E-Book, Deutsch, 255 Seiten
Reihe: Hypnose und Hypnotherapie
Gößling Hypnose für Aufgeweckte
3. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8497-8429-4
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hypnotherapie bei Schlafstörungen
E-Book, Deutsch, 255 Seiten
Reihe: Hypnose und Hypnotherapie
ISBN: 978-3-8497-8429-4
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heinz-Wilhelm Gößling, Dr. med., Studium der Medizin in Hannover, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie; seit 2003 Leitender Oberarzt an der Psychiatrie Hannover-Langenhagen des Klinikums Region Hannover; klinische Leitungsbereiche: Tagesklinik Hannover und Psychiatrische Institutsambulanzen. Zusätzlich seit 2007 eigene Praxis für Coaching, Mentaltraining und Hypnose. Gibt seit 1993 Fortbildungsseminare und ist als Dozent tätig, u. a. für die Ärztekammer Niedersachsen, die Milton-Erickson-Gesellschaft (M.E.G), die Deutsche Gesellschaft für Hypnose (DGH), die International Society of Hypnosis (ISH), die Gesellschaft für Verhaltenstherapie Hannover (gfvt). Schwerpunkte: Hypnotherapie bei Schlafstörungen, Depressionen, Burn-out, Angststörungen, beruflichen und privaten Krisensituationen; Coaching und Mentaltraining für Ärzte, Führungskräfte und Leistungssportler.
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1Zur diagnostischen Einbettung der Schlaflosigkeit
Schlafstörungen treten zum einen in Form eines eigenständigen Krankheitsbilds unabhängig von weiteren psychischen Störungen auf. Diese Form wurde im früheren US-amerikanischen Klassifikationssystem psychischer Störungen, DSM-IV, als »primäre Insomnie« bezeichnet. Im seit Mai 2013 gültigen DSM-5 als auch im ICD-11, dem neuen diagnostischen Klassifikationssystem der WHO, wird für Schlafstörungen, falls sie in Form eines eigenständigen Krankheitsbildes bestehen, nur noch der Begriff »Insomnie« verwendet. Die Zuordnung »primär« ist entfallen.
Fast alle Wirksamkeitsstudien über Behandlungsprogramme bei Schlafstörungen beziehen sich auf die (primäre) Insomnie. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) hat im 2006 vorgelegten Gutachten die Wirksamkeit von Hypnotherapie bei der »nichtorganischen Insomnie« (= Insomnie) im Hinblick auf zwei qualifizierte Wirksamkeitsstudien wissenschaftlich anerkannt (Deutsches Ärzteblatt 2006; siehe auch Abschn. 1.1.4). Es liegen Hinweise vor, dass Hypnotherapie hier hinsichtlich des langfristigen Therapieerfolgs anderen Therapieformen überlegen ist (Revenstorf 2006, S. 114 f.).
Zum anderen sind Schlafstörungen ein häufiges »sekundäres« Symptom einer Vielzahl psychischer Grunderkrankungen. »Sekundär« wird hier deswegen in Anführungsstriche gesetzt, weil Schlafstörungen, die im Verein mit anderen psychischen Störungen auftreten, in vielen Fällen einen wesentlichen pathogenetischen Faktor darstellen, der die jeweilige psychische Grunderkrankung aufrechterhält, verschlimmert oder sie möglicherweise erst in Gang gesetzt hat. Zirkuläre Wechselbeziehungen zwischen Symptom und Grundstörung kommen hier der klinischen Realität häufig näher als lineare Ursache-Wirkungs-Modelle, die eine »primäre« Störung vom »sekundären« Symptom unterscheiden.
So hat sich insbesondere bei Depressionen, bei Angststörungen und bei Suchterkrankungen gezeigt, dass Schlafstörungen als Vorboten gelten können und einen eigenständigen Bedingungsfaktor für ihren Verlauf darstellen (Eaton, Badawi a. Melton 1995). In einer großen Studie über US-Soldaten, die aus dem Irak-Krieg zurückgekehrt waren, stellte sich – diese Erkenntnisse unterstreichend – heraus, dass Schlaflosigkeit eher als ein Prädiktor für eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Depression denn als ihre Folge anzusehen war (Wright et al. 2011).
Von daher greift die gezielte Behandlung von Schlafproblemen in das pathogenetische Bedingungsgefüge vieler psychischer Erkrankungen ein und stellt keineswegs ein »Kurieren am Symptom« dar. Zudem hat sich gezeigt, dass eine frühzeitige Insomnietherapie eine medizinische Präventivmaßnahme darstellt und den Ausbruch psychischer (Folge-)Erkrankungen verhindern kann.
ist ein diagnosenübergreifender Behandlungsansatz. Die in diesem Buch beschriebenen hypnotherapeutischen Interventionen haben sich bei Schlafstörungen unterschiedlicher diagnostischer Zuordnung als wirksam erwiesen. Sie sind indiziert bei Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, unabhängig davon, ob sie im Rahmen einer Depression, einer Angststörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer psychosozialen Belastungssituation, einer Suchtproblematik oder völlig unabhängig von einer weiteren psychischen Störung bestehen. Auch bei lebensphasisch bedingten Schlafproblemen, wie z. B. in den Wechseljahren oder im höheren Lebensalter, kann Hypnotherapie als ausgesprochen effektive Behandlungsmaßnahme eingesetzt werden.
Selbstverständlich sollten hypnotherapeutische Interventionen bei Insomnie eingebettet sein in ein psychotherapeutisches Gesamtkonzept, welches auf einer fundierten Kenntnis der jeweiligen Krankheitsbilder, der psychosozialen Bedingungen und auf einer sorgfältigen Diagnosestellung fußt. Psychiatrische bzw. psychopharmakologische Maßnahmen sind gegebenenfalls mit einzubeziehen. Dieses erste Kapitel des Buches widmet sich einigen grundlegenden Aspekten der diagnostischen Zuordnung von Schlafstörungen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf Indikationseinschränkungen und Kontraindikationen hypnotherapeutischer Behandlungsmethoden, insbesondere bei Vorliegen bestimmter psychiatrischer Grunderkrankungen. Zudem wird Wert gelegt auf das frühzeitige Erfassen organischer (Mit-)Ursachen, damit dem Patienten gegebenenfalls somatische Behandlungsoptionen angeboten werden können.
1.1Schlafmedizinische Diagnosen im Überblick
Schlafstörungen im Sinne einer Insomnie gehören global zu den häufigsten Gesundheitsproblemen. Epidemiologische Untersuchungen in westlichen Industrienationen ergaben, dass 15–35 % der Bevölkerung unter leicht bis schwer ausgeprägten Schlafstörungen leiden (Weyerer a. Dilling 1991). In Deutschland sind Schlafprobleme der dritthäufigste Grund dafür, sich in hausärztliche Behandlung zu begeben (Wittchen et al. 2001). Schlafstörungen gehören zu den Gesundheitsproblemen, die in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen haben. Laut einer Studie der DAK-Gesundheit (Ersatzkasse) stieg die Zahl der DAK-Versicherten, die Schlafprobleme angaben, von 2005 bis 2009 um 61 %. Zu den Hauptursachen zählten die Betroffenen Stress und berufliche Belastungen wie z. B. Konflikte am Arbeitsplatz (40 %), Grübeln über Ängste und Sorgen (25 %) sowie Schichtarbeit bzw. Arbeitszeiten nach 20 Uhr (20 %) (DAK-Gesundheit 2010).
In der Europäischen Union stellt Insomnie die zweithäufigste psychische Störung dar. Ihre Jahresprävalenz beträgt 7 %. Häufigste psychische Störung in der EU sind Angststörungen mit einer Jahresprävalenz von 14 %. An dritte Stelle stehen depressive Störungen mit einer Jahresprävalenz von 6,9 %, es folgen somatoformen Störungen mit 6,3 % und Abhängigkeitserkrankungen mit zirka 4 % (Wittchen et al. 2011).
Maßgeblich für die internationale Klassifikation aller Formen von Schlafstörungen ist die ICD-11, eine von der Weltgesundheitsorganisation erstellte und herausgegebene statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Die ICD-11 hat die vorhergehende Version ICD-10 abgelöst und ist seit dem Jahr 2022 weltweit gültig. Erstmals findet sich in der ICD-11 ein eigenes Hauptkapitel über »Schlaf-Wach-Störungen«. In diesem 7. Hauptkapitel der ICD-11 sind sowohl die eher psychisch als auch die eher somatisch bedingten Störungskategorien des Schlaf-Wach-Zustands aufgeführt, und zwar in dieser Reihenfolge: Insomnien, Hypersomnien, Schlafbezogene Atemstörungen, Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafbezogene Bewegungsstörungen, Parasomnien sowie sonstige näher bezeichnete oder nicht näher bezeichnete Schlaf-Wach-Störungen.
Übersicht: ICD-11 Hauptkapitel 07 »Schlaf-Wach-Störungen«
•Insomnien (unterteilt in kurzzeitige und chronische Insomnien)
•Hypersomnien
•schlafbezogene Atemstörungen
•Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus
•schlafbezogene Bewegungsstörungen
•Parasomnien
•sonstige näher bezeichnete oder nicht näher bezeichnete Schlaf-Wach-Störungen.
Dieses Fachbuch legt den Schwerpunkt auf die hypnotherapeutische Behandlung von Insomnien, also der in der ICD-11 erstgenannten Kategorie von Schlaf-Wach-Störungen. Zur Erleichterung einer diagnostischen Abgrenzung von den anderen oben aufgeführten Störungskategorien soll an dieser Stelle zunächst kurz auf deren Hauptmerkmale eingegangen werden. Hypersomnien sind durch ausgeprägte Tagesmüdigkeit gekennzeichnet. Ein typisches Beispiel dafür ist das Krankheitsbild der Narkolepsie. Zu den Schlafbezogenen Atmungsstörungen gehört das sogenannte Schlafapnoesyndrom. Mit Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus ist z. B. der Jetlag oder die ständige Verschiebung der Zubettgehzeit auf einen für den eigenen Zirkadianrhythmus ungünstig späten Zeitpunkt gemeint. Unter Schlafbezogene Bewegungsstörungen fällt das Restless-Legs-Syndrom. Bei den Parasommnien handelt es sich um Störungen wie z. B. Schlafwandeln oder Pavor nocturnus (siehe auch Abschn. 15.1).
Kommen wir nun zu den diagnostischen Merkmalen einer Insomnie gemäß ICD-11. Nach der dort beschriebenen Definition besteht bei einer Insomnie die Schwierigkeit, abends einzuschlafen und/oder die Nacht über durchzuschlafen. Dabei wird ein kurzzeitiges Aufwachen in der Nacht mit anschließendem problemlosen Wiedereinschlafen nicht als Störung angesehen. Die Einschlaf- und Durchschlafstörungen sind so ausgeprägt, dass sie zu einer generellen...




