefühl von seinem Magen her aufsteigen, eine unbestimmte Übelkeit. Diesen kalten Frosch, diese Kröte, diesen Klops. »Hast du eine Affäre? Gerhard? Willst du mich loswerden?«, hatte Jo gefragt und ihn dabei so entsetzt angeschaut, dass er sie am liebsten sofort in den Arm genommen hätte. Gerhards Stirn entknitterte sich wieder ein wenig. »Nein, ich habe keine Affäre, und ich will dich nicht loswerden. Es ist nur so, dass ich …« »Dass du?« »Dass ich weggehe.« Nun war es raus. Sakrament, du fiechtiger Brocka, hatte er noch gedacht, das war ja nun wieder alles andere als diplomatisch formuliert. »Wie, weg?« Gerhard hatte tief durchgeatmet, Jo geradewegs angeschaut und gesagt: »Ich werde nach Weilheim gehen an die dortige Polizeidienststelle. Als Vertretung und zur Probe für drei Monate. Der alte Chef geht demnächst in Pension, ich könnte sein Nachfolger werden. Aber erst mal will ich rausfinden, ob es mir da taugt«, hatte er noch versucht abzuwiegeln. »Wann?«, hatte Jo mit Grabesstimme geflüstert. Gerhard hatte das Weißbierglas wieder aufgestellt und starrte das Glas an, als sei es eine Kristallkugel, die Erkenntnis verspräche. »Am Mittwoch.« »Mittwoch?« Er sah es Jo an, dass sie sich bisher zusammengerissen und ihr Temperament gezügelt hatte, aber nun war da nichts mehr zu schlucken, unmöglich! Das hatte er verstanden. Sie hatte gebrüllt. »Mittwoch? Das ist in drei Tagen! Merkst du, was du da sagst? Du gehst nach Weilheim, und das erfahre ich drei Tage vorher? Du Arschloch, du, du …« Gerhard war aufgestanden, hatte das Glas zur Spüle getragen. Arschloch war einfach zu viel. Er redete zur Spüle: »Weilheim ist doch nicht aus der Welt. Es gibt Wochenenden, es ist doch wirklich nur zur Probe.« »Lass das beschissene Glas stehen. Los, schau mich an! Bist du total bescheuert? Wo Weilheim liegt, ist doch scheißegal. Wieso hast du mir nie erzählt, dass du so was planst? Wieso? Bin ich auch bloß zur Probe?« Ihre Stimme war gekippt. Die schrillen Tiraden abgeebbt. Sie war auf einmal ganz leise geworden, die Tränen hatten begonnen zu fließen. »Gerhard, so was entscheidet man doch nicht an einem Tag. Wieso hast du nie was erzählt? Wir sind doch, wir sind doch Freunde?« Er hasste Tränen, er konnte damit nicht umgehen. Er fühlte sich dann immer so unbeholfen. Immer wenn eine Frau weinte, wurde er erst recht brummig und am Ende aggressiv – aus Unsicherheit. Und Freunde? Waren sie das? Natürlich waren sie Freunde, Freunde, die sich so oft verloren hatten und immer wiedergefunden. Freunde, die sich die miesesten Seiten zugemutet und manches Mal die besten entdeckt hatten. Ob sie allerdings ein Paar waren, das lag immer noch unausgesprochen in der Luft seit dem Herbst. Sie waren zusammen, irgendwie. Sie schliefen miteinander, nicht häufig, aber doch. Es hatte sich etwas verändert, aber dieses Etwas war nie definiert worden. Gerhard wusste, was Jo dachte. Weil er das auch gedacht hatte. Unentwegt hatte er diesen Gedanken...


Nicola Förg, Jahrgang 1962, arbeitet als freie Reisejournalistin für namhafte Tageszeitungen, Publikumsmagazine und Fachmagazine - vor allem für solche, die Bergtourismus, Skispass und Reiterreisen zum Thema haben. Sie hat zudem ein Dutzend Reiseführer und Bildbände verfasst. Sie lebt im Ammertal in Bad Bayersoien.



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