Gorden Earthdawn 4: Die Prophezeiung
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95752-493-5
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Earthdawn-Zyklus, Band 04
E-Book, Deutsch, Band 4, 400 Seiten
Reihe: Earthdawn
ISBN: 978-3-95752-493-5
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Nachdem die Völker der Welt vierhundert Jahre lang in ihren magischen Festungen dem Eindringen der Dämonen getrotzt haben, öffnen sich nun wieder die Pforten ihrer selbstgewählten Gefängnisse. Doch die Bewohner Barsaives müssen feststellen, dass ihre Welt vollständig verwüstet wurde und ihre alten Feinde immer noch gegenwärtig sind. Es liegt am Zwergenkönigreich von Throal, dem grausamen Theranischen Imperium und den verschlagenen Dämonen die Stirn zu bieten. Der Zauberer Cymric ist eher ein Stümper seines Fachs, doch aus Gier nach Ruhm und Reichtum nimmt er jeden Auftrag an, auch wenn die Fähigkeiten dazu nicht ausreichen. Kaum kam er bei der Befreiung eines Quellgeistes knapp mit dem Leben davon, schließt er sich der schönen Schwertmeisterin Leandra an, die dem Geheimnis ihrer Vergangenheit und der Weissagung ihrer Zukunft nachspürt. Cymric ahnt nicht, dass Leandra und ihren Gefährten ein unaussprechliches Schicksal prophezeit wurde.
Greg Gorden ist ein US-amerikanischer Spieleentwickler, der schon für mehrere Verlage und Herausgeber tätig war. Für Victory Games war er an der Entwicklung des James Bond Rollenspiels beteiligt, für Mayfair Games entwickelte er 1985 das DC Heroes Rollenspiel, für West End Games arbeitete er am klassischen Star Wars: The Roleplaying Game und entwickelte TORG. Er entwickelte die Regeln für die Rollenspiele Earthdawn und Deadlands und schrieb auch für Dungeons & Dragons.
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1. Niemand hat Arbeit für einen Magier mit Löchern in den Schuhen. Cymric hielt kurz inne, um eine raffinierte Illusion zu wirken. Als er sich wieder in Bewegung setzte und den zweiten Hügel zu dem Dorf namens Doppelkinn hinuntermarschierte, glänzten seine Stiefel wie neu. Außerdem hielt er seinen Stab jetzt betont steif, um Eindruck zu schinden. Der Magier ließ die Schultern kreisen und schüttelte die dünnen Arme, bis sich seine Robe auffächerte. Der Wind war zu schwach, um das Kleidungsstück aufzubauschen, aber das Sonnenlicht funkelte hell auf seinen vollen Blautönen. Der junge Magier strich sich das schwarze Haar aus der Stirn. Dann ging er gemessenen Schrittes den staubigen Hang hinunter. Er wollte den Einwohnern Doppelkinns Zeit geben, ihn zu bemerken. Außerdem wollte er sich das Dorf genauer ansehen. Der Wind kam jetzt aus einer anderen Richtung und mit ihm der Duft von Zimt. Cymric lächelte: Zimtrollen gehörten trotz der Schwierigkeiten, die er in Tuakan mit der Bäckergilde gehabt hatte, zu seinen Lieblingsspeisen. Zimt bedeutete außerdem, daß zumindest einige der Dörfler genug Geld hatten, um sich hin und wieder einen Leckerbissen leisten zu können – ein wichtiger Hinweis, wenn der Magier seine Preise kalkulierte. Cymric zählte die Häuser – fünfundsechzig insgesamt, davon acht aus Ziegeln oder Stein. Zwei der am weitesten außen gelegenen Häuser waren abgebrannt, aber der Rest des Dorfes machte einen guten Eindruck. Cymrics Lächeln wurde breiter, bis er sich zusammenriß und eine ernstere, magierhaftere Miene aufsetzte. Als er näher kam, sah er drei kleine Mädchen, die auf einem Feld lärmend Fangen spielten. Eines in einem gelben Kittel blickte als erstes in seine Richtung, dann folgten die anderen beiden dem Blick, bis ihn alle drei anstarrten. Cymric blieb stehen, lehnte sich um der Wirkung willen auf seinen Stab und beschrieb dann ausladende, theatralische Gesten mit der rechten Hand. Vor Aufregung kreischend, rannten die Mädchen ins Dorf. Heute abend ißt du vielleicht gut, Junge, dachte Cymric, und beschleunigte seine Schritte, um den richtigen Zeitpunkt seines Auftritts abzupassen. Just in diesem Augenblick bog eine Frau um die Ecke, die einen vollen Wassereimer trug. Als sie Cymric erblickte, erschrak sie und stolperte, wobei sie genug Wasser verschüttete, um ein lautes Platsch zu verursachen. Dörfler lugten aus den Eingängen ihrer Läden. Offenbar ermutigt durch die Tatsache, daß sie sich im ersten Stock befanden, verfolgten ein paar Cymrics Weg, der ihn zum Brunnen in der Mitte des Dorfes führte. Der Brunnen war mit ordentlichen grauen Steinen umrandet, und von dem an der Kurbel befestigten Seil hing ein staubiger Eimer herab. Gegenüber der Kurbel stand eine merkwürdige Statue. Sie war aus Rosenquarz gehauen und zeigte ein junges Mädchen. Der linke Arm war ausgestreckt, der rechte lag am Körper an. Die Handflächen waren nach oben gerichtet, als lade sie den Reisenden ein, am Brunnen zu verweilen und zu trinken. Cymric kam es merkwürdig vor, daß die Statue kein Gesicht hatte: Der Kopf war hohl und verengte sich zu einer Röhre, die unten in der Statue verschwand. Er blieb neben der Statue stehen und klopfte zweimal mit dem Stab auf den Boden. »Liebe Leute, ich bin Cymric! Ich bin ein weitgereister Mann der Magie!« Während er seine Ansprache hielt, wanderte er in großen Kreisen um den Brunnen, wobei er sich zusätzlich noch um sich selbst drehte. Seine Bewegungen waren geschmeidig und entspannt, sein Stab in der ausgestreckten Hand zeigte schräg nach oben. Gleichzeitig taxierte der Magier jene, die ihn beobachteten. Neben dem Rasthaus stand eine Frau in einem Kristallkettenhemd, die ein Breitschwert in einer mit Schriftzeichen verzierten Lederscheide trug. Cymrics Lächeln gefror ein wenig unter dem Blick ihrer dunklen Augen. Wahrscheinlich war sie eine Adeptin. Möglicherweise eine Schwertmeisterin. Vielleicht der Gesetzeshüter von Doppelkinn? Sie konnte zum Verhängnis werden. »Ich bin in das Kaer Irisoi gestiegen und zurückgekehrt«, fuhr er fort. »Ich habe das Rätsel von Chandlers Kreuz gelöst.« Er drehte sich an einem Paar vorbei, bei dem es sich offenbar um den Dorfbäcker und seine Frau handelte. Die beiden waren mittleren Alters und offenbar diszipliniert genug, um von ihren Backwaren nicht fett zu werden. Sie standen mit mehlbefleckten Schürzen da und starrten Cymric mit schlecht verhohlener Erwartung an. Die beiden würden kein Problem darstellen. »Meine Flammen haben Trolle verjagt, und mein Wille hat Geister gebrochen. Ich habe Zauber gelernt, nach denen man selbst in den Hallen Throals trachtet«, erzählte Cymric. Er tänzelte an einem Hufschmied vorbei. Die Arme des Hufschmieds waren vor der Brust verschränkt, und seine Augen folgten jeder von Cymrics Bewegungen. Er folgte dem Magier, vielleicht um seine Worte besser verstehen zu können. Der Hufschmied würde ihm Schwierigkeiten bereiten. »Ich habe mit den Geistern geredet. Die Geister haben mir gesagt, die lieben Leute Doppelkinns hätten Sorgen«, fuhr Cymric fort. Er wurde ein wenig langsamer, da er einen Astralfaden für einen Zauber webte. Ein Mann in einem rotgefärbten Leinenkimono, der denjenigen der Zwergenhändler von Throal nachempfunden war, trat in Cymrics Gesichtsfeld. Die Silberfäden, mit denen der Kimono bestickt war, sahen echt aus, aber die Muster waren keine Runen, die von den Taten der Familie kündeten, sondern blanker Unsinn. Das Duftwasser des Mannes war nach Zwergenart würzig und viel zu großzügig auf die feisten Wangen aufgetragen. Er atmete schwer und schwitzte, wahrscheinlich eine Folge der paar Schritte, die er hatte zurücklegen müssen, um zum Brunnen zu kommen. Dieser Mann würde zu einer Goldmine werden. »Also bitte ich die Geister um ein Zeichen. Zeigt es mir, ihr Geister! Zeigt mir, wer die Nöte am besten versteht, damit ich erfahre, welche Dienste von Cymric dem Magier verlangt werden!« In Cymrics Miene spiegelte die Anstrengung nicht wider, die ihn sein Geschwätz neben dem Wirken des Zaubers kostete. Er verband den Faden mit der magischen Struktur des Zaubers und wirkte eine Flamme, die der Spitze seines Stabes entsprang und auf den feisten Mann zuschoß. Das Feuer kam diesem so nahe, daß er zurückstolperte. Sein Mund war in stummem Protest geöffnet und arbeitete. Die versammelten Dörfler keuchten bestürzt. Verdammt! dachte Cymric. Die Flamme hätte den Mann beinahe verbrannt und sah außerdem keineswegs wie ein Luftgeist aus. Er ging dem feisten Mann einen großen Schritt entgegen und klopfte mit dem Stab zweimal auf den Boden. »Also seid Ihr es, den die Geister erwählt haben. Ich hoffe nur, daß ihre Wahl richtig war. Ihr seid...?« fragte er gedehnt. Der Mann watschelte vorwärts, wobei sein Kimono auf das Wackeln darunter reagierte. »Ich bin Drohn«, sagte er, »Bürgermeister von Doppelkinn und Glashändler.« Cymric lächelte und kniff die Lider zusammen, in der Hoffnung, eine Miene aufzusetzen, die nur ein klein wenig Anerkennung und ein Minimum an Respekt übermittelte. Als Reaktion darauf straffte Drofin die Schultern und gab sich alle Mühe, augenblicklich drei Zoll zu wachsen. Cymrics Mundwinkel zuckten, da er sich das Lachen verbiß. »Bürgermeister Drofin, wenn Ihr so freundlich seid und mir Euer Problem in allen Einzelheiten schildert, bin ich bereit, meine Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen«, sagte Cymric. »Haben Euch Eure Geister nicht unterrichtet?« fragte der Hufschmied. Cymric wandte den Kopf und sah, daß der Hufschmied jetzt langsam zum Bürgermeister hinüberschlenderte. Der Bürgermeister bedachte den Hufschmied mit einem Seitenblick, dann wandte er sich wieder Cymric zu. »Drofin, du bist ja mächtig beeindruckt von diesem Magier, in dessen Gewand sich soviel Blau und in dessen Haar sich sowenig Weiß findet«, sagte der Hufschmied. Als Cymric sich dem Hufschmied zuwandte, gesellten sich die Bäckersleute ebenfalls zum Bürgermeister. Dann trafen vier weitere Dörfler ein, Bauern, die offenbar geradewegs von ihren Feldern gekommen waren, und schlenderten ebenfalls zur Gruppe des Bürgermeisters. Die Schwertfrau blieb jedoch, wo sie war. Gut, dachte Cymric. Ich nehme jede Hilfe an, die ich kriegen kann. »Ich meine, wir müssen wissen, was für ein Magier er ist«, sagte ein Bauer. Ein anderer nickte. Der Bürgermeister sah das Nicken und plusterte sich zu voller Größe auf. »Ja... äh... Cymric, uns sind Geschichten über einen Zauberkundigen in Havel zu Ohren gekommen, der... äh... ein gemeines Verbrechen begangen hat...«, sagte der Bürgermeister. »Hat einem Mann die Knochen verbrannt, ohne seine Haut anzutasten, und dann den beiden Brüdern des Mannes dasselbe angetan«, erläuterte der Bauer. Cymric blinzelte. Er hatte lange überlegt, ob er den Fluß überqueren und sein Glück in Havel versuchen sollte. Jetzt konnte er sich vorstellen, welchen Empfang man ihm dort bereitet hätte. »Nein, Freund, davon weiß ich nichts«, sagte Cymric. Er warf einen raschen Blick auf die Bäckersleute. Sie trugen keine Gildenabzeichen. »Ich war zuletzt in Tuakan«, sagte er. »Oh! Tuakan hat viele Meisterbäcker«, sagte der Bäcker. »Ich selbst habe mein Handwerk unter Hensworth gelernt. Habt Ihr von ihm gehört?« Ja, ich habe ihn sogar laut und deutlich gehört, als er meine Festnahme forderte. Unglücklicherweise war ich da schon halb aus dem Fenster und habe nicht alles mitbekommen, was er gesagt hat, dachte Cymric. »Nein, Bäcker, ich weiß nichts über ihn. Aber da ist mir gewiß etwas entgangen, insbesondere wenn seine Werke auch nur halb so...