E-Book, Deutsch, Band 3, 400 Seiten
Reihe: Belladonna
Grace Wisteria – Die Liebe des Todes (Belladonna 3)
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8458-5707-7
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 400 Seiten
Reihe: Belladonna
ISBN: 978-3-8458-5707-7
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Adalyn Grace ist die New-York-Times-Bestsellerautorin von 'Belladonna' und 'Fluch der sieben Seelen'. Vor ihrem Leben als Autorin arbeitete sie am Theater, für ein Magazin und bei Nickelodeon. Wenn Adalyn gerade nicht schreibt, guckt sie zu viel Anime, spielt Videospiele und geht mit ihren zwei Hunden in San Diego spazieren.
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Kapitel 1
Die Wisteria gilt als Sinnbild für die Unsterblichkeit.
Blythe Hawthorne hatte die Pflanze immer bewundert, die ebenso tödlich wie schön war und so widerstandsfähig, dass sie noch jahrhundertelang wuchs und gedieh, auch wenn sie sich selbst überlassen war. Doch als Blythe jetzt eine ihrer Blüten zwischen den Fingern zerdrückte, bis sich ihre Haut blau färbte, bedauerte sie die Wisteria, die ihr Schicksal teilte. Beide waren sie für immer in Aris’ Garten verwurzelt, ihre Pracht an seinesgleichen verschwendet.
In einer Hinsicht war Blythe der Wisteria gegenüber allerdings im Vorteil: Sie hatte Dornen. Und wenn es um Aris Dryden ging, war sie wild entschlossen, sie auch einzusetzen.
Blythe ließ den Blick durch den Innenhof gleiten, in dem Dutzende von Gästen unter einem Baldachin aus Blauregen warteten. Die Sonne tauchte alles in ein goldenes Licht, und einzelne Strahlen fielen sogar zwischen den Blüten hindurch, sodass die Besucher blinzeln mussten. Ihr Atem bildete beim Plaudern kleine Wölkchen.
Blythe beneidete sie um ihre feinen Mäntel, denn sie selbst fror in der kühlen Herbstluft. Ihre seidigen Ärmel boten kaum Schutz. November war auch ein eher außergewöhnlicher Monat für eine Hochzeit, doch bei Aris musste man wohl jederzeit mit Außergewöhnlichem rechnen. Wenn der vermeintliche Prinz partout an einem Herbstmorgen zu einer Stunde heiraten wollte, in der die Sonne noch nicht einmal den Tau vom Moos getrocknet hatte, wer sollte ihn dann davon abbringen?
Aris Dryden bekam immer seinen Willen. Der heutige Tag bildete wohl eine seltene Ausnahme, war er doch gezwungen, mit ihr eine Frau zu ehelichen, die er nicht leiden konnte.
Und ehrlicherweise musste man sagen, dass die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte.
»Du musst ihn nicht heiraten.« Das kam von ihrem Vater Elijah Hawthorne. »Ein Wort und ich bringe dich fort von hier.«
Unter anderen Umständen hätte Blythe das Angebot sofort angenommen. Doch um ihren Vater vor dem Galgen zu bewahren, hatte sie ihr Blut auf einem goldenen Gobelin vergossen und sich für den Rest des Lebens an Aris, an das Schicksal, gebunden. Als Beweis trug sie ein glitzerndes Band um den Ringfinger, ein Hauch aus Gold, für das menschliche Auge kaum sichtbar.
»Das wird schon werden.« Sollte sie ihrem Vater etwa vormachen, wie sehr sie Aris liebte und wie glücklich sie war, diesen Rohling zum Mann zu nehmen? Das Theater konnte sie sich sparen. Bibbernd stand sie in der feuchtkalten Herbstluft, ihre Haut juckte von gefühlt hundert Lagen Taft, und der Schleier kitzelte so an ihrer Nase, dass sie unentwegt das Niesen unterdrücken musste. Da hatte sie nicht den Nerv, ihrem Vater auch noch ein Märchen aufzutischen. So leicht ließ er sich auch nicht blenden, schließlich wusste er, dass sie nie vorgehabt hatte zu heiraten.
»Du wirst eine wunderbare Prinzessin abgeben«, flüsterte er. Blythe hätte ihm sicher zugestimmt, wenn Aris tatsächlich aus einer königlichen Familie abstammen würde. »Dennoch sollst du wissen, dass dir Thorn Grove jederzeit offen steht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Du kannst immer nach Hause kommen.«
»Das weiß ich doch«, entgegnete Blythe. Womöglich würde sie darauf zurückkommen.
Erst nachdem sich Elijah vergewissert hatte, dass er ihr die Hochzeit nicht mehr ausreden konnte, drückte er ihr einen Kuss aufs Haupt. Dann richtete er ihr den Schleier, sodass ihr Gesicht verborgen war.
Als sich leise Harfentöne zu einer Melodie vereinten, hielt Elijah ihr den Arm hin. »Bereit?«
Niemals. Nicht in einer Million Jahren wäre sie auch nur ansatzweise bereit. Dennoch sagte sie: »Ja«, denn um ihren Vater vor dem Tod zu bewahren, hätte sie jeden Preis bezahlt.
Obwohl sie sich zusammenriss, drehte sich alles um sie herum, als sie in den Garten trat. Der Weg war mit Trittsteinen vorgezeichnet, von denen jeder einzelne mit üppigem Klee umwachsen war. Hätte ihr Vater sie nicht festgehalten, wäre sie mit ihren glatten Schuhsohlen ausgerutscht.
Vor lauter Herzklopfen hörte sie kaum mehr die Harfe, deren Rhythmus sich ihren achtsamen Schritten angepasst hatte. Blythe blickte zu der Menge auf. Ein Meer aus viel zu weißen Zähnen und hungrigen Blicken, als wollten die Gäste ihr jeden Moment wie Aasgeier die Haut von den Knochen rupfen. Blythe reckte das Kinn und verbarg die zitternden Hände. Keiner sollte mitbekommen, dass sie Angst hatte.
Beim Anblick ihrer Brautjungfer atmete sie ein wenig auf. Ihre Cousine Signa stand in einem wunderschönen Spitzenkleid zuvorderst. Auch sie wirkte nervös, knetete die Hände. Hinter ihr ragte der Tod auf, umschlang ihre Hände mit seinen Schatten.
Blythe erschauderte. Vor dem Tod wollte sie instinktiv die Flucht ergreifen, aber … Genau diesen Mann hatte sich Signa ausgesucht. Warum, würde Blythe nie verstehen, aber solange Signa glücklich und ihr Vater Elijah frei war, war ihre Welt in Ordnung.
Nachdem Blythe an ihrer Cousine vorbeigegangen war, verklang die Harfe und ihr Vater blieb stehen. Wohl oder übel musste sie sich nun dem Goldschopf zuwenden, der in einem strahlend saphirblauen Rock vor ihnen stand. Wahrscheinlich würden die meisten Aris Dryden als gut aussehend bezeichnen, aber sie nahm bloß seine schwärende Feindseligkeit wahr. Er verbarg sie hinter einem breiten Lächeln, als wollte er sich dem Schwarm der Aasgeier anschließen, der es auf sie abgesehen hatte.
Aris trat auf sie zu und reichte ihr die Hand. Wäre ihr Vater nicht an ihrer Seite gewesen, hätte sie sie vielleicht nicht ergriffen.
»Hallo, Liebste.« Aris mochte die Worte nur geflüstert haben, doch seine Stimme war eine Waffe, die ihre Haut durchstieß und sie bis zum Heft durchbohrte. »Ich hatte schon gehofft, du würdest nicht kommen.«
Sie ergriff seine Hand und rang sich ein boshaftes Lächeln ab. »Um nichts in der Welt würde ich das missen wollen, Liebster. Aber tu dir keinen Zwang an, du kannst dich gerne morgen wieder scheiden lassen.« Das Band zwischen ihren Fingern flammte auf und brannte sich in ihre Haut, sodass Aris vor Schmerz das Gesicht verzog und laut auflachte, um es zu überspielen.
»Um dir lebenslanges Leid zu ersparen? Wohl kaum. Du hast ja keine Ahnung, was ich mir alles vor…« Aris brach ab. Sie hatten mit gesenkten Köpfen ganz leise gesprochen, doch jetzt fauchte er: »Was zum Teufel trägst du da?«
Blythe wusste sofort, dass er ihre grünen Samtslipper meinte. Ihre Lieblingsschuhe. Damit sie zu sehen waren, hatte sie den Rocksaum ein wenig gerafft. Selbstverständlich war Aris empört.
Und nicht nur er, auch die Gäste. Verstohlenes Kichern war zu hören, worauf Blythe nichts gab. Aris’ Kiefermuskeln mahlten. Er quetschte ihre Hände und zischelte durch die Zähne: »In Slippern heiratest du mich nicht. Los, geh dich umziehen!«
Blythe vergrub die Zehen im Samt. »Die Hochzeit unterbrechen? Ich denke nicht mal im Traum daran.«
Wäre Blythe nicht vorgewarnt gewesen, hätte sie spätestens jetzt erkannt, wie groß Aris’ Macht war. Auf ein goldenes Blitzen seiner Augen stand die Welt still. Elijah hatte es mitten im Schritt erwischt, als er sich wieder unter die Gäste mischen wollte. Neben Blythe flatterte ein Kolibri eingefroren in der Luft, und sie streckte die Hand aus, um ihm über den Bauch zu streichen. Einige Gäste hatten tuschelnd die Köpfe zusammengesteckt, nun standen sie tonlos mit halb offenen Mündern, die Augen starr. Nur Signa und der Tod bewegten sich in Schatten gehüllt weiter. Als Signa einen Schritt auf ihn zumachte, gebot Aris ihr mit einem Blick Einhalt, der die Sonne zum Schmelzen hätte bringen können.
»Zieh dir sofort vernünftige Schuhe an.« Aris hatte sich zu Blythe heruntergebeugt und machte nun, da die Gäste nichts mitbekamen, keinen Hehl aus seiner Verachtung für sie. »Das ist doch absurd. Ich mache deine Spielchen nicht mit.«
Blythe frohlockte. Wie gehofft, hatte sie ihn bei der Eitelkeit gepackt. Grinsend gab sie zurück: »Vielleicht ist es dir entgangen, aber du spielst mein Spiel doch bereits.«
Die Myriaden von Goldfäden rings um sie beide herum glommen auf, einige wickelten sich um ihre Handgelenke, und als Aris Anstalten machte, sie vorwärts zu zerren, wappnete sich Blythe innerlich. Doch im nächsten Moment wurde er selbst von unsichtbaren Mächten zurückgerissen und hielt sich fluchend das Handgelenk. Vorwurfsvoll sah er Signa an, die jedoch keine Miene verzog.
Hatte ihre Cousine etwa auch einen Pakt mit dem Schicksal geschlossen? Offenbar konnte er ihr nichts anhaben. Blythe lachte schadenfroh und trat auf ihn zu, sodass sie Brust an Brust standen. Oder vielmehr Brust an Bauch, denn er war einen guten Kopf größer als sie.
»Wenn es sein muss, bleibe ich so lange hier stehen, bis ich mich gegen dich durchgesetzt habe.« Blythe meinte jedes Wort. »Gib die anderen frei und lass uns mit dem Affenzirkus weitermachen.«
Eine gefühlte Ewigkeit verging, ohne dass Aris sich rührte. Da wurde sogar der Tod nervös. Blythe hielt die Luft an, als sich seine Schatten näherten,...




