E-Book, Deutsch, Band 2, 89 Seiten
Reihe: Reasonable Doubt
G. No Doubts – Teil 2
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7363-0651-6
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2, 89 Seiten
Reihe: Reasonable Doubt
ISBN: 978-3-7363-0651-6
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ich muss sie gehen lassen. Denn sie kann niemals mir gehören ...
Eigentlich hatte Andrew, was Frauen angeht, klare Regeln: ein Abendessen, eine gemeinsame Nacht, keine Wiederholung. Doch seit der erfolgreiche Anwalt die junge Studentin Aubrey kennenlernte, ist nichts mehr wie zuvor. Er kann sich nicht von ihr fernhalten, egal wie sehr er es auch versucht. Auch nicht, als seine schreckliche Vergangenheit ans Licht zu kommen droht ...
Teil 2 des New-York-Times-Bestsellers von Whitney G.!
Achtung: Cliffhanger! Diese Liebesgeschichte besteht aus drei Teilen (Teil 3 erscheint am 07.09.2017).
Weitere Infos & Material
Ausflüchte:
Subtiles Mittel, um sich der Wahrheit zu entziehen oder einer Strafe zu entgehen.
Aubrey
Andrew war ein Arschloch, ein Widerling, wie er im Buche stand, aber egal wie sauer ich war, hatte ich nicht aufhören können, an ihn zu denken.
In den sechs Monaten, die wir uns nun kannten, hatte er nie eine Ehefrau erwähnt. Und das eine Mal, als ich ihn gefragt hatte, ob er sich jemals mehr engagiert hätte als nach dem Motto »Ein Abendessen, eine Nacht, keine Wiederholungen«, hatte er »Ein Mal« geantwortet und rasch das Thema gewechselt.
Nachdem mir dieses Gespräch die ganze Nacht lang durch den Kopf gegangen war, hatte ich mich damit abgefunden zu akzeptieren, dass ich es mit einem Lügner zu tun hatte, und beschlossen, nach vorn zu schauen.
»Meine Damen und Herren von der La Monte Art Gallery …«, sprach mein Ballettlehrer in ein Mikro und riss mich aus meinen Gedanken. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Ich richtete mich auf und ließ den Blick über den vollen Saal schweifen. Der heutige Abend sollte einer der Höhepunkte meiner Tanzkarriere werden. Es war eine Vorführung der Tänzer des städtischen Colleges. Alle maßgeblichen Mitwirkenden der Frühlingsinszenierungen sollten zu Ehren ihrer Ausbildungsstätte ein zweiminütiges Solo aus den Stücken tanzen, die Monate später zur Aufführung gebracht werden sollten.
»Die nächste Künstlerin, die Sie gleich sehen werden, ist Miss Aubrey Everhart.« In seiner Stimme schwang Stolz mit. »Sie spielt die Rolle der Odette/Odile in unserer Produktion von Schwanensee, und wenn ich Ihnen sage, dass sie eine der talentiertesten Tänzerinnen ist, die ich je gesehen habe …« Er hielt inne, bis das Tuscheln der Menschenmenge verstummte. »… können Sie mir das ruhig glauben.«
Einer der Fotografen in der ersten Reihe schoss ein Bild von mir, und das Blitzlicht blendete mich vorübergehend.
»Wie die meisten von Ihnen wissen«, fuhr er fort, »habe ich mit den Allerbesten gearbeitet, zig Jahre in Russland unter den ganz Großen studiert und mich nach einer langen und glanzvollen Karriere mit der New York Ballet Company zur Ruhe gesetzt, um Schüler mit ungenutztem Potenzial zu unterrichten.«
Die Zuschauer applaudierten laut. Alle im Saal wussten, wer Paul Petrova war, und obwohl die meisten aus dem Fachbereich irritiert davon waren, dass er überhaupt den Wunsch verspürt hatte, in Durham zu unterrichten, wagte es niemand, seine Entscheidung zu hinterfragen.
»Ich hoffe, Sie werden kommen und sich die erste Umsetzung unseres Ballett-Programms im Frühling ansehen«, sagte er, während er zur anderen Seite der Bühne schlenderte. »Doch fürs Erste wird Miss Everhart mit ihrem Partner Eric Lofton einen kurzen Pas de deux aus Balanchines Serenade tanzen!«
Wieder klatschte das Publikum, während die Beleuchtung gedimmt wurde. Auf mich und Eric fiel weiches Scheinwerferlicht, und die Geiger begannen zu spielen.
Kurze weiche Klänge erfüllten den Raum, und ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte so grazil zu tanzen, wie es die Musik verlangte. Und doch konnte ich bei jedem Schritt nur an Andrew denken, wie er mich geküsst, sich unsere Körper vereint und er mich schließlich angelogen hatte.
»Ich hab dich nie belogen, Aubrey. Aus irgendeinem seltsamen Grund vertraue ich dir …«
Als Eric die Hände nach mir ausstreckte, stieß ich ihn fort und wirbelte über die Bühne, bis er mir folgte. Er nahm mein Gesicht in seine Hände, als flehte er mich an zu bleiben, doch ich entzog mich ihm erneut und setzte zu einem ganzen Satz wilder Pirouetten an.
Ich war wütend, ich war verletzt, und ich hielt nichts zurück, während ich voller Stolz bewies, wie gut ich den Spitzentanz beherrschte.
Als die Geiger den letzten Ton spielten, schnappte das Publikum nach Luft und applaudierte so laut wie den ganzen Abend nicht.
»Wow …«, flüsterte Eric mir zu, während er sich neben mir verbeugte. »Nach der Darbietung wird sich keiner mehr das Maul darüber zerreißen, wie du an die Schwanenrolle gekommen bist …«
»Die Leute haben sich das Maul über mich zerrissen?« Ich zog fragend eine Augenbraue hoch, doch ich kannte die Antwort bereits. Dass eine jüngere Studentin den älteren die Hauptrolle wegschnappte, hatte es noch nie gegeben.
»Bravo, Miss Everhart.« Mr Petrova trat zu mir. »Sie wird Sie im Frühjahr alle beeindrucken, dessen bin ich mir sicher!«
Als das Publikum wieder applaudierte, hielt er das Mikro von seinem Mund weg. »Wo sind Ihre Eltern? Sie sollen für ein Foto auf die Bühne kommen.«
»Sie sind verreist«, log ich. Ich hatte nicht einmal versucht, sie zu dieser Veranstaltung einzuladen. Es wäre nur Zeitverschwendung gewesen.
»Jammerschade«, meinte er bedauernd. »Sie sind bestimmt sehr stolz auf Sie. Sie können jetzt von der Bühne gehen.«
»Danke.« Ich ging zum Umkleiden in die Garderobe und zog mir ein kurzes weißes Seidenkleid mit einem grauen Federstirnband an. Als ich mich im Spiegel betrachtete, lächelte ich. Niemand würde mir je ansehen, dass ich innerlich ein nervliches Wrack war.
Ich zog mein Handy hervor und stellte fest, dass auf meiner Mailbox eine neue Nachricht von GBH war. Da ich mir vier Tage hintereinander nicht die Mühe gemacht hatte, zu meinem Praktikum zu erscheinen, wusste ich, worum es in dieser Nachricht ging, und löschte sie. Dann überkam es mich mal wieder, und ich googelte zum zigsten Mal in dieser Woche »Andrew Hamilton« – in der Hoffnung, etwas zu finden.
Nichts – wie all die Male davor.
Bis auf sein total souveränes Foto auf der GBH-Website und diesem alles andere als aufschlussreichen Lebenslauf gab es nirgends irgendwelche Informationen über ihn.
Ich versuchte es sogar mit »Andrew Hamilton + New York + Anwalt«, doch die Ergebnisse waren genauso kläglich. Es war, als hätte er nie existiert, bevor er bei GBH angefangen hatte.
»Super Auftritt, Aubrey …« Jennifer, eine der besten älteren Studentinnen an der Duke University, trat plötzlich in den Toilettenraum. »Es ist wirklich eine Ehre, jemandem, der so jung und unterentwickelt ist, dabei zuzusehen, wie er unverdient Lorbeeren erntet.«
Ich verdrehte die Augen und zog den Reißverschluss meiner Handtasche zu.
»Verrat mir eins«, flötete sie. »Glaubst du im Ernst, bis zur Premiere im Frühling durchhalten zu können?«
»Glaubst du im Ernst, dass ich hier stehen bleiben und mir dieses dumme Gewäsch anhören werde?«
»Solltest du aber.« Sie grinste. »Denn unter uns gesagt, vor vier Jahren – lange vor deiner Zeit … Da gab es eine gewisse Tänzerin, die für die Hauptrolle in Dornröschen ausgewählt wurde, eine Studentin mit zwei Hauptfächern. Sie war sehr talentiert – ein Naturtalent –, aber sie versagte unter Druck, weil sie der Tanzkunst nicht so viele Stunden widmen konnte wie die Tänzer, die ausschließlich tanzen wollten.«
»Hat diese Anekdote einen tieferen Sinn?«
»Ich hab ihren Platz eingenommen, obwohl ich erst Studienanfängerin war.« Sie lächelte. »Jetzt bin ich im Abschlussjahr, und ein gewisser Jemand tanzt die Rolle, die mir zusteht. Deshalb werde ich genau wie damals alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass ich bekomme, was mir rechtmäßig zusteht.«
Ich ließ sie kopfschüttelnd stehen und sah darüber hinweg, dass sie mir »Zimtzicke« hinterherzischte. Eigentlich hätte ich in den Gallery Room zurückgehen und den anderen Mitwirkenden zusehen sollen, doch ich brauchte eine Pause.
Ich schlüpfte durch die Schiebetüren auf der anderen Seite des Raumes und trat in das Bistro der Gallery. Hier war es viel ruhiger, und die Leute an den Tischen schienen sich auf Gespräche zu konzentrieren, die sich nicht ausschließlich ums Ballett drehten.
»Miss?« Ein Kellner im Smoking trat mit einem Tablett zu mir. »Darf ich Ihnen ein Glas Champagner anbieten?«
»Zwei, bitte.«
Er zog zwar eine Augenbraue hoch, reichte mir aber trotzdem zwei Gläser.
Wenig anmutig leerte ich erst das eine und dann das andere Glas, um dann auch gleich die Ränder abzulecken, damit mir bloß kein Tropfen entging.
»Wo ist die Bar?«, fragte ich.
»Die Bar? Ich glaube nicht, dass es den Gästen der Kunstgalerie erlaubt ist …«
»Bitte zwingen Sie mich nicht, noch einmal zu fragen.«
Er deutete zur anderen Seite, wo ein paar Raucher saßen, auf die ich zielstrebig zusteuerte.
»Was darf ich Ihnen heute Abend servieren, Miss?« Der Barkeeper lächelte, als ich näher kam. »Möchten Sie eine der Spezialitäten unseres Hauses probieren?«
»Hilft mir eine davon zu vergessen, dass ich mit einem verheirateten Mann geschlafen habe?«
Sein Lächeln erstarb, doch er reihte drei Schnapsgläser vor mir auf und füllte sie mit etwas, wovon ich nur hoffen konnte, dass es das Stärkste war, was seine Bar zu bieten hatte.
Ich schob meine Kreditkarte über die Theke, leerte in Sekundenschnelle das erste Glas und schloss die Augen, während der Schnaps in meiner Kehle brannte. Als ich das nächste Glas ansetzte, hörte ich ein vertrautes Lachen.
Es war tief und rau, und ich hatte es schon Millionen mal gehört.
Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Andrew, der mit einer Frau an einem Tisch saß, die nicht seine Frau war. Ich wollte es nicht...




